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Ausschreibungen für Windenergie? – Scharfer Gegenwind aus Hamburg
Viele der zahlreich erschienenen Besucher fühlten sich zunächst in die Tage ihres Studiums zurück versetzt, als man sich im Auditorium der Bucerius Law School versammelte. Nach den einleitenden Worten der Gastgeber gehörte die Bühne zunächst Simon Walendzik, der als Mitarbeiter der Bundesnetzagentur zugleich der einzige Vertreter einer offiziellen Stelle der Bundesregierung war. Er stellte in einem Impulsvortrag die bisher gemachten Erfahrungen mit den Ausschreibungen in der Photovoltaik vor, stand aber auch im Verlauf des Abends immer wieder im Mittelpunkt, als er sich bei der Diskussion immer wieder teils hitzigen Attacken aus dem Plenum ausgesetzt sah.
„Die Politik möchte nicht mehr verantwortlich sein für zu hohe Fördersätze“, ließ Walendzik als Begründung verlauten, warum das bisher durchgeführte Vergütungsmodell ab 2017 ersetzt werden soll. Allerdings machte auch er recht schnell deutlich, dass noch keiner so wirklich weiß, was von dem Ausschreibungsmodell zu halten ist. So berichtete er unter anderem von einem Wechsel des Systems von der ersten zur zweiten Ausschreibungsrunde, wo vom „Pay as bid“-Modell zum „Uniform Pricing“-Modell gewechselt wurde.
Dass die Ausschreibungen auch für die Behörden problematisch sind, wurde deutlich, als er sich zu dem Thema äußerte, dass die Akteursvielfalt durch Ausschreibungen leichtfertig aufs Spiel gesetzt wird. Es stecke ein großer Verwaltungsaufwand dahinter, überhaupt festzustellen, ob es sich bei den Teilnehmern der Ausschreibung um kleine oder große Bieter handeln würde. Zwar bemühe sich die Bundesnetzagentur um eine Auswertung der bisher gemachten Erfahrungen, um den Prozess in Zukunft einfacher und transparenter zu gestalten, aber „die vorliegenden Fakten lassen noch einen großen Interpretationsspielraum“. Letztlich wird man den Erfolg oder Misserfolg wohl erst in ein bis zwei Jahren beurteilen können, wenn die ausgeschriebenen Projekte dann auch tatsächlich realisiert wurden.
Für die Windenergiebranche ist das allerdings eindeutig zu spät, denn bereits ab 2017 soll auch hier das Ausschreibungsmodell eingeführt werden. Die Bundesregierung hatte in den vergangenen Monaten die Branche dazu aufgerufen, Stellungnahmen zu den Vorschlägen abzugeben, die nun veröffentlicht wurden. Größte Angst der Industrie: Die angesprochene Akteursvielfalt könnte schrumpfen. So wies Henrik Böschen von Senvion in der anschließenden Podiumsdiskussion nochmals darauf hin, dass Deutschland weltweit ein Sonderfall sei, denn nirgendwo anders besteht diese Vielfalt an Betreibern in der Windenergie. Insofern sind Erfahrungen aus anderen Ländern, die das Ausschreibungsmodell nutzen, nicht auf Deutschland übertragbar.
Ähnlich äußerte sich auch Sebastian Gessert von Notus energy, der als Vertreter eines mittelständischen Unternehmens auf der Bühne saß. Auf die Frage, ob es denn zukünftig für die Planer durch die Ausschreibungen teurer werden könnte, antwortete er daher auch deutlich: „Wenn man verliert, ja!“
Dabei ist die eigentliche Idee hinter den Ausschreibungen das genaue Gegenteil, zumindest wenn es nach dem Willen der Bundesregierung geht: Kosten sollen gesenkt, der Wettbewerb erhöht werden. Ingrid Spletter-Weiß von der Commerzbank wies allerdings daraufhin, dass Erfahrungen aus anderen Ländern mit Ausschreibungen bereits gezeigt haben, dass dieser Mechanismus in der Windbranche nicht funktioniert. Daher antwortete sie auch erfrischend offen auf die Frage, ob Kostensenkungen zu erwarten sind: „Nö!“ Zumindest in dieser Frage waren sich alle Teilnehmer der Runde, die von Jürgen Döscher (WDR) moderiert wurde, einig.
Heiko Wuttke, auf dem Podium für Vattenfall Windkraft, erklärte im Verlauf des Abends, dass sich sein Unternehmen durch die Ausschreibungen erhofft, künftig auch in Deutschland mehr in dem Bereich der Onshore-Windenergie tätig zu werden. Die Windenergiebilanz der Schweden in anderen Ländern sei bereits gut, allerdings hat man in Deutschland bisher nur wenige Projekte realisiert. An seiner Person ließ sich allerdings auch das Dilemma verdeutlichen: Nur weil Vattenfall bisher in Deutschland kaum Windprojekte realisiert hat, können sie deshalb innerhalb einer Ausschreibungsrunde aber nicht als kleiner Player gelten.
Als die Runde für Fragen und Anmerkungen aus dem Publikum geöffnet wurde, meldeten sich vor allem Vertreter der 'kleinen Akteure', die sich zum einen auf der Bühne, zum anderen aber auch in den Verhandlungen mit der Regierung nicht ausreichend vertreten sahen. Sie alle forderten Schutzmechanismen für kleine Projekte, da ansonsten die Akzeptanz der Energiewende – in Deutschland durch eine bisher hohe Anzahl von Bürgerwindparks gekennzeichnet – vor dem Aus steht.
Zum Abschluss des Abends folgte schließlich die Gretchenfrage aus dem Plenum: „Warum steigt man überhaupt auf das Ausschreibungsmodell um?“ Eine Antwort darauf konnte allerdings keiner auf dem Podium liefern. Als Fazit bleibt festzuhalten, dass der Regierung aus der Branche ein scharfer Gegenwind ins Gesicht bläst. Zwar haben sich weitestgehend alle damit abgefunden, dass das Ausschreibungsmodell kommen wird, warum und zu welchem Zweck es eingeführt wird, bleibt aber auch weiterhin im Dunkeln.
Foto: BWE HH
- Autor:
- Katrin Radtke
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