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Nicht vor meiner Haustür!
Ohne Strom ist das Leben zumindest in den westlichen Zivilisationen heute undenkbar. Selbst kürzere Stromausfälle stellen alles auf den Kopf. Die Akzeptanz der Bürger*innen, in der Nähe der Kraftwerke zu leben, die für die Stromproduktion verantwortlich sind, ist jedoch gering. Das geht aus einer neuen Studie des Forschers Thomas Lawrence von der University of Georgia hervor.
Lawrence und ein internationales Team führten Umfragen in den USA, Deutschland und Irland durch, um die Einstellung der Menschen zur Energiegewinnung in unmittelbarer Nähe ihres Wohnortes zu ermitteln. Die Befragten in jedem Land wurden daher gebeten, fünf Energiequellen zu bewerten: Windkraftanlagen, Solartechnik und die traditionelle Stromerzeugung mit Biomasse, Kohle oder Erdgas als Stromquelle.
„Die Menschen in Deutschland und Irland waren offener dafür, erneuerbare Energietechnologien näher an ihrem Wohnort zu haben, vielleicht weil sie weniger Platz haben als in den USA“, so Lawrence, Professor für Praxis im College of Engineering. „In den USA war ich freudig überrascht, dass die allgemeine Unterstützung für eine Umstellung der Energiequellen – vor allem auf Solar- und Windenergie – stärker war, als ich vermutet hätte.“
Dass niemand gern in der Nähe eines Kraftwerks lebt, ist allerdings kein Phänomen, dass sich allein auf die Erneuerbaren bezieht. In allen drei Ländern sprachen sich die Befragten mit überwältigender Mehrheit auch gegen Kohle- oder Erdgaskraftwerke in der Nähe ihres Wohnorts aus.
Bei Erneuerbaren ist die Akzeptanz sogar etwas höher – und das auch dichter am eigenen Wohnort. Besonders hoch war die Akzeptanz in Deutschland: 74 Prozent gaben ihre Zustimmung zu Solaranlagen und 33 Prozent zu Windkraftanlagen in einer Entfernung zwischen 0-1 Kilometer.
Ein überraschendes Ergebnis, denn die Realität sieht auch in Deutschland so aus, dass mittlerweile kaum ein Erneuerbare-Energien-Kraftwerk ohne Proteste von Anwohner*innen gebaut werden kann. Eine Lösung dafür ist, so die allgemeine Annahme, Gemeinden und Anwohner*innen im Umfeld neuer Kraftwerke an den Anlagen mitverdienen zu lassen. „Mehr Beteiligung führt zu mehr Akzeptanz“, so Robert Brandt, Geschäftsführer der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE).
Ist das aber wirklich so? Um zu ergründen, wie die Akzeptanz vor Ort gesteigert werden kann, ist in Deutschland deshalb eine neues Forschungsprojekt an den Start gegangen. An ReWA (Regionale Wertschöpfung, Akzeptanz, Beteiligung) sind das Institut für Zukunftsenergie- und Stoffstromsysteme (IZES) und das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) mit dem AEE beteiligt.
„Wir hoffen, dass dieses häufig bemühte Narrativ, mehr Beteiligung fördert mehr Akzeptanz, der Untersuchung standhält“, sagt Brandt gegenüber dem Blog ErneuerbareEnergien.NRW. „Spezifische Wirkungsmechanismen von finanzieller Beteiligung auf die Akzeptanz und deren Abhängigkeit von lokalen Rahmenbedingungen sind nämlich noch unzureichend differenziert belegt.“
Bislang ist wenig darüber bekannt, wie sich die mit der Energiewende verbundenen Prozesse auf die Gesellschaft genau auswirken und wie sie von den Menschen wahrgenommen werden. Auch wenn in Forschung und Praxis verschiedene Konzepte für mehr Teilhabe erprobt werden, ist immer noch unklar, welche Ansätze wo und warum funktionieren oder eben nicht.
Auf dem Papier ist die Akzeptanz für Kraftwerke aus dem Bereich der Erneuerbaren-Energiegewinnung groß (Pixabay)
Auch die Studie der University of Georgia, die im Energy Journal veröffentlicht wurde, versucht tiefer zu gehen und hat Präferenzen der Menschen in Bezug auf verschiedene energiepolitische Ziele untersucht: wirtschaftliche Tragfähigkeit, ökologische Nachhaltigkeit, Zuverlässigkeit der Energieversorgung und soziale Akzeptanz.
So spielt die soziale Akzeptanz in Irland eine sehr viel größere Rolle als in Deutschland oder den USA. Die Befragten in Irland stufen soziale Akzeptanz sogar wichtiger ein als ökologische Nachhaltigkeit oder Versorgungssicherheit. Sie messen diesen drei Variablen auch mehr Bedeutung zu als der wirtschaftlichen Tragfähigkeit.
Die deutschen Befragten dagegen sehen die nationalen Politikziele als wichtiger an als die soziale Akzeptanz, obwohl sie ebenfalls der ökologischen Nachhaltigkeit und der Versorgungssicherheit eine größere Bedeutung beimessen als der wirtschaftlichen Tragfähigkeit.
„Die Forschung in diesem Bereich ist wichtig, um sozioökonomische Herausforderungen zu verstehen, Konflikte aufzudecken und zu lösen“, bestätigt auch das deutsche Bundeswirtschaftsministerium. Denn klar ist, dass für eine erfolgreiche Energiewende letztlich alle an einem Strang ziehen müssen.
- Autor:
- Katrin Radtke
- Email:
- presse@windmesse.de
- Keywords:
- Windenergie, Akzeptanz, Haustür, Forschung, Studie, Kraftwerk, fossil, erneuerbare Energie, Windkraft, Projet, Umfrage, Deutschland, Irland, USA
- Windenergie Wiki:
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