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Nach uns die Sintflut
Die Corona-Pandemie hätte einen Wandel einleiten können. Setzt die Weltgemeinschaft – notgedrungen – dem Klimawandel endlich einen Riegel vor und ergreift umfassende Maßnahmen, um zu verhindern, dass ein Kipppunkt nach dem anderen überschritten wird?
Nun, knapp 1,5 Jahre nach Beginn der Pandemie wird die Wirtschaft wieder hochgefahren, vielerorts laufen Programme zum Wiederaufbau und Neustart an. Aber hat sich etwas geändert? Nicht wirklich.
Schien es zunächst so, als würde dem Klimaschutz eine große Rolle zukommen, ist davon nicht mehr viel übrig geblieben. Die Wirtschaftslobby setzt sich durch. Dabei reißen die schlechten Meldungen nicht ab. Kaum erscheint eine Studie, die den hohen Zubau an erneuerbaren Energien in den letzten Jahren hervorhebt, erscheint mindestens eine weitere, die betont: Es reicht trotzdem nicht.
Erste Forschungsergebnisse der POLARSTERN sind besorgniserregend (Bild: BMBF / Hans-Joachim Rickel)
Besorgniserregend sind zum Beispiel die Forschungsergebnisse, die aktuell aus der Arktis mitgebracht wurden, wo sich das Forschungsschiff POLARSTERN ein Jahr lang mit einer Eisscholle treiben liess und dabei riesige Datenmengen gesammelt hat. Die Erkenntnis: Es steht um das Klima noch schlechter als gedacht: So ist das Eis dünn wie nie, die Temperaturen 10 Grad zu hoch und zu allem Überfluss droht auch noch ein Ozonloch wie über dem Südpol.
„Wir haben gesehen, wie es um das Eis der Arktis steht. Erst die Auswertung der nächsten Jahre wird zeigen, ob wir das ganzjährige arktische Meereis durch konsequenten Klimaschutz noch retten können, oder ob wir diesen wichtigen Kipppunkt im Klimasystem bereits überschritten haben. Und dies kann zum Start einer Kaskade führen, in deren Verlauf weitere Kipppunkte ausgelöst werden, die die Erwärmung immer weiter antreiben können – so etwa ein Verschwinden des grönländischen Eisschildes oder das Auftauen immer größerer Bereiche des arktischen Permafrosts“, warnt Expeditionsleiter Markus Rex vom Alfred-Wegener-Institut. Dass so ein Kipppunkt irreparabel ist, scheint aber noch nicht bei vielen angekommen zu sein.
„Es müssen viel mehr Ressourcen mobilisiert und in saubere Energietechnologien gelenkt werden, um die Welt auf den Weg zu bringen, bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Basierend auf unserer neuen Net Zero-Roadmap müssen sich die Investitionen in saubere Energien bis 2030 verdreifachen“, betonte auch kürzlich Fatih Birol von der Internationalen Energieagentur IEA.
"Heißzeit" bald nicht mehr nur im Sommer (Bild: Pixabay)
Trotzdem steht die Profitgier immer noch an erster Stelle – oftmals gestützt durch Regierungen. So will der Irak zur Deckung seines Strombedarfs bis zum Jahr 2030 acht Atomreaktoren bauen. Kosten? 33 Milliarden Euro. Dabei leidet das Land unter einer der schlimmsten Wirtschaftskrisen seit Jahren. Experten raten zwar eher zur Investition in die marode Infrastruktur, durch die 30 bis 50 Prozent der Energie im Stromkreislauf verloren gehen. Aber trotz einer Vereinbarung der Regierung mit Siemens ist keines der geplanten Projekte zur Erneuerung der Infrastruktur im Wert von rund acht Milliarden Euro bislang umgesetzt worden.
In der Nordsee, direkt vor Borkum und Norderney, will unterdessen ein holländisches Unternehmen in großem Maß Erdgas fördern - war da nicht was mit dem Umstieg auf erneuerbare Energien? Zwar wird laut Zeit die Vereinbarkeit des geplanten Vorhabens mit den internationalen Klimaschutzzielen und dem Einfluss auf das benachbarte Wattenmeer (Unesco-Weltnaturerbe) noch geprüft. Auch die Auswirkungen auf Landschaftsbild und Luftqualität sowie mögliche Umweltbeeinflussungen, z.B. durch Erdbeben, Bodensenkungen oder Unterwasserlärm, sollen wohl begutachtet werden, bevor das Projekt endgültig genehmigt wird. Doch warum steht ein solches Vorhaben mitten in Europa, das als Vorreiter bei Klimaschutz und Energiewende gilt, überhaupt auf dem Plan? Unterdessen führen z.B. deutsche Landesregierungen reihenweise neue Abstandsregeln für Windkraftanlagen ein. Macht das noch irgendeinen Sinn?
Sicher, denn da wollen noch einige mit Hilfe der Politik richtig absahnen, bevor es mit den Fossilen endgültig zu Ende geht. Und wie man sieht, klappt das ja auch immer noch ganz prima. So ist laut Renewables 2021 Global Status Report der REN21 der Anteil der Fossilen am Energiemix immer noch so hoch wie vor einem Jahrzehnt (80,3 % gegenüber 80,2 % heute), der Anteil erneuerbarer Energien dagegen nur leicht gestiegen.
"(... Wir) sind weit entfernt von dem notwendigen Paradigmenwechsel hin zu einer sauberen, gesünderen und gerechteren Energiezukunft", heißt es in der Studie. "Selbst mit dem historischen Rückgang des Energieverbrauchs im Jahr 2020 aufgrund von Covid-19 kämpften sich die fünf G20-Länder mit Zielen für erneuerbare Energien im Jahr 2020 an ihre Ziele heran." In den weiteren 15 Ländern sind bis dato nicht einmal Ziele formuliert.
"Wir wachen gerade in der bitteren Realität auf, dass die klimapolitischen Versprechen der letzten zehn Jahre größtenteils leere Worte waren", folgert REN21-Geschäftsführerin Rana Adib. "Der Anteil der fossilen Brennstoffe am Endenergieverbrauch hat sich keinen Zentimeter bewegt".
In Deutschland musste sogar das höchste Gericht des Landes eingreifen und der Bundesregierung auf die Finger hauen, die Klimaschutzziele endlich hochzuschrauben. Ergebnisse? In dieser Legislaturperiode nicht mehr. Ein paar Maßnahmen wurden zwar angestoßen, mit der Ausformulierung von konkreten Zielen soll sich aber die neue Regierung herumplagen.
So kann das nichts werden!
- Autor:
- Katrin Radtke
- Email:
- presse@windmesse.de
- Keywords:
- Klimawandel, Klimakrise, Regierung, Corona, Pandemie, Menschheit, Polarstern, Arktis, Forschung, Kipppunkt, Gericht, Lobby, Bericht
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