2024-04-26
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Bayern: 10H-Regelung bringt Windenergieausbau zum Erliegen

Bayerns Gesetz als Totengräber des Windenergieausbaus / Projektierer warnen vor komplettem Ausbaustopp für Windenergie / Personalabbau als erste Konsequenz / Projekte in Bayern liegen auf Eis

Seit November 2014 gilt in Bayern die sogenannte „10H-Regelung“, die vorsieht, dass Windenergieanlagen „einen Mindestabstand vom 10-fachen ihrer Höhe zu Wohngebäuden in Gebieten mit Bebauungsplänen, innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile und im Geltungsbereich von Satzungen nach § 35 Abs. 6 BauGB" einhalten müssen. Bereits vor Verabschiedung des Gesetzes durch den bayrischen Landtag warnten verschiedene Experten, dass dieses Gesetz den Ausbau der Windenergie in Bayern faktisch zum Erliegen bringen wird, da kaum noch Flächen zum Errichten von Windturbinen nutzbar wären.

Rund fünf Monate nach der Einführung des Gesetzes fällt die erste Bilanz wie erwartet negativ aus. So zog das Windprojektierunsbüro OSTWIND aus Regensburg bereits Ende Februar Konsequenzen und kündigte an, seine Aktivitäten in Deutschland in andere Bundesländer zu verlagern. Neue Standorte des Büros sollen in Berlin und Hessen gegründet werden: „Ein mittelständisches Familienunternehmen wie unseres braucht Kontinuität und verlässliche Rahmenbedingungen in der Energiepolitik. An beidem fehlt es derzeit leider in Bayern“, kommentierte das Unternehmerehepaar Gisela Wendling-Lenz und Ulrich Lenz die Entscheidung, ihre Heimat zu verlassen.

In Bayern werden von OSTWIND in den kommenden beiden Jahren nun nur noch die Projekte weiterverfolgt, die nicht unter die 10H-Regelung fallen. Weitere Aktivitäten werden ebenfalls in andere Bundesländer verlagert.

Ähnlich geht man derzeit bei ABO Wind vor. Der Projektierer aus Wiesbaden macht anhand von Zahlen deutlich, wie groß die Auswirkungen sind: „Rund zwei Drittel unserer geplanten Projekte sind nach der Einführung der 10H-Regelung nicht mehr umsetzbar. Von unseren beispielsweise in Unterfranken geplanten Projekten mit insgesamt 115 Megawatt sind bereits 81 Megawatt wegen einer Unterschreitung der zehnfachen Anlagenhöhe zu Siedlungen weggebrochen. Die Umsetzung der verbleibenden Projekte (34 Megawatt) ist unsicher. Die Neuakquise von Projekten in Bayern liegt bei uns aktuell auf Eis“, erklärt Unternehmenssprecherin Lena Fritsche die aktuelle Situation bei ABO Wind.

Weitere Konsequenz des Gesetzes: Arbeitsplätze fallen komplett weg oder werden aus Bayern abgezogen. „Wir haben unsere personellen Kapazitäten daher deutlich reduziert. Bis vor kurzem haben noch rund ein Dutzend unserer Planer Windparks in Bayern projektiert. Aktuell sind es nur noch vier Kolleginnen und Kollegen. Die anderen arbeiten nun in angrenzenden Bundesländern“, so Fritsche.

Bisher ist Bayern das einzige Bundesland, das die 10H-Regelung eingeführt hat. Allerdings werden auch in anderen Bundesländern immer wieder Stimmen laut, die eine lokale Umsetzung fordern. So unterstützte der Freistaat Sachsen im letzten Sommer noch den Gesetzentwurf, als dieser von Bayern vorgebracht wurde. Vor einigen Tagen hat die AFD in Nordrhein-Westfalen einen Vorstoß unternommen, das Gesetz auch in NRW zur Anwendung zu bringen.

Der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE NRW) weist diesen Vorstoß scharf zurück: „Die 10H-Regel ist ein Windenergie-Verhinderungsgesetz. Diese willkürliche Sonderregel in einem dicht besiedelten Land wie NRW würde faktisch das Aus für die Windenergie bedeuten“, macht Jan Dobertin, LEE-Geschäftsführer, deutlich. „Die Windenergie ist eine zentrale Säule für eine saubere, sichere und bezahlbare Energieversorgung. NRW muss als Industrieland den Strukturwandel gestalten und darf sich nicht mit einer Blockadehaltung ins Abseits befördern, während andere Länder Zukunftschancen wahrnehmen. Diese Haltung gefährdet den Industriestandort NRW und die Arbeitsplätze in der Windenergiebranche. Wir müssen in NRW den Ausbau der Zukunftsenergie Wind aktiv voranbringen und beschleunigen“, so seine Forderung.

Auch das weltweit tätige Projektentwicklungsunternehmen juwi wird mit den Auswirkungen der 10H-Regelung konfrontiert. Unternehmenssprecher Felix Wächter: „Es gibt nach wie vor viele Gemeinden, die auf die Umsetzung „ihrer“ Projekte nicht verzichten wollen und weiterhin den Klimaschutz und die regionale Wertschöpfung vorantreiben wollen. Daneben gibt es aber auch erste Gemeinden, die 10-H mindestens einmal als „Messlatte“ für die Bemessung von Siedlungs-Abständen heranziehen und somit auf diesen Kurs einschwenken.“

Allerdings will juwi das Geschäft in Bayern nicht aufgeben: „Die eingeführte 10 H-Reglung stellt Kommunen wie Projektentwickler bei der Planung neuer Windenergieprojekte vor große Herausforderungen. Sie muss aber nicht zwangsläufig verhindern, dass Bayern sein vorhandenes Windpotenzial ausschöpfen kann. Mehr denn je kommt es nun aber auf das Engagement und die Verantwortung der Kommunen an. juwi unterstützt Städte und Gemeinden im Freistaat mit seiner langjährigen Erfahrung dabei, maßgeschneiderte Lösungen für Kommunen und Bürger zu entwickeln, so dass alle Beteiligten flächendeckend von den Vorteilen der Windkraft profitieren können.“

Gegenwärtig baut juwi im mittelfränkischen Thalmässing ein Bürgerwindprojekt mit fünf Windrädern, die künftig sauberen Strom für über 10.000 Haushalte produzieren sollen. Betrieben werden sie von rund 150 Bürgerinnen und Bürgern aus den umliegenden Ortschaften. 10-H bedeutet für juwi also auch, Betreibermodelle für Kommunen zu entwickeln. Dass das funktionieren kann, zeigen die Gemeinden Hummeltal, Gesees und Mistelbach im Landkreis Bayreuth.

Auch bei ABO Wind hofft man darauf, dass der Ausbau in Bayern nicht komplett zum Erliegen kommen wird: „Bayern hat großes Potenzial, um mit Windkraft vor Ort sauberen Strom zu produzieren und damit auch die regionale Wertschöpfung zu stärken. Als europaweit tätiges Unternehmen können wir die wegfallenden Projekte in Bayern ausgleichen", so Fritsche. "Wir gehen zudem davon aus, dass die bayerische Landesregierung ihre Blockade einer vernünftigen Energiepolitik nicht ewig wird fortsetzen können. Früher oder später wird es für die Windkraft in Bayern wieder bessere Perspektiven geben. Unser Unternehmen hat jedenfalls einen langen Atem.“

Die Sorge, dass weitere Länder nachziehen könnten, ist allerdings nicht von der Hand zu weisen. „Der bayerische Sonderweg kann kein Vorbild für das Energieland NRW sein“, mahnt Dobertin. „Die 10H-Regel ist reine Willkür, die jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehrt. Würde sie wirklich umgesetzt, könnte man in NRW eigentlich nur noch im Tagebau Garzweiler Windenergieanlagen errichten.“

Auch Wächter macht deutlich, was auf dem Spiel steht: „Eine pauschale Abstandsregelung, wie in Bayern, bedeutet de facto einen Ausbaustopp für die Windenergie. Die Flächen, die sich potenziell für eine Windenergienutzung eignen, fallen mit solchen Abständen deutlich kleiner aus. Vom eigentlichen Potenzial bleiben mit der 10h-Regelung nur kleine einstellige Prozentwerte übrig. Daher werden wir uns an allen Stellen gegen die Übernahme des bayerischen Sonderweges aussprechen.“

Dabei ist eine Fortsetzung des Windenergieausbaus in Deutschland unumgänglich. „Der Rekordzubau der Windenergie an Land im Jahr 2014 hat deutlich gezeigt, dass sie der Motor der Energiewende ist. Kein Bundesland hat bisher ein schlüssiges Energiewende-Konzept ohne die Onshore-Windkraft als tragende Säule vorgelegt“, betont Fritzsche. „Jede weitere beschlossene 10H-Regelung wäre ein politisches Signal, dass die jeweilige Landesregierung die Energiewende ad acta gelegt hat. Im bayerischen Energiekonzept „Energie innovativ“ wird von einem Zubau von 1.000 bis 1.500 Windkraftanlagen zwischen 2009 und 2021 ausgegangen, die im Jahr 2021 sechs bis zehn Prozent des heimischen Strombedarfs decken sollen. Dieses Ziel wird dank 10H um Längen verfehlt.“

Wie Bayern seine Energieziele erreichen will, ist derweil weiterhin unklar. Neben dem Ausbau der Windenergie blockiert der Freistaat derzeit auch den Ausbau der großen Stromtrassen, die Windstrom aus dem Norden nach Süddeutschland transportieren sollen. Erst gestern drohte der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) bei Spiegel Online dem Bund mit einer Klage, falls sich dieser über die bayrischen Pläne hinwegsetzen sollte.

Woher Bayern in Zukunft Strom – egal ob grün oder nicht – beziehen will, wenn die letzten Atomkraftwerke im Bundesland abgeschaltet werden, steht derzeit aber in den Sternen.

Autor:
Katrin Radtke
Email:
kr@windmesse.de
Windenergie Wiki:
Windpark, Megawatt, Energiewende, 10H-Regelung



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