2024-11-05
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Bis die Blase platzt

Die Windenergiebranche hat sich in den letzten Jahren prächtig entwickelt. Immer mehr Menschen sind in diesem Industriesektor beschäftigt, deutsches Knowhow wird in die ganze Welt exportiert. Mit der Umstellung des Systems in Deutschland hin zu Ausschreibungen droht nun allerdings ein Ende dieser Entwicklung. In den letzten Tagen werden die Stimmen immer lauter, die auf ein sich anbahnendes Drama in der Windbranche aufmerksam machen.

Als erstes schockte Turbinenhersteller Senvion vor einigen Wochen mit der Ankündigung, sein Werk in Husum schließen zu müssen. Weitere Ungemach droht unterdessen auch in Bremerhaven, wo das Werk der Firma Adwen ebenfalls keine Zukunft haben dürfte. Das Unternehmen, das zu Gamesa gehört, ist nach der Fusion des Mutterkonzerns mit Siemens Teil des Münchner Konzerns geworden. Der wiederum hat gerade in Cuxhaven eine eigene Turbinenfabrik errichtet, was dazu führte, dass dort ein großes Offshore-Zentrum entsteht. Der Standort in Bremerhaven ist damit obsolet. Auch rückläufige Umsatzzahlen etwa von Nordex und Vestas haben die Branche kürzlich aufgeschreckt.

Ausschreibungssystem sorgt für Probleme

Verschärft wird die Situation durch die Ausschreibungen, die seit diesem Jahr in Deutschland Pflicht sind. Die mit den Ausschreibungen verordnete Reduzierung des Zubaus von heute über 4.000 Megawatt auf nur noch 2.800 Megawatt pro Jahr und die verunglückte gesetzliche Definition der 'Bürgerenergie' sorgen für mangelnde Planbarkeit, wie auch der Branchenverband BWE kritisiert. Auf Grund der deutlich längeren Frist zur Realisierung von Bürgerenergieprojekten droht der Branche daher ein erheblicher Einbruch des Ausbaus in den Jahren 2019 und 2020. Dabei hat gerade die relativ stabile Politik des EEG in den vergangenen Jahren zu einem beispiellosen Boom in der Branche geführt und die Entwicklung neuer Technologien vorangetrieben.

Den Akteuren der Branche wird nun aber die Grundlage für weitere Investitionen in die Energiewende genommen: „Angesichts der durchschnittlich drei- bis fünfjährigen Genehmigungsverfahren [der Bürgerwindprojekte] sind hiervon auch die Projektträger massiv betroffen. Insgesamt stehen so gut 143.000 Arbeitsplätze auf der Kippe. Bundestag und Bundesregierung müssen deshalb schnell handeln", fordert Hermann Albers, Präsident des Bundesverbands Wind Energie, die Politik zum Handeln auf.

Stimmungsumschwung in der Branche

Unterstützung bekommt er dabei von den Gewerkschaften. So legte die IG Metall Küste gestern die Ergebnisse ihrer jährlichen Umfrage vor, die von einem Stimmungsumschwung in der Branche zeugen: „Die Situation in der Windindustrie spitzt sich zu – schneller und deutlicher als wir es befürchtet hatten", sagte Meinhard Geiken, Bezirksleiter der IG Metall Küste. "War vor einem Jahr von Entlassungen und Standortschließungen noch keine Rede, sind davon jetzt zahlreiche Unternehmen sowohl aus dem On- als auch dem Offshore-Bereich betroffen.“

Für die Umfrage wurden Betriebsräte von Firmen entlang der kompletten industriellen Wertschöpfungskette aus dem gesamten Bundesgebiet befragt. Wie sich an deren Aussagen zeigt, haben sich die Aussichten der Branche deutlich verschlechtert: Zwar verfügen zwei Drittel der befragten Betriebe aktuell noch über volle Auftragsbücher, aber die Auftragslage dürfte sich in den kommenden zwei Jahren dramatisch verschlechtern. Damit einher wird von einem Beschäftigungsrückgang ausgegangen, weitere Entlassungen und Standortschließungen drohen.

Die Betriebsräte sehen eine negative Marktentwicklung voraus, wenn nicht rechtzeitig gegengesteuert wird. (Grafik: IG Metall Küste)

Davon besonders betroffen sind Unternehmen, die ausschließlich in der Windbranche tätig sind und die die Situation nicht durch andere Geschäftsbereiche auffangen können. "Wir befürchten dadurch einen massiven Einbruch der Produktion. Um Beschäftigung zu halten und die Technik der Anlagen weiter zu verbessern, braucht es einen ambitionierteren und vor allem verlässlichen Ausbaupfad", erklärte Geiken.

Auch Politik fordert Nachbesserungen

Erste Politiker haben jetzt immerhin reagiert. So hat sich Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies mit betroffenen Unternehmen und Verbänden zusammen gesetzt und ein gemeinsames Positionspapier erarbeitet. „Die Unternehmen haben auf die dramatische Situation der Branche hingewiesen, die mit den Ergebnissen der ersten beiden Ausschreibungsrunden entstanden ist. Entgegen der Absicht der Bundesregierung, die Akteursvielfalt zu erhalten, haben sich wenige professionelle Projektentwickler einen Großteil des Ausschreibungsvolumens gesichert. Die Folgen sind eine Monopolisierung des Marktes sowie ein Fadenriss beim Ausbau in den kommenden Jahren. Damit sind nicht nur viele qualifizierte Arbeitsplätze in Deutschland gefährdet, sondern auch unser mühevoll erarbeiteter internationaler Innovationsvorsprung in diesem Sektor", so Minister Lies.

Gemeinsam wird nun gefordert, vor der nächsten Ausschreibungsrunde, die noch in diesem Jahr ansteht, Nachbesserungen am Regelwerk vorzunehmen: So sollen nur noch Projekte mit der erforderlichen BImSchG-Genehmigung zugelassen werden und bezuschlagte Projekte sollen grundsätzlich innerhalb von 24 bzw. 30 Monaten in Betrieb genommen werden. Nur so kann die Branche Planungssicherheit zurückgewinnen und der Windenergieausbau in verlässlichem Rahmen weiter vorangetrieben werden.

Wirtschaftsminister Olaf Lies mit Vertretern niedersächsischer Verbände und Unternehmen der Windenergie (Bild: Land Niedersachsen)

Angesichts der anstehenden Bundestagswahl wäre es jetzt an der Zeit, dass Politiker auch bundesweit darauf hören, welche Signale aus einem Industriesektor kommen, der in den letzten Jahren einen beispiellosen Aufschwung erlebt hat. So steht jeder Arbeitsplatz der Branche schließlich auch für eine Wählerstimme.

Autor:
Katrin Radtke
Email:
presse@windmesse.de
Keywords:
Ausschreibung, BWE, IG Metall, Branche, Senvion, Nordex, Siemens
Windenergie Wiki:
Offshore, Megawatt, Energiewende, Cuxhaven, Ausschreibungen



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