Meldung von Windmesse.de
Zum Branchenprofil von
Europa ächzt unter Konkurrenz aus Fernost
Die aktuelle Entwicklung treibt nicht nur dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) die Sorgenfalten auf die Stirn: Die Wirtschaft von Deutschland, Europas größtem Staat, schwächelt. Und während deutsche Produkte eine immer kleinere Rolle auf dem europäischen Markt spielen, gewinnen chinesische Waren immer mehr an Bedeutung. In Zahlen ausgedrückt: Zur Jahrtausendwende machten deutsche Produkte rund 14 Prozent an den gesamten EU-Importen aus, 2022 waren es nur noch 12,5 Prozent. Im selben Zeitraum stieg der Anteil chinesischer Waren von 2,6 Prozent auf 8,8 Prozent an, so das IW.
Gerade unter den bislang als Exportschlagern geltenden Produkten wie Maschinen, chemischen Produkte, Metallerzeugnissen oder Autos macht sich diese Entwicklung bemerkbar. Allen voran die deutschen Autobauer haben dank jahrelang üppig fließender Subventionen die Entwicklung von Elektroautos gehörig verschlafen und versuchen nun verzweifelt Anschluss an den Vorsprung der Chinesen zu erlangen. Zwar hat Deutschland mit 22 Prozent Importanteil immer noch die Nase vorn, doch China holt auch hier rasant auf und konnte seine Anteile auf dem europäischen Markt insbesondere seit der Corona-Pandemie ausbauen, wie das IW moniert.
Auch in anderen Bereichen droht Gefahr aus Fernost. Vor knapp zehn Jahren hat die europäische Solarindustrie, auch hier angeführt von Deutschland, durch politische Fehlentscheidungen die Solarbranche an den Rand des Zusammenbruchs geführt. Unterdessen sind chinesische Unternehmen in die Lücke gestoßen und dominieren mittlerweile den Weltmarkt, während sich die europäische und vor allem die deutsche Solarbranche nur langsam von diesem Szenario erholt.
Die EU ist sich bislang nicht einig. Das könnte ihr zum Verhängnis werden (Bild: Pixabay)
Nun droht der Windbranche eine ähnliche Entwicklung, vor der der europäische Windenergieverband WindEurope schon vor zwei Monaten warnte: „Europa will eine grüne Industriepolitik. Es will, dass erneuerbare Energien in Europa hergestellt werden. Aber es versagt bei den politischen Maßnahmen, die dies tatsächlich ermöglichen. Das Gesetz über die Netto-Null-Industrie muss verschärft werden. Öffentliche Gelder müssen die Ausweitung grüner Lieferketten unterstützen, so wie es anderswo auf der Welt der Fall ist. Andernfalls wird der EU Green Deal außerhalb Europas hergestellt, und Europa wird seine Abhängigkeit von russischem Gas einfach gegen eine Abhängigkeit von chinesischer Ausrüstung für saubere Energie austauschen“, so WindEurope-CEO Giles Dickson.
Und während die USA durch die Einführung des massiven Subventionsprogramms Inflation Reduction Act die heimische Wirtschaft in Schwung gebracht haben, konnte sich Europa bislang nur auf einen zahnlosen Konter einigen: Der sogenannte Net-Zero Industry Act (NZIA) ist bislang unzureichend und muss dringend nachgebessert werden.
Scharfe Kritik an der europäischen Politik übt daher Johanna Lehne, Analystin beim Klimatheoretiker E3G, gegenüber dem Guardian: "Die EU tut so, als ob sie Industriepolitik betreiben würde. Wenn man sich das Paket selbst anschaut – die Tatsache, dass es keine neuen Finanzmittel gibt, dass sie es im Grunde den Mitgliedsstaaten überlassen, dass sie nicht in der Lage waren, einen wirklich kohärenten und koordinierten Ansatz zu entwickeln – ist es nicht mehr als die Summe seiner Teile".
Auch Giles Dickson, CEO von WindEurope, ist unzufrieden: „Unsere bestehenden grünen Lieferketten bringen Arbeitsplätze, Wachstum und Investitionen in Tausende von Gemeinden. Wir müssen aufwachen und das bewahren UND ausbauen. NZIA ist unsere Chance. Wir dürfen sie nicht verspielen.“
Die chinesische Three Gorges Group hat die derzeit größte Windenergieanlage der Welt gebaut (Bild: Three Gorges Group)
Schon heute drängen chinesische Unternehmen auf den europäischen Windmarkt und können erste Erfolge verbuchen: So konnte das chinesischen Unternehmen Dajin Offshore, das Fundamente für Offshore-Windkraftanlagen herstellt, in den vergangenen Monaten bereits Aufträge für Windparks in Großbritannien und Frankreich an Land ziehen, was dazu geführt hat, dass man aktiv über den Bau einer Fabrik in Europa nachdenkt. Im Mai kam schließlich noch der Auftrag für den deutschen Offshore-Park Nordseecluster von RWE dazu.
Und das dürfte erst der Anfang sein, denn auch andere Unternehmen aus der Windbranche schielen auf den Markt in Europa. Dabei kann man sich des Eindruck nicht gewähren, dass sich die Europäer auf die Erfolge der Vergangenheit verlassen – immerhin steht hier die Wiege der internationalen Windbranche. Doch allein die Erfolge der chinesischen Turbinenhersteller in den vergangenen Monaten, wo u.a. das chinesische Unternehmen Three Gorges Group mit einer 16 MW-Turbine die leistungsstärkste Windkraftanlage der Welt vorstellte, zeigen, dass diese Zeiten längst vorbei sind. „Hier geht es nicht mehr um Innovation, es ist keine technologische Herausforderung, es ist eine reine Mengenherausforderung", gibt Giles Dickson gegenüber dem Guardian den Weg für die Zukunft vor.
- Autor:
- Katrin Radtke
- Email:
- presse@windmesse.de
- Keywords:
- Europa, Deutschland, China, offshore, onshore, Windbranche, Unternehmen, Elektroauto, Solarbranche, Markt, Industriepolitik
- Windenergie Wiki:
- Windpark, Turbine, MW, Giles Dickson