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Quo vadis, Deutschland?
„Die Expertenkommission kommt zu dem Schluss, dass das EEG weder ein kosteneffizientes Instrument für Klimaschutz ist noch eine messbare Innovationswirkung zu entfalten scheint. Aus diesen beiden Gründen ergibt sich deshalb keine Rechtfertigung für eine Fortführung des EEG.“
Diese im Beamtendeutsch recht nüchtern klingende Bombe ließ die Bundestagsexpertenkommission Forschung und Innovation (EFI) Anfang des Monats auf die Öffentlichkeit los. In seiner Bedeutung ist das Gutachten nicht zu unterschätzen, könnte es doch das Ende der deutschen Energiewende nach sich ziehen. Das Papier platzt mitten in eine Phase, in der sich Kritiker und Befürworter um die Medienhoheit bezüglich der Reform des EEG streiten.
Was aber ist wirklich dran an dieser Aussage?
Dass das bald 15 Jahre alte EEG einer Reform bedarf, steht außer Zweifel. Dem Industriezweig der erneuerbaren Energien aber ihre Innovationswirkung abzusprechen und deshalb für eine Beendigung des EEG zu plädieren, ist haltlos. Bereits kurz nach Einführung des EEG entwickelte sich Deutschland auf dem Gebiet der Photovoltaik zum Weltmarktführer. Das Wachstum auf diesem Gebiet ging zwar etwas zu schnell und musste mittlerweile stark nach unten korrigiert werden. Doch trotzdem kann sich Deutschland auf die Fahnen schreiben, hier den entscheidenden Forschungsanstoß gegeben zu haben.
Führend in der Windenergie
Wirft man einen Blick auf die anderen Branchen der erneuerbaren Energien, landet man unweigerlich beim Wind. Auch hier gehört Deutschland zu den Weltmarktführern bei der Produktion und beim Ausbau. Unter den gerade veröffentlichten Top Ten der Anlagenhersteller 2013 finden sich mit Enercon, Siemens und Nordex drei deutsche Unternehmen, wie die Consulting-Forma Make vor Kurzem bekannt gab.
Gerade die noch relativ junge Offshore-Windenergie wird von deutscher Forschung geprägt, Siemens liegt hier mit seinen Turbinen weit vor der Konkurrenz. Eine Analyse der Patentanmeldungen durch germanwind, einer Tochter der Windenergie-Agentur Bremerhaven (WAB), belegte dies jüngst: Dazu wurden über 3000 Patente der Jahre 1992 bis 2013 aus den drei führenden Windnationen Deutschland, England und Dänemark untersucht. Fazit: Deutschland dominierte alle Kategorien, etwa „Blätter und Rotoren“ oder „Offshore-Türme“. Über 65 Prozent der angemeldeten Patente stammen aus Deutschland.
„Das ist ein sehr gutes Ergebnis und zeugt von einer innovativen, hochtechnologischen Branche“, kommentierte Ronny Meyer, WAB-Geschäftsführer, diese Zahlen. Allerdings könnte sich das Bild schon bald verändern. Noch verbreitet Deutschland weltweit Strahlkraft und gilt als Vorreiter der Energiewende. Allein das EEG haben sich über 50 weitere Nationen zum Vorbild für eigene Regelungen genommen.
Ein Blick auf die Zahlen lässt hier jedoch schnell Ernüchterung aufkommen. Innerhalb Europas lag Deutschland 2012 mit einem Anteil von 12,4 Prozent erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch nur auf Platz 12. Spitzenreiter hier sind die Schweden mit einem Anteil von 51 Prozent, gefolgt von Lettland (35,8 %) und Finnland (34,3%). Und die bisher angedeuteten Reformziele lassen nicht hoffen, dass Deutschland seine Ziele überhaupt noch erreichen kann. Von einer Deckelung beim Ausbau ist die Rede, selbst ein Weiterbetrieb der Atomkraftwerke über das Jahr 2022 hinaus wird von einigen CSU-Politikern immer wieder ins Spiel gebracht.
Auch die Spitzenposition innerhalb der Forschung ist in Gefahr. So stellte die Analyse auch fest, dass die Zahl der Patentanmeldungen in der deutschen Offshore-Branche seit zwei Jahren rückläufig ist. Dies ist vor allem auf die derzeit unsichere politische Lage zurückzuführen. Gerade in der Offshore-Branche sind Entwicklungszeiträume von 10 Jahren für ein Projekt (vom ersten Antrag auf Flächennutzung bis zum Einspeisen des gewonnenen Stroms ins Netz) keine Seltenheit. Umso wichtiger sind langfristige politische Vorgaben – die es in Deutschland dank der großen Koalition momentan nicht gibt.
Die hitzige Debatte um eine Reform oder gar Abschaffung des EEG hat zu einer Stagnation der Aufträge geführt. Arbeitsplätze sind akut gefährdet oder werden bereits abgebaut. Zur Zeit sind in der Offshore-Branche noch 18.000 Menschen beschäftigt, aber schon letztes Jahr sind hier 2000 Arbeitsplätze weggefallen. Erst im Januar musste Anlagenhersteller Areva Kurzarbeit für sein Werk in Bremerhaven anmelden. Noch werden dort zwar Turbinen gebaut, aber die Folgeaufträge fehlen.
Negativbeispiel USA
Was für fatale Auswirkungen auf den Markt fehlende politische Vorgaben haben, zeigen die USA: Dort hat der ewige Kampf um eine Verlängerung des PTC dazu geführt, dass im ersten Quartal 2013 keine einzige Turbine im Land aufgestellt wurde. Der Grund dafür: Im Vorjahr konnte sich die Regierung nicht rechtzeitig genug auf eine Verlängerung der steuerlichen Unterstützung einigen, sodass der PTC auslief. Niemand wollte zu diesem Zeitpunkt sein Geld in Windkraft investieren. Diese Lücke machte sich erst ein Jahr später bemerkbar. In der Offshore-Branche sind die Vorlaufzeiträume allerdings noch viel länger. Ein Zusammenbruch des Marktes wäre hier wohl gar nicht mehr aufzufangen, wenn die Konkurrenzländer erst an Deutschland vorbei gezogen sind.
Einsparpotenzial ist enorm
Im Mittelpunkt der Diskussionen stehen immer wieder die immensen Kosten für den Bau von Offshore-Parks. Dabei ist nirgends das Einsparpotenzial so groß wie in dieser Branche. Die Technologie in ihren Grundzügen ist mittlerweile entwickelt, nun ist es an der Zeit für die Forschung zu zeigen, wo Geld eingespart werden kann. Verschiedene Studien haben unterdessen belegt, dass ein stabiler Offshore-Markt bis 2020 Kostenreduktionen im Bereich Herstellung, Bau, Installation und Netzanschluss von bis zu 40 Prozent mit sich bringen kann – und das innerhalb von nur knapp sechs Jahren.
Das würde die Kosten für einen Offshore-Windpark drastisch reduzieren. Nun gilt es, an der Technologie festzuhalten. Noch sitzen einige der führenden Forschungsinstitute in Deutschland – dort wo auch viele der Anlagen und Komponenten produziert werden. Das kann sich jedoch schnell ändern. Fehlt hier die politische Unterstützung, wandern die Konzerne dorthin, wo sie vorhanden ist, momentan vor allem Großbritannien. England liegt weltweit an der Spitze der Offshore-Windenergieproduktion. Dort hat man seine Erfahrungen aus der Förderung von Gas und Öl auf hoher See schnell nutzen und auf die Windbranche anwenden können. Zählt man die derzeitigen Kapazitäten der Offshore-Windenergie im Rest der Welt zusammen, kommt man doch immer noch nicht auf die Menge, die England alleine bereits aufgestellt hat.
Game Changer für die Insel
Die Industrie in England leidet dafür an einem anderen Problem: Die Anlagen wurden bisher ausnahmslos importiert. Die meisten Zulieferer sitzen ebenso wenig auf der Insel. Alles musste aufwendig und teuer vom Festland transportiert werden.
Das ist in der letzten Woche anders geworden. Nicht umsonst sprach man beim Branchenverband RenewableUK von einem „Game Changer“: Siemens wird zwei Werke zur Herstellung von Rotorblättern und Komponenten in Hull errichten. „Das ist ein großer Coup für die britische Windindustrie“, kommentierte RenewableUK-Chefin Maria McCaffery. „Das ist erst der Anfang – wo Siemens hingeht, werden andere folgen.“
In der Tat dürfte dies das Startsignal für die Weiterentwicklung des gesamten Marktes in England sein. Schon jetzt arbeiten in England 12.800 Menschen direkt oder indirekt in der Offshore-Branche. Allein durch die beiden Werke von Siemens werden 1000 neue Arbeitsplätze dazu kommen.
Eine Anfang März veröffentlichte Studie der ORE Catapult zeigt, dass bei stetem Wachstum der britische Markt im Jahr 2020 einen jährlichen Umsatz von 6,7 Milliarden Pfund machen kann. 34.000 direkte und 150.000 indirekte Arbeitsplätze in der Offshore-Branche sind möglich. Potenzial, das auch in Deutschland vorhanden ist.
Die Entwicklung der letzten Woche stellt jedoch zugleich eine schallende Ohrfeige für die deutsche Regierung dar. Siemens hätte die Fabriken in Deutschland errichten können, schließlich werden auch hier Offshore-Windparks errichtet. „Unsere Entscheidung in England eine Fertigung für Offshore-Windenergieanlagen zu bauen, ist Teil unserer weltweiten Strategie: wir investieren in Märkte mit zuverlässigen Rahmenbedingungen, die für ausgelastete Fabriken sorgen. Die britische Energiepolitik schafft klare Rahmenbedingungen zum Ausbau der Offshore-Windenergie und würdigt insbesondere das Potential der Windkraft auf See für das Gesamtportfolio der Energieerzeugung“, sagte Michael Süß von Siemens dazu in einer Pressemitteilung.
Auf gut Deutsch: Die Rahmenbedingungen hier stimmen nicht. Die Politik hat kein Interesse an der Nutzung des Offshore-Potenzials. Wenn die Zeichen aus der Regierung sich jetzt nicht entsprechend ändern, werden weitere Firmen dem Beispiel von Siemens folgen und ins Ausland abwandern. Stimmen die Konditionen im eigenen Land nicht, geht man dorthin, wo die Politik sich kooperativer zeigt – das nennt man Globalisierung. Bisher galt Deutschland als eines der Länder, das am meisten von der Globalisierung profitiert hat, wie erst kürzlich eine Bertelsmann-Studie feststellte. Das könnte sich nun – der GroKo sei Dank – umkehren: Der noch junge Industriezweig der Offshore-Windenergie wird im Keim erstickt und stattdessen weiter einem Konglomerat von Lobbyisten aus Kohle, Öl und Atom gehuldigt.
Wenn dieser Fall eintritt, dann dürfte die Studie des EFI doch recht behalten.
- Quelle:
- Windmesse
- Autor:
- Katrin Radtke
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