„Die zukünftige Regierungskoalition hat die Dringlichkeit beim Thema Klimaschutz erkannt und in ihrem Koalitionsvertrag den Weg für die notwendige Transformation geebnet. Diese Entwicklung stimmt mich optimistisch, dass wir endlich mehr Tempo bei der Energiewende gewinnen und damit dem Ziel der Klimaneutralität in großen Schritten näherkommen. Der Koalitionsvertrag enthält viel Substanz, so kann beispielsweise schon das geplante Klimaschutz-Sofortprogramm wichtige Knoten lösen. Wichtig ist, dass die neue Bundesregierung schnell ins Handeln kommt und die selbst gesteckten zeitlichen Ziele einhält. Die Schnelligkeit bei der Umsetzung und die konkrete Ausgestaltung der einzelnen Maßnahmen werden darüber entscheiden, wie erfolgreich sie am Ende sein werden.
Positiv ist, dass die Koalitionäre Ihren Überlegungen einen höheren Bruttostrombedarf in Höhe von 680-750 TWh im Jahr 2030 zugrunde legen. Die Anhebung der Ausbauziele für Erneuerbare auf 80 Prozent ist allerdings gerade vor dem Hintergrund des wachsenden Stromverbrauchs sehr ambitioniert. Die Dimension wird in der Betrachtung der Ausbauziele einzelner Energieerzeugungsanlagen deutlich: Aus dem Koalitionsvertrag ergibt sich ein Bedarf von 100 bis 130 GW Windenergie an Land bis 2030, das entspricht etwa einem Zubau von 25 bis 38 Windrädern pro Woche. Zum Vergleich: Im Jahr 2020 hatten wir einen Zubau von acht Windrädern pro Woche. Extrem ambitioniert erscheint auch das Offshore-Ausbauziel von 30 GW. Angesichts langer Planungszeiträume sind Prozesse dringend zu beschleunigen und Fläche zur Verfügung zu stellen.
Die im Koalitionsvertrag angedachten Vereinfachungen von Planungs- und Genehmigungsverfahren haben das Potenzial, wie ein Turbo zu wirken und den Ausbau Erneuerbarer Energien wieder deutlich zu beschleunigen. Wichtige Hebel sind die geplanten bundeseinheitlichen Regelungen beim Artenschutz, einfachere Repowering-Verfahren sowie die technische, personelle und organisatorische Stärkung der Behörden. Auch die Flächenbereitstellung von zwei Prozent der Bundesflächen für Windkraftanlagen und die PV-Pflicht für Gewerbe können zusätzlich Wind unter die Segel des Erneuerbaren-Ausbaus bringen. Das angekündigte Auslaufen der Erneuerbare Energien-Förderung muss im Zuge der angedachten Strommarkt-Reform daran geknüpft werden, ausreichende Erlösmöglichkeiten zu schaffen, damit auch nach 2030 ausreichend zugebaut wird.
Zum Umbau des Energiesystems gehört auch, dass der Netzaus- und Umbau mit dem Ausbau neuer Erzeugungskapazitäten im Einklang steht. Daher ist es positiv, dass die Relevanz der Netze und attraktive Investitionsbedingungen anerkannt wurden und nun der Ausbau der Netze und der Erneuerbaren im öffentlichen Interesse liegen.
Sehr begrüßenswert ist die nun geplante Abschaffung der EEG-Umlage bis 2023. Sie entlastet Stromkundinnen und Stromkunden sowie den Mittelstand. Zugleich werden umweltfreundliche strombasierte Anwendungen wie Elektromobilität oder Wärmepumpen attraktiver, der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft unterstützt und Bürokratie spürbar abgebaut.
Der vorgezogener Kohleausstieg kann nur gelingen, wenn wir die Kohleverstromung überflüssig machen. Dafür sind drei Punkte erforderlich: Die erneuerbaren Energien müssen massiv ausgebaut werden, neue effiziente Gaskraftwerke und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen auf Basis von Gas müssen für die erforderliche gesicherte Leistung errichtet werden und die entsprechende Netzinfrastruktur vorhanden sein. Nur so bleiben Versorgungssicherheit bei Strom und bei Wärme gewährleistet. Allen muss klar sein: Versorgungssicherheit ist der Garant für Akzeptanz.
Auch bei der Wärmeversorgung brauchen wir einen Booster. Die geplanten 50 Prozent Erneuerbaren-Anteil bei der Wärmeversorgung sind sehr ambitioniert, wenn man den Status Quo von 14 Prozent betrachtet. Hier wird es sehr konkrete Unterstützung benötigen für Bürgerinnen und Bürger aber auch für die Unternehmen. Wir dürfen beim Umbau der Wärmeversorgung nicht aus den Augen verlieren, dass wir aus dem Handwerk und dem Gewerbe Unterstützung und Fachkräfte brauchen, die heute so noch nicht verfügbar sind. Die Gewinnung von Nachwuchs in den technischen Berufen muss mitgedacht werden.
Damit auch die Verkehrswende an Fahrt gewinnt, sind die angepeilten 15 Millionen Elektro-Pkw bis 2030 ein wichtiger Schritt. Mit Blick auf den Ausbaubedarf der Ladeinfrastruktur schießt die Koalition allerdings über das Ziel hinaus: Eine Million Ladepunkte werden nicht benötigt, das haben Berechnungen der NPM gezeigt. Vielmehr brauchen wir dynamische Ausbauziele und stabile Rahmenbedingungen für den bedarfsgerechten und wirtschaftlichen Ausbau der Ladeinfrastruktur und ambitionierte Flottengrenzwerte für einen schnellen Fahrzeughochlauf.
Der neue Ressortzuschnitt spiegelt die sinnvolle Weiterentwicklung beim Klimaschutz: Klimaschutzpolitik ist Wirtschaftspolitik. Beides muss zusammen gedacht werden.
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