2024-11-22
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Meldung von Becker Büttner Held

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21. BBH-Energiekonferenz. Das Projekt Energiewende. So geht es weiter

Die Energiewende ist ja formal betrachtet absolut punktuell: Der Bundestag hat sie am 30. Juni 2011 offiziell beschlossen. Um 12:18 Uhr, um ganz genau zu sein. Und so war der Ausstieg aus der Kernenergie einfach mal da.

Für die Geschichtsschreibung war die Sache damit erledigt. Rein praktisch bedeutete das aber: Jetzt ging die Arbeit erst richtig los. Aus einem punktuellen Ereignis wurden komplexe Entwicklungen und zahlreiche Teilprojekte.

Heute ist die Energiewende noch immer ein ständiger Begleiter energiepolitischer Diskussionsrunden, wie der 21. BBH-Energiekonferenz, die am 23. September in der Französischen Friedrichstadtkirche in Berlin stattfand. Die BBH-Partner Dr. Ines Zenke und Christian Held führten wie gewohnt gekonnt und unterhaltsam durch den Tag. Über 300 Teilnehmer aus Wirtschaft, Politik, Verbänden und der Verwaltung kamen zusammen, um über die aktuellen Begleiterscheinungen der Energiewende zu diskutieren. Denn der Stein, den der Bundestag am 30. Juni um 12:18 Uhr ins Rollen gebracht hatte, setzte so viele unterschiedliche und dynamische Entwicklungen frei, dass man sich kaum vorstellen kann, dass das Projekt Energiewende in naher Zukunft abgeschlossen ist.

Auch wenn wir nun nicht erst seit gestern mitten drin in der Energiewende sind, so richtig warm mit ihr wird Herbert Reul nicht. Fast könnte man den Eindruck gewinnen: Die Geister, die ich rief… Als Mitglied des Europäischen Parlaments für die EVP-Fraktion hegt er eine gewisse Skepsis über den „deutschen Sonderweg“, sowohl was das Ereignis Energiewende betrifft als auch hinsichtlich der energiewirtschaftlichen Folgen. Vielleicht wäre es besser gewesen, sich vorher mit und in der EU abzustimmen, so Reul. Politisch betrachtet habe Fukushima in Deutschland jedenfalls die größten Auswirkungen gehabt. Statt sich dem Atomausstieg anzuschließen, würden viele Mitgliedstaaten weiter auf die Atomkraft setzen und sogar neue Kraftwerke planen. Nun habe sich herausgestellt, dass der deutsche Alleingang teuer, aufwendig, kompliziert und konstant korrekturbedürftig sei. Nach der Liberalisierung des Binnenmarkts drifte man wieder sehr stark in die entgegengesetzte Richtung: in die Regulierung. Reul setzt dagegen mehr auf eine europäische Lösung: Das Emissionshandelssystem gebe den Mitgliedstaaten genügend Spielraum, über das Wie der CO2-Vermeidung zu entscheiden. Dazu gehöre nun einmal auch die Atomkraft. Nationale (deutsche) Maßnahmen wie das EEG oder Regelungen zur Energieeffizienz aber würden das Emissionshandelssystem konterkarieren anstatt es zu unterstützen. Dabei hat Reul nichts gegen ein einheitliches europäisches Fördersystem der Erneuerbaren Energien. Es stelle sich nur die Frage: Wie realistisch wäre so etwas?

Rainer Baake, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, kann sich mittlerweile mit so vielen Beinamen wie kaum ein anderes Regierungsmitglied schmücken. Mister Energiewende. Architekt der Energiewende. Mister Atomausstieg. Und obwohl die Auffassungen von Herbert Reul und Staatssekretär Rainer Baake unterschiedlicher gar nicht sein könnten, eine Gemeinsamkeit findet sich doch: Beide vertrauen auf die Innovationskraft und Technologie der Wirtschaft, auch wenn ihnen da im Einzelnen ganz unterschiedliche Errungenschaften vorschweben. Für Baake sind das Windenergie und Photovoltaik. Die könnten mittlerweile Strom zu den gleichen Preisen anbieten wie ein neues Kohle- oder Gaskraftwerk. Die Phase der Technologieentwicklung ist für Baake deshalb auch abgeschlossen. „Bei der Geschwindigkeit des Netzausbaus ist aber noch Luft nach oben“, gibt Baake zu.

Nun gehe es vor allem darum, ein Stromsystem zu schaffen, das Erneuerbare Energien mit Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit vereine. Das sei die Aufgabe des EEG 3.0, das Anfang 2016 auf den Weg gebracht werde. Im Zentrum stehe hier die Förderung der Erneuerbaren per Ausschreibungsverfahren, deren unterschiedliche Designs für Onshore-Wind, Offshore-Wind und Photovoltaik sich gerade in der Konsultation befinden. Statt die Versorgungssicherheit mit Hilfe eines Kapazitätsmarktes zu gewährleisten, setzt die Bundesregierung auf Flexibilität und freie Preisbildung. Die verschiedenen Flexibilitätsoptionen, wie Speicher, Lastmanagement und schnell regelbare Kraftwerke, müssen in einen fairen Wettbewerb treten, so Baake. Also gerade keine weitere Regulierung. Der Staat wird in die Preisbildung des Strompreises nicht eingreifen, so sieht es der Referentenentwurf zum Strommarktgesetz in § 1a vor. Ob dieses Versprechen eingelöst wird – die Mehrheit der Konferenzteilnehmer ist sich da nicht so sicher. Allgemeine Zustimmung dagegen bekam der Staatssekretär für seinen Satz: „Die Energiewende in Deutschland kann nur in einem europäischen Binnenmarkt funktionieren.“ Und auch mit dieser Aussage ist Rainer Baake doch gar nicht so weit von Herbert Reul entfernt, auch wenn beide Deutschland sicherlich an unterschiedlichen Ausgangspositionen verorten würden.

„Hier spielt die Musik – keine Energiewende ohne die Verteilnetze“, davon ist Dr. Werner Brinker, Vorsitzender des Vorstands der EWE AG, überzeugt. Das Problem liege nicht in dem Ausbau der Erneuerbaren Energien; denn deren installierte Leistung nimmt schließlich stetig zu. „In der Spitze übersteigt die EE-Leistung in unserem Netz sogar den maximalen Bedarf“, so Brinker. Vielmehr gehe es darum, die Erzeugung je nach Netzbelastung intelligent zu steuern. Diese Herausforderung lasse sich nur durch die Verknüpfung mit einer Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) meistern. Und spricht man von IKT, dann ist man eigentlich auch schon fast beim derzeitigen Trendthema: der Digitalisierung der Energiewende. Das bedeutet für die klassischen Energieversorger, dass sie sich nicht nur zusätzliche Kompetenzen aneignen, sondern auch ein völlig neues Geschäftsmodell aufbauen müssen. Also Digitalisierung als Chance? Ja, sagt Dr. Frank Schmidt, Leiter Konzerngeschäftsfeld Energie der T-Systems International AG und berichtete über seine Erfahrungen aus dem Telekommunikations- und seine Visionen für den Energiemarkt. Das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende hält er für einen ambitionierten, aber guten Vorschlag; denn eine analoge Energiewende: für ihn unmöglich.

Bei BBH hat das Tradition. Keine Konferenz kommt ohne Podiumsdiskussion aus. Auch bei der 21. Energiekonferenz kamen daher die Energieexperten aus den Fraktionen zusammen: Die Bundestagsabgeordneten Dr. Joachim Pfeiffer und Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU), Johann Saathoff (SPD) und Dr. Julia Verlinden (Bündnis 90/Die Grünen). Ralph Lenkert (Die Linke.) musste seine Teilnahme leider krankheitsbedingt absagen.

Dr. Julia Verlinden, Sprecherin für Energiepolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, rief noch einmal in Erinnerung: „Eine echte Energiewende ist viel mehr als EEG und Strommarkt-Design. Nur wenn wir Energiesparen, Energieeffizienz und Erneuerbare Energien auf ganzer Linie voranbringen, kommen wir schnell und dauerhaft weg von fossilen Brennstoffen und Atomkraft. Dafür müssen wir nicht nur den Stromsektor umbauen, sondern eben auch die Bereiche Wärmeerzeugung und Verkehr. Doch gerade auf diesen Feldern versagt die Bundesregierung eklatant, wie die aktuelle Berechnung des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft zeigt. Auch bei den Netzentgelten fehlt jeder Mut zu einer vernünftigen Lösung.“

Auch Johann Saathoff betonte, dass Strom- und Wärmemarkt besser miteinander verbunden werden müssen. Hierzu leistet die Kraft-Wärme-Kopplung einen Beitrag. „Ich bin froh, dass wir die Förderung von 750 Millionen Euro auf 1,5 Milliarden Euro erhöht haben. Ich baue jetzt aber darauf, dass diejenigen, die sich für eine höhere Förderung ausgesprochen haben, nun auch in der Lage sind, dieses „Mehr“ an Förderung tatsächlich umzusetzen“, so Saathoff. Mit dem Problem der Überkapazitäten an Strom werde man noch längere Zeit zu kämpfen haben, vermutet Johann Saathoff. Deshalb müsse man sich auch die Speichermöglichkeiten für Strom in Zukunft näher ansehen, darin waren sich die Parlamentarier einig. Im Moment werden Speicher als Letztverbraucher angesehen – und damit sowohl mit der EEG-Umlage als auch mit den Netzentgelten belastet. Investitionen lohnen sich da kaum.

Natürlich wurde in der Diskussion auch das Top-Thema Strommarktdesign wieder aufgegriffen. „Das zukünftige Strommarktdesign muss ein technologieneutrales Level-Playing-Field zulassen, in dem die unterschiedlichen Flexibilitätsoptionen – Kraftwerke, Speicher und Demand-Side-Management – in einem fairen Wettbewerb zueinander stehen. Hierbei bedarf es insbesondere auch der weiteren Markt- und Systemintegration der erneuerbaren Energien“, erklärte Dr. Joachim Pfeiffer, wirtschafts- und energiepolitischer Sprecher der CDU/CSU. Und Dr. Andreas Lenz ergänzte: „Mit der Kraftwerksreserve haben wir den Unterboden geschaffen. Gleichzeitig wird aber auch darauf vertraut, dass der Markt die richtigen Signale senden kann, die letztlich die Anreize geben, um die Versorgung sicher zu stellen.“ Johann Saathoff betonte aber, dass es sich beim Strommarktgesetz zunächst nur um einen Vorschlag handelt. „Wir werden da sicher auch noch einmal mit den Ländern sprechen müssen.“

Rechtsanwalt und BBH-Partner Christian Held gab in seinem Schlussvortrag zu bedenken, dass der Beweis, ob eine marktwirtschaftliche Struktur im Energiesektor möglich ist, noch aussteht. Immerhin hat sich die „alte Welt“ mit ihren Großkonzernen, Verbundnetzen und monopolistischen Strukturen ein Jahrhundert lang bewährt. Und eine weitere Frage ist noch offen; nämlich ob die Marktakteure auf die Zusagen der Politik, sich aus der Preisbildung zurückzuziehen, vertrauen. Denn nur dann werden sie auch investieren. Das werden wir auf der 22. BBH-Energiekonferenz erfahren.

Quelle:
BBH
Link:
www.bbh-online.de/...
Windenergie Wiki:
Versorgungssicherheit, Offshore, Energiewende



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