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„Alles neu macht der Mai? Der Energiemarkt im Frühling“ – ein Resümee der 19. BBH-Energiekonferenz
Bis zur geplanten Verabschiedung noch vor der parlamentarischen Sommerpause 2014 gilt es, die unterschiedlichen Interessen unter einen Hut zu bekommen: Energieintensive Unternehmen sorgen sich um höhere Belastungen mit der EEG-Umlage, die Erneuerbare-Energien-Branche fürchtet ein „Ausbremsen“ der Energiewende und Betreiber konventioneller Kraftwerke haben Sorge, ob sich ihre Anlagen auch noch künftig wirtschaftlich betreiben lassen. Und dabei handelt es sich bei der Novellierung des EEG nur um die Umsetzung des ersten Vorhabens des von CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag festgehaltenen Novellierungsbedarfs im Energiesektor.
Für genügend Diskussionsstoff war auf der 19. BBH-Energiekonferenz am 22.5.2014 in Berlin also gesorgt. Bei hochsommerlichen Temperaturen führten die BBH-Partner Christian Held und Dr. Ines Zenke in der Französischen Friedrichstadtkirche am Gendarmenmarkt die über 250 Teilnehmer aus Energiebranche und Politik durch den Tag.
Rainer Baake, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und maßgeblicher „Kopf“ der jüngsten EEG-Novelle, stellte als Hauptredner zunächst fest, dass Deutschland bei der Förderung der Erneuerbaren Energien in den letzten Jahren eine Lernkurve durchlaufen habe und diese auch finanzieren musste. Die Folge sei zwar ein Anstieg des Strompreises insgesamt, aber auch, dass Onshore-Windkraftanlagen heute für unter 9 Cent/kWh Strom produzieren und der Bau eines Windkraftwerks an Land nicht mehr teurer sei als der Bau eines neuen Kohlekraftwerks. Nach der Phase der Energietechnologieentwicklung gehe es nun darum, die Systemkosten des Energiesystems in den Griff zu bekommen. Und genau dies sei das Ziel der aktuellen EEG-Reform.
Ein zentraler Punkt ist nach Baakes Überzeugung die Einführung verlässlicher Ausbaukorridore, die eine hohe Planbarkeit für Erneuerbare-Energien-Anlagen und den Ausbau der Netze mit sich bringen. Dabei müsse gezielt der Ausbau der günstigsten Erzeugungsarten - Photovoltaik und Onshore-Windkraftanlagen - vorangetrieben werden. Denn in den letzten Jahren starker Förderung hätten sich die Kosteneffizienz der unterschiedlichen Technologien stark auseinanderentwickelt. So müsse die Offshore-Windindustrie erst noch zeigen, dass auch sie Kostensenkungspotenziale realisieren kann und den produzierten Strom entsprechend konkurrenzfähig machen. Aber auch Strom aus Biomasseanlagen sei derzeit schlicht noch zu teuer. Generell soll eine stärkere Heranführung an den Markt das System der festen Einspeisevergütung zukünftig ablösen, zunächst in Form der Direktvermarktung, ab 2017 durch ein Ausschreibungsmodell. Schließlich gehe es auch darum, die Kosten für die Energie so zu verteilen, dass einerseits die Wettbewerbsfähigkeit erhalten bleibt und andererseits die Vereinbarkeit mit europarechtlichen Vorgaben sichergestellt ist. Die Neuregelung der Entlastungen für energieintensive Unternehmen habe eine verstärkte Beteiligung dieser Unternehmen an den Kosten der Energiewende zur Folge. Das Argument, die Industrie leide an der Energiewende, lässt Baake allerdings nicht mehr gelten. Der Anteil an den jährlichen Kosten, den die Industrie beisteuern muss, liege bei gerade einmal bei 1,3 Prozent. Dies halte er nicht für unangemessen hoch.
Ein weiteres zentrales Vorhaben der nächsten Jahre ist laut Baake die künftige Ausrichtung des Marktdesigns zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit. So gingen vom heutigen Grenzkostenmarkt mit seinem Merit-Order-Effekt nur unzureichende Anreize für den Bau bzw. den Weiterbetrieb von Anlagen aus, die für die Stabilität des Energiesystems essentiell seien. Die Etablierung eines Kapazitätsmarktes - in Abstimmung mit den Nachbarstaaten - hält er daher für unumgänglich, wobei die Finanzierung, etwa durch eine Kapazitätsmarktumlage, noch diskutiert werden müsse.
Klimaschutz braucht die Energiewende, davon ist Berthold Goeke, Unterabteilungsleiter Klimaschutzpolitik im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit überzeugt. Das Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent unter das Niveau von 1990 zu bringen, werde mit dem derzeitigen Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent nicht erreicht. Mit dem Aktionsprogramm „Klimaschutz 2020“ wolle das Umweltministerium deshalb bis zum Herbst 2014 konkrete Maßnahmen erarbeiten, um die zur Erreichung dieses Ziels verbleibende 7-Prozent-Lücke zu schließen. Der naturverträgliche Ausbau der Erneuerbaren Energien spiele dabei eine wichtige Rolle, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Deshalb müsse die Wirkung des novellierten EEG kontinuierlich überprüft und die Ausbaukorridore gegebenenfalls nachjustiert werden. Einer Reform bedarf nach Goeke auch das Emissionshandelssystem. Die zugrundeliegende Systematik funktioniere zwar, allerdings müsse die Menge der Zertifikate flexibel gesteuert werden können, um das gegenwärtige Preisniveau anzuheben. Die Einführung einer Marktstabilitätsreserve wäre eine Möglichkeit, diese Flexibilität zu erreichen, so Goeke.
Aus Sicht eines großen kommunalen Energieversorgers begrüßt Michael Heidkamp die mit der Novellierung des EEG verfolgten politischen Ziele. Allerdings fordert der Geschäftsführer der Westfalen Weser Energie GmbH & Co. KG auch klare Rahmenbedingungen für die nächsten Jahre. Durch das Nebeneinander von verschiedenen Vergütungssätzen, Ausbaukorridoren, Marktprämien und die Einführung von Ausschreibungen sei es für Erzeuger sehr intransparent nachzuvollziehen, wie der in einer konkreten Erneuerbaren-Energien-Anlage erzeugte Strom vergütet wird. Daneben appelliert er an die Bundesregierung, auch andere wichtige Vorhaben im Koalitionsvertrag, wie die investitionsfreundlichere Ausgestaltung der Rahmenbedingungen für Verteilnetze, zeitnah anzupacken.
In der anschließenden Podiumsdiskussion referierten und diskutierten die energiepolitischen Vertreter der vier Bundestagsfraktionen, was von der Großen Koalition zum Thema Energie in den nächsten Jahren zu erwarten ist. Dr. Herlind Gundelach (CDU/CSU) wies darauf hin, dass der Gesetzgebungsprozess um das EEG noch nicht abgeschlossen sei, vor allem was die Regelungen zu Eigenerzeugung und Biomasse betrifft. Sie betonte, dass die Gesetzgebungskompetenz nicht beim Kabinett, sondern beim Bundestag liege und es daher noch zu entsprechenden Änderungen des Kabinettsentwurfs kommen werde. Dr. Julia Verlinden (Bündnis 90/Die Grünen) warnte davor, dass durch das Ausbremsen der Energiewende Arbeitsplätze in der Erneuerbaren-Energien-Branche gefährdet werden würden. Dass der Anteil der Erneuerbaren Energien am Stromverbrauch mittelweile über 25 Prozent ausmacht, gehe in erster Linie auf das Engagement von Bürgern und Gewerbe und nicht auf die Investitionen von Konzernen zurück. Dem pflichtete auch Eva Bulling-Schröter (Die Linke.) bei. Die geplante Einführung von Direktvermarktung und Ausschreibungen würden Bürgergenossenschaften jedoch benachteiligen und größere Unternehmen privilegieren. Dass neben der Förderung der Erneuerbaren Energien auch die Energieeffizienz eine größere Rolle spielen muss, darüber waren sich die Parlamentarier einig. Nicht alles kann man mit dem EEG lösen, so Bernd Westphal (SPD). Allerdings müssen auch bei der Energieeffizienz die richtigen Rahmenbedingungen gesetzt werden, ergänzte Gundelach. Beispielsweise würden zu viele unterschiedliche KfW-Programme den Verbraucher verunsichern und auch die Abschreibungen für die energetische Gebäudesanierung seien neu zu diskutieren. Verlinden wies darauf hin, dass in diesem Zusammenhang auch die Energieberatung im Gebäude-, aber auch im Gewerbebereich eine größere Rolle spielen müsse. Bulling-Schröter gab zu bedenken, dass sich für Industriebetriebe Energieeffizienzmaßnahmen in aller Regel nicht lohnten, da hierdurch die Kosten insgesamt zunächst ansteigen würden. Darüber hinaus basierten die Umlagen-Begrenzungen gerade auf einem hohen Stromverbrauch, was insoweit das Ziel von Energieeinsparungen konterkarieren würde.
Den Abschluss der ganztägigen BBH-Konferenz bildete ein Gespräch zwischen Dr. Felix Matthes und Dr. Annette Loske. Der Forschungskoordinator Energie & Klimapolitik des Ökoinstituts e.V. wies darauf hin, dass die Ideologie der Masse beim EEG an seine Grenzen komme und der Wert des Stroms mehr in den Mittelpunkt gerückt werden muss. Allerdings bezweifelt er, dass die aktuelle EEG-Reform das Potential besitzt, um dies zu leisten. Anstelle eines EEG 2.0 habe man es eher mit einem EEG 1.27 zu tun, sagte Matthes. Unter dem jetzigen System sei eine Refinanzierung der Erneuerbaren Energien nicht möglich, eine weitere Novelle stehe deshalb bereits vor der Tür. Es sei eine Strukturdebatte nötig, an deren Ende die Einführung eines Kapazitätsmarktes unumgänglich sei. Die Privilegierung der Industrie habe zwar einen legitimen Kern, durch die „Flucht in die Eigenversorgung“ würde das System aber langfristig kollabieren. Die Hauptgeschäftsführerin des VIK, Annette Loske, sieht dies anders. Die industrielle Eigenversorgung sei eine Option, die es bereits seit Jahren gibt. Dies gilt ganz besonders für die Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, die eine politisch gewollte Säule der Energiewende darstellen würde. Die geplanten Regelungen zur Eigenversorgungen seien an dieser Stelle kontraproduktiv. Im Übrigen hält Loske die finanzielle Beteiligungsfähigkeit der Industrie an den Kosten der Energiewende für ausgereizt. Ob sich Unternehmen eine zusätzliche Belastung der Eigenerzeugung leisten können, sei momentan noch nicht abzusehen. Dr. Ines Zenke konnte aus ihrer Beratungspraxis bestätigen, dass auf europäischer Ebene oftmals Unkenntnis darüber besteht, wie sehr die jeweiligen Industriezweige tatsächlich im internationalen Wettbewerb stehen und deshalb auf Rabatte zwingend angewiesen sind. Man dürfe schließlich auch nicht vergessen, so Loske, dass die Industrie auch an anderer Stelle, nämlich durch ihren flexiblen Stromverbrauch, zu der Stabilisierung unseres Energiesystems und damit indirekt zur Energiewende beiträgt.
Die 19. BBH-Energiekonferenz hat gezeigt, dass mit der EEG-Novelle 2014 ein weiterer Schritt zur Etablierung der Energiewende getan wird. Wie groß dieser Schritt allerdings ist, dies wird sich erst herausstellen, wenn die Änderungen Eingang in die energiewirtschaftliche Praxis gefunden haben. Schon heute dürfte klar sein: Die letzte Novellierung ist dies sicherlich nicht gewesen.
Becker Büttner Held versteht sich als ein führender Anbieter von Beratungsdienstleistungen für Energie- und Infrastrukturunternehmen und deren Kunden. Den Kern der Mandantschaft bilden zahlreiche Energie- und Versorgungsunternehmen, vor allem Stadtwerke, Kommunen und Gebietskörperschaften, Industrieunternehmen sowie internationale Konzerne. Diese und viele Unternehmen und Institutionen aus anderen Bereichen unterstützt BBH sowohl in allen Rechtsfragen als auch betriebswirtschaftlich und strategisch.
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