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Windenergieausbau allein reicht nicht - Europa muss andere Lösungen finden
Zunächst die guten Nachrichten: Mittlerweile gibt es in mehr als 90 Ländern Windenergieprojekte, darunter neun, in denen bereits mehr als 10.000 MW installiert sind, sowie 29, die im vergangenen Jahr die 1.000 MW-Marke überschritten haben. Die kumulative Kapazität stieg um 12,6% auf insgesamt 486,8 GW, weiß GWEC zu berichten.
„Die Windenergie konkurriert nun erfolgreich mit stark subventionierten etablierten Betreibern auf der ganzen Welt. Sie baut neue Industrien auf und schafft Hunderte von Tausenden von Arbeitsplätzen und führt so den Weg zu einer sauberen Energie-Zukunft an", betont GWEC-Generalsekretär Steve Sawyer (Bild rechts, GWEC) bei der Präsentation der Zahlen in Indien. "Wir befinden uns mitten in einer Zeit der revolutionären Veränderung, weg von Energiesystemen, die auf ein paar großen, umweltschädliche Anlagen basieren, hin zu Märkten, die zunehmend von einer Reihe von weit verzweigten erneuerbaren Energiequellen dominiert werden. Wir müssen aber schon vor 2050 zu einem emissionsfreien Stromnetz kommen, um unsere Klimawandel- und Entwicklungsziele zu erreichen.“
Genau da liegt aber auch das Problem: Immer mehr Länder drohen die gesteckten Ziele zum Klimaschutz und Ausbau der Erneuerbaren zu verfehlen. Neben der Unsicherheit, ob etwa die Amerikaner unter Donald Trump überhaupt noch am Pariser Klimaabkommen festhalten, versagen auch weitere Nationen, die bisher zu den Motoren der Energiewende gehörten. Darunter auch der einstige Klassenprimus Deutschland, wie kürzlich eine Studie des Bundesverbandes für Erneuerbare Energien (BEE) aufzeigte: Demnach wird der Anteil Erneuerbarer Energien von derzeit 14,6 Prozent bei Fortsetzung des jetzigen Ausbautempos im Jahr 2020 bei lediglich 16,7 Prozent liegen. Verbindliches EU-Ziel ist bis dahin jedoch ein Anteil von 18 Prozent am gesamten Endenergieverbrauch. Damit verpasst Deutschland neben seinen Klimaschutzzielen auch sein Erneuerbare Energien-Ziel für 2020.
Die Konjunkturlage im deutschen Markt bietet derzeit kein wirklich erfreuliches Bild, erklärt auch der Verband Deutscher Maschinen und Anlagenbauer (VDMA). Nur die Onshore-Windenergie wird momentan noch positiv bewertet. Beim Ausbau thermischer Kraftwerke über 100 MW und bei Wasserkraftanlagen einschließlich der Pumpspeicher stockt es im Heimatmarkt. Hierzulande wird deutlich, dass die verschiedene Rädchen einer erfolgreichen Energiewende nicht genügend ineinander greifen.
In der Offshore-Windenergie haben unterdessen die Festlegungen des neuen EEG bei Herstellern und Investoren für erhebliche Verunsicherung gesorgt – trotz der kürzlich erfolgten Ausschreibungsrunde, bei der die ersten Offshore-Parks in Deutschland gänzlich ohne Subventionen auskommen wollen. Matthias Zelinger, Geschäftsführer von VDMA Power Systems, erklärt das Problem: „Einerseits haben wir Vorzieheffekte bei Windenergie an Land und Motorenanlagen wegen der Umstellung auf das Ausschreibungssystem. Andererseits gibt es die bestehenden, nicht zukunftsfähigen Überkapazitäten im Kraftwerkspark und eine massive Verunsicherung bei Investoren“.
Allerdings setzen die Ausschreibungen samt Verzicht auf Subventionen auch ein deutliches Signal, was noch alles möglich ist, denn gerade bei der Offshore-Technologie ist noch kein Innovationsende in Sicht. Länder wie Belgien, wo laut darüber nachgedacht wird, das bisherige Marktsystem ebenfalls auf Ausschreibungen à la Deutschland umzustellen oder die Niederlande treiben die Preisspirale ebenfalls deutlich nach unten.
Auch in Dänemark, das mit einem Windkraftanteil von 40 Prozent das GWEC-Ranking deutlich anführt, sieht man ein Ende der Subventionen nahen. So sagte der dänische Energieminister Lars Christian Lilleholt kürzlich gegenüber Bloomberg, dass "in nur wenigen Jahren" erneuerbare Energieversorger keine staatliche Unterstützung mehr benötigen. Das sei eine Entwicklung, die er sich im letzten Jahr noch nicht habe vorstellen können. "Wir sind dem jetzt sehr nah gekommen", sagte er in einem Interview in Kopenhagen am Montag.
Offshore-Windenergie: Bald überall subventionsfrei? (Bild: GWEC)
Andererseits warnen Experten auch davor, die Hoffnungen ausschließlich auf weitere Technologieschübe zu legen. Der technische Fortschritt ist ein erster, wichtiger Schritt, allerdings ist man in Europa bereits darüber hinaus. Stattdessen müsse nun auch im Verkehrs- und Wärmesektor endlich ein großflächiges Umdenken stattfinden: „Die Politik muss Energie noch viel mehr als ein Gesamtsystem aus Umwandlung, Speicherung und Verbrauch über alle Energieträger hinweg denken. Aus der Stromwende muss eine Energiewende in allen Bereichen werden, bei der alle Technologie- und Flexibilitätsoptionen im fairen Wettbewerb miteinander stehen“, erklärt Matthias Zelinger. „Wenn wir die technologische Führung behalten wollen, dann müssen wir modernste Windenergieanlagen, zukunftsfähige Gaskraftwerke oder Speicher wie Power-to-X in unserem Heimatmarkt realisieren. Dies schafft dann auch ein erhebliches Potenzial für den Export.“
So weit ist man in anderen Ländern noch lange nicht. Die aktuell angesagtesten Windenergiemärkte Vietnam und Argentinien, sowie Uruguay und Chile beschäftigen sich derzeit ausschließlich mit dem Ausbau der Kapazitäten. Auch die beiden asiatischen ‚Power Houses‘ China und Indien treiben aktuell vor allem die Installationen voran. Allenfalls der zu langsame Netzausbau steht dort bereits im Fokus, bevor man sich in Zukunft ebenfalls mit der Frage auseinander setzen muss, wie man die Energiewende auch in anderen Sektoren voranbringt.
Wenn es Europa bis dahin gelingt, Lösungen für diese Probleme gefunden zu haben, lässt sich vielleicht auch noch rechtzeitig das Problem des Klimawandels eindämmen, wie auch Sawyer deutlich machte: "Insgesamt haben wir viel Vertrauen in den zukünftigen Windenergie-Markt, da sich die Technologie weiter verbessert und die Preise weiter sinken. Außerdem wird die Forderung nach sauberer, erneuerbarer Energie zur Reduzierung der Emissionen, zu sauberer Luft und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze und neuer Industriezweige mit jedem weiteren Jahr nur noch stärker“.
- Autor:
- Katrin Radtke
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- Keywords:
- GWEC, VDMA, BEE, Studie, Energiewende, Sektorkopplung, Klimawandel
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