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Harsche Kritik am EEG 2016: Lasche Ziele und Deckel beim Ausbau sorgen für miese Stimmung
Ein halbes Jahr nach dem weltweit gemeinsamen Bekenntnis zum Klimaschutz in Paris ist die Stimmung in der Branche der erneuerbaren Energien in Deutschland auf einem neuen Tiefpunkt angekommen. Schuld daran ist die soeben umgesetzte Erneuerung des EEG, das fortan unter dem Namen EEG 2016 firmiert.
Stellvertretend für die Erneuerbare-Energien-Branche in Deutschland formuliert der BEE als Dachverband von 37 Verbänden und Unternehmen mit 30.000 Einzelmitgliedern, harsche Kritik: „Um die öffentlichkeitswirksam verkündeten Ziele der deutschen Klimapolitik zu erreichen, müssten die Erneuerbaren Energien schwungvoll ausgebaut werden, statt zehn eiserne Deckel gegen die Energiewende in das neue Gesetz zu schreiben“, erklärt BEE Geschäftsführer Dr. Hermann Falk.
Anlass für die erneute Kritik ist die Veröffentlichung einer Studie der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW), in der dargestellt wird, dass Deutschland mehr Ökostrom als geplant produzieren muss, um die Klimaschutzziele von Paris einhalten zu können. Die Studie betrachtet erstmals nicht ausschließlich den Stromsektor, sondern bezieht die Sektorkopplung, sprich Strom, Verkehr, Wärmeversorgung und Industrie mit ein.
Demnach braucht Deutschland spätestens im Jahr 2040 jährlich 1.320 Terawattstunden an erneuerbarem Strom – das ist mehr als doppelt so viel wie heute. Der deutlich höhere Strombedarf entsteht demnach, weil auch Verkehr, Wärme und Industrie zum Erreichen der Klimaschutzziele in Deutschland von fossilen Energieträgern auf erneuerbaren Strom umschwenken müssen. „Mit den geringen Zubaukorridoren des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ist ein Einhalten der Paris-Ziele praktisch unmöglich. Entweder fehlt den politisch Verantwortlichen der nötige Sachverstand oder sie beabsichtigen das Klimaschutzabkommen gar nicht einzuhalten“, kritisierte Prof. Dr. Volker Quaschning, Leiter der Studie, bei der Präsentation in Berlin.
Das EEG 2016 ist am Dienstag in die parlamentarische Beratung gegangen. Bereits am Montag hat sich Bundesumweltministerin Barbara Hendricks bei einem EU-Treffen für die Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens stark gemacht. „Binnen einer Woche treibt die Bundesregierung zwei verbindliche Rechtsakte voran, die sich inhaltlich komplett widersprechen“, kritisierte Marcel Keiffenheim, Leiter Politik und Kommunikation von Greenpeace Energy, „das ist klimapolitische Schizophrenie“. Die Energiegenossenschaft präsentierte die HTW-Studie zusammen mit Quaschning und ergänzte sie um Berechnungen zum Bedarf an Langzeitspeichern für ein versorgungssicheres erneuerbares Energiesystem.
„Wir müssen die Wind- und Solarenergie drei bis sechs Mal schneller ausbauen als von der Bundesregierung geplant“, präzisierte Quaschning und legte Zahlen vor: Die Onshore-Windkraft müsse pro Jahr um 6,3 Gigawatt netto ausgebaut werden statt um 2,8 GW brutto, wie im EEG 2016 anvisiert. Bei der Photovoltaik seien jährlich sogar 15 GW erforderlich statt der im EEG vorgesehen 2,5 GW. Bis 2040 müsste außerdem der Verkehrssektor vollständig elektrifiziert worden sein, ab 2025 sollten daher keine Neufahrzeuge mehr mit Verbrennungsmotor zugelassen werden.
Hinzu kommt der notwendige Kohle-Ausstieg bis 2030. Um die Versorgungssicherheit dennoch zu garantieren, seien Langzeitspeicher für die Erneuerbaren Energien von Nöten. Die einzige Technologie, die hierfür in Frage käme, sei Power-to-Gas. Aber auch dieses Thema greift die Bundesregierung in ihrer EEG-Novelle nicht auf.
„Diese Studie ist ein Beleg dafür, dass die Energiepolitik und insbesondere auch die EEG-Novelle der Bundesregierung um Merkel und Gabriel völlig verfehlt ist. Während sich die Große Koalition in Paris als Klimaretter feiern lässt, fährt sie hier in Deutschland den Klimaschutz gegen die Wand. Diese Politik ist mit dafür verantwortlich, dass Klimaschäden steigen“, kritisiert auch Hans-Josef Fell, Präsident der Energy Watch Group (EWG) und Autor des EEG-Gesetzentwurfes von 2000, die Bundesregierung.
Der BEE hat unterdessen ein Papier vorgelegt, in dem die „10 Deckel gegen die Energiewende“ dargestellt werden. Betroffen sind so ziemlich alle Teilbereiche der Erneuerbaren, besonders hart hat es dieses Mal die Onshore-Windenergie erwischt. „Die Bundesregierung plant jetzt auch noch den Windenergieausbau zu verlangsamen, nachdem sie bei Solar- und Bioenergie schon 2012 und 2014 hart gebremst hat“, kritisiert Hermann Falk.
Entsprechend mies ist die Stimmung in der Windenergiebranche, wie eine aktuelle Umfrage der IG Metall unter ihren Betriebsräten zeigt. Die Umfrage, die über 19.000 Beschäftigte – von Turbinenherstellern über Wartungsfirmen bis hin zu Produzenten von Rotorblättern – repräsentiert, fällt eindeutig aus: 80 Prozent der Betriebsräte erwarten, dass die EEG-Reform sich negativ auf die Branche auswirkt. 60 Prozent rechnen mit negativen Folgen für ihren eigenen Betrieb. Noch höher liegen die Zahlen in Betrieben, bei denen die Windenergie mindestens die Hälfte des Umsatzes ausmacht (88 bzw. 68 Prozent).
„Das neue EEG drosselt nicht nur den Ausbau der Windenergie, sondern auch den Aufbau von Beschäftigung und Wertschöpfung", sagt Meinhard Geiken, Bezirksleiter der IG Metall Küste. Die Unternehmen müssten verstärkt auf andere Standbeine und ausländische Märkte setzen. "Die Reform wird der Branche einen Dämpfer verpassen", bestätigt auch Thomas Ahme, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender bei der Hamburger Siemens-Niederlassung, wo Offshore-Windkraftprojekte geplant werden.
Von der Aufbruchstimmung, die Ende letzten Jahres nach dem Beschluss der Klimaziele von Paris herrschte, ist nicht viel übrig geblieben. Die politische Realität sorgt für einen rauen Wind – nicht nur in der Windenergiebranche.
- Autor:
- Katrin Radtke
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- kr@windmesse.de
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- Versorgungssicherheit, Sektorkopplung, Offshore, Hamburg, Energiewende, Barbara Hendricks