2024-11-18
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Übertragungsnetzausbau: Zwischen Innovation und Resignation

Gleich mehrere Initiativen machten in den letzten Tagen auf sich aufmerksam und prophezeiten der Offshore-Windindustrie eine glänzende Zukunft. Im Fokus steht dabei das Unternehmen TenneT. TenneT wartet einerseits mit der Vision einer künstlichen Insel in der Nordsee auf, um Offshore-Netze international zu synchronisieren. Doch andererseits steht das Unternehmen in Deutschland vor massiven Verzögerungen bei der Anbindung der Offshore-Netze.

Offshore boomt

Letzte Woche vermeldeten die Energieminister von neun nordeuropäischen Ländern, dass man beim Ausbau der Offshore-Windenergie enger zusammenarbeiten möchte. Deutschland, Belgien, Irland, Frankreich, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Schweden und Dänemark wollen gemeinsam dafür sorgen, dass die Kosten für Offshore-Wind weiter sinken und der Ausbau der Branche kontinuierlich voran kommt. Außerdem will man der Frage nachgehen, ob die nationalen Vorschriften für Netzmanagement, Subventionen und Genehmigungen besser harmonisiert werden können.

Unterstützung bekamen die Länder im Anschluss daran von 11 Unternehmen aus der Branche, die erklärten, dass es möglich ist, Offshore-Windenergie bis zum Jahr 2025 auf einen Preis von 80 Euro pro MWh zu senken und dadurch konkurrenzfähig zu Strom aus Kohle und Gas zu machen. Voraussetzung dafür sind eine stabile, langfristig ausgerichtete Politik und eine engere internationale Kooperation. Zu den Unterzeichnern gehören Größen wie Siemens, Vattenfall, E.on, Adwen, EDPR, Eneco, GE, Iberdrola, MHI Vestas, RWE und Statoil.

Am Dienstag zog eine weitere, rein niederländische Kampagne nach, die ebenfalls angekündigte, in den nächsten Jahren dafür sorgen zu können, dass die Kosten für Offshore-Strom sinken.

Tennets Vision: Eine Insel für die Nordsee

Da passte es ins Bild, dass der niederländisch-deutsche Übertragungsnetzbetreiber TenneT mit einer großen Vision um die Ecke kam: Das Unternehmen hat am Freitag Pläne vorgestellt, eine Insel in der Nordsee zu errichten, um unter anderem die europäischen Offshore-Netze stärker zu synchronisieren und dadurch die Kosten für Windparks auf dem Meer zu verringern.

Das Projekt klingt ambitioniert: Man baut eine künstliche Insel in der Nordsee, in deren direkter Umgebung mehrere Windparks errichtet werden können. Der dort produzierte Strom läuft auf der Koverterstation der Insel zusammen und wird dann weiter in die angeschlossenen Länder transportiert, die ihn gerade benötigen. Zusätzlich können auf der Insel die Service-Mitarbeiter unterkommen, sodass man sich die teure Anreise per Schiff oder Helikopter spart, um die Anlagen zu warten.

Als möglichen Standort hat man die Dogger Bank ca. 100 Kilometer vor der englischen Küste auserkoren. Die Wassertiefe der Nordsee beträgt dort nur etwa 10 bis 20 Meter, dafür weht der Wind aber besonders stark. Ideale Voraussetzungen also für Windparks, aus denen aufgrund der Nähe zur Insel Nearshore-Parks werden würden, was Kosteneinsparungen in Millionenhöhe bedeutet. Auch der Bau der Konverterstationen direkt auf der Insel anstatt im Wasser bringt weitere Einsparungen mit sich. Und durch eine Vernetzung der verschiedenen Nordsee-Anrainerstaaten soll es außerdem günstiger werden, den Strom direkt dorthin zu transportieren, wo er wirklich gebraucht wird. Stromproduktion für den Müll wird es dadurch nicht mehr geben.

Das Projekt kann natürlich nur funktionieren, wenn alle Anrainerstaaten mitspielen. TenneT sieht allerdings in dem Memorandum der Energieminister einen ersten Schritt in die richtige Richtung. Mel Kroon, CEO bei TenneT, unterstrich die Bedeutung der Zusammenarbeit: „Es ist sehr wichtig, dass die sechs europäischen Nordseeanrainerstaaten zu gegebener Zeit bereit sind, ihre Energieproduktion unabhängig von nationalen Grenzen zu definieren, um es möglich zu machen, dass der erzeugte Offshore-Strom nicht notwendigerweise in ihr eigenes Land übertragen wird.“

Kampf um jeden Kilometer

Wie schwierig es aber ist, verschiedene Behörden und Zuständigkeiten selbst innerhalb eines Landes unter einen Hut zu bringen, bekommt der Netzbetreiber derzeit vor allem in Deutschland zu spüren. Hier ist das Unternehmen neben der Netzanbindung der Offshore-Parks auch für einen großen Teil des Ausbaus der Netze an Land verantwortlich. Dieser Ausbau ist allerdings gehörig ins Stocken geraten.

Vor allem aus Süddeutschland – angeführt von Horst Seehofer samt Partei und Freistaat – kommen immer wieder Querfeuer gegen die geplanten Stromtrassen, die den Windstrom von Norden nach Süden transportieren sollen, sodass sämtliche Zeitpläne bereits jetzt nicht mehr realisierbar sind. Auch aufgrund der massiven Bürgerproteste müssen nun vielerorts Erdleitungen statt Strommasten verlegt werden. Das ist nicht nur kostspieliger sondern auch zeitintensiver, weswegen die Bundesnetzagentur mittlerweile davon ausgeht, dass die komplette SuedLink-Trasse frühestens 2025 fertig gestellt werden kann.

Das wiederum hat weitere kostspielige Auswirkungen. So entstehen in der deutschen Nordsee zur Zeit mehrere Offshore-Windparks (u.a. Hohe See, Albatros), deren Strom über die BorWin3-Verbindung Richtung Land transportiert werden soll. Im neuen Umspannwerk Emden/Ost, dessen Baubeginn kürzlich gefeiert wurde, wird der Gleichstrom wieder in Drehstrom gewandelt und dann ins Übertragungsnetz eingespeist. Laut einem Medienbericht von n-tv werden sowohl das Umspannwerk als auch ein erster Park bereits 2019 fertig gestellt – die nötige Stromleitung, die den Strom dann entsprechend weiter transportiert, wird aber nicht vor 2021 fertig. Das bedeutet, dass jährlich Strom im Wert von bis zu 900 Millionen Euro produziert, aber gar nicht eingespeist werden kann. Kosten, die die Verbraucher tragen.

TenneT als Übertragungsnetzbetreiber weist gegenüber bizz.energy darauf hin, dass schon das neue Zieldatum von 2025 „ehrgeizig“ sei, betont aber auch, dass es immer wieder Probleme bei den nötigen Genehmigungen gibt. Insofern geht TenneTs Vision von einem europäischen Stromnetz zwar in die richtige Richtung, ob sich allerdings jemals die zuständigen Behörden aller beteiligten Länder auf ein solches gemeinsames Vorgehen einigen können, muss zu unser aller Nachteil bezweifelt werden.

Autor:
Katrin Radtke
Email:
kr@windmesse.de
Windenergie Wiki:
Windpark, Offshore, MW, Konverterstation, Bundesnetzagentur



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