2024-11-21
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Im Windmesse.de Interview: Silvio Konrad und Alexander Ohff von TÜV NORD

Fachkräftemangel, Hybridanlagen, Wasserstoff, Weiterbetrieb, technische Herausforderungen von Offshore-Windparks: Windmesse.de hat dazu mit zwei Experten von TÜV NORD gesprochen: Silvio Konrad ist Chief Operating Officer Energy und Chief Commercial Officer Business Unit Industrial Services, Alexander Ohff ist Executive Vice President Renewables.

Die Energiekrise hat die Notwendigkeit eines schnellen Ausbaus von Anlagen im Bereich erneuerbare Energien noch mal verdeutlicht. Ein großes Problem ist aktuell aber der Fachkräftemangel. Wie kann man damit umgehen und dafür sorgen, dass auch langfristig genug Menschen in diesem Bereich tätig sind?

Konrad: Im Bereich erneuerbare Energien zu arbeiten ist generell beliebt, aber in den letzten Jahren hat das ständige Auf und Ab aufgrund regulatorischer Eingriffe dazu geführt, dass viele Fachkräfte in andere Länder und Regionen oder in andere Branchen abgewandert sind. Jetzt, wo der kräftige Ausbau ansteht, haben wir einen riesigen Fachkräftemangel. Das Wichtigste sind jetzt stabile, regulatorische Rahmenbedingungen sowie eine „Fachkräfte-Rückgewinnungs-Initiative“, um ein langfristig attraktives und sicheres Arbeitsumfeld bieten zu können.

Ohff:  Bei TÜV NORD wachsen wir seit Jahren stetig und setzen auf Kontinuität, weil wir international tätig sind und uns in verschiedene Märkte diversifizieren. Am wichtigsten ist aus meiner Sicht aber ohnehin das alltägliche Arbeitsumfeld: Wir setzen auf Duz-Kultur mit einem freundlichen Miteinander, offen und transparent. Unsere Leute sollen gerne zur Arbeit kommen und gerne mit ihren Kolleginnen und Kollegen Zeit verbringen.

Auch in Deutschland entstehen in den letzten Jahren immer mehr Hybridanlagen, in denen verschiedene Arten von EE-Anlagen z.B. mit Speichern kombiniert werden. Wo liegen die technischen Herausforderungen bei diesen Anlagen?

Konrad: Schon während der Planung eines Hybridparks sollten die Komponenten aufeinander abgestimmt werden. Die Leistung der Energieerzeugungsanlagen müssen zur Kapazität und Leistung der Energiespeichersysteme passen und die unterschiedlichen Spannungs- und Stromniveaus müssen miteinander verbunden werden. Dazu kommt in der Regel eine anspruchsvolle, weitgehend automatisierte Betriebsführung: diese regelt beispielsweise wann der Speicher geladen wird, damit genug Energie für die nächste Flaute zur Verfügung steht. Nur so kann die Versorgungssicherheit gewährleistet werden! Hier treffen wirtschaftliche Gesichtspunkte zum Beispiel auf „natürliche“ Gegebenheiten, Anforderungen der funktionalen Sicherheit und den Schutz der Anlagen vor Cyberangriffen.

Wasserstoff hat sich in den letzten Monaten zum viel zitierten Heilsbringer entwickelt, dabei stecken die meisten Projekte bislang noch in den Kinderschuhen. Ist das Potenzial für diese Technologie wirklich so groß und wie lange wird es dauern, bis der Wasserstoffhochlauf wirklich da ist?

Konrad: Der Wasserstoffbedarf in Deutschland wird stark ansteigen; aktuelle Prognosen gehen davon aus, dass er bis 2045 einem Drittel des heutigen Erdgasverbrauchs entspricht. Dabei gerät aber oft aus dem Blick, dass nicht nur die Herstellung oder der Import sichergestellt werden muss, sondern ebenso passende Transportinfrastrukturen und Speicherkapazitäten. In allen drei Bereichen arbeiten wir an vielversprechenden Pilotprojekten mit. Die Europäische Kommission sollte mit dem jetzt anstehenden „Delegated Act“ investitionsfreundliche Rahmenbedingungen für den notwendigen Markthochlauf schaffen. Ebenso sollte auf europäischer Ebene ein mit H2Global-vergleichbares Instrument mit entsprechender Finanzausstattung etabliert werden.

In Deutschland stehen bislang knapp 30.000 Windenergieanlagen. Viele davon sind aber bereits in die Jahre gekommen. Wie kann man einen sicheren Weiterbetrieb über die angedachte Lebensdauer hinaus gewährleisten?

Ohff: Für die Lifetime-Extension prüfen wir analytisch, welchen Belastungen die Anlage an genau diesem Standort ausgesetzt war, und inspizieren ihren Zustand gründlich vor Ort. Auf dieser Basis geben wir Empfehlungen, wie ein sicherer Weiterbetrieb gewährleistet werden kann. Ebenso kann aber das Repowering eine wichtige Rolle spielen: Die alten Anlagen stehen häufig an windstarken Standorten, die so effizient wie möglich genutzt werden sollten, um die zum Beispiel in Deutschland sehr ambitionierten Ausbauziele zu erreichen.

Im Zuge der Energiewende wird die Notwendigkeit von Offshore-Windparks noch weiter ansteigen. Welche Herausforderungen aus technischer Sicht sind hier zu bewältigen und wie kann man ihnen begegnen?

Ohff: Die größte Herausforderung im Offshore-Bereich ist die geringe Flexibilität der Supply Chain, da es nur wenige spezialisierte Anbieter für den Bau von Offshore-Windkraftanlagen, Fundamenten oder Umspannplattformen gibt. Wenn der Offshore-Ausbau anzieht, sehe ich auch ein Bottleneck bei der Verfügbarkeit geeigneter Spezialschiffe für die Installationsphase. Für die großen 15 MW+-Offshore-Anlagen sind neue Hubinseln und Kranschiffe notwendig, weil die Transport- und Hubkapazitäten der bestehenden Schiffe nicht ausreichen. Auch im Balance of Plant, wie zum Beispiel Umspannplattformen oder Kabeln, kann es zu Verzögerungen kommen, wenn mehrere Projekte gleichzeitig installiert werden und diese um die wenigen Spezialanbieter konkurrieren. Die Offshore Supply Chain erfordert ein gehöriges Maß an Spezialwissen, daher ist eine kontinuierliche Auslastung wesentlich für eine nachhaltige und gesunde Entwicklung dieses spannenden Marktes.

Quelle:
TÜV Nord
Keywords:
tüv nord, Silvio Konrad, Alexander Ohff, Fachkräftemangel, Hybridanlagen, Wasserstoff, Weiterbetrieb, technische Herausforderungen, Offshore-Windparks
Windenergie Wiki:
Windpark, Versorgungssicherheit, Umspannplattform, Repowering, Offshore, MW, Energiewende



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