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BGH-Urteil zur EEG-Härtefallentschädigung – wo ein genauer Blick lohnt
Netzausbau vs. Ausbau der Erneuerbaren
Dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien und jener der Stromnetze nicht synchron verlaufen, ist kein Geheimnis. Die Folgen aus dieser zunächst lapidar erscheinenden Erkenntnis sind aber durchaus gravierend. Vor allem die Betreiber von EE-Anlagen, und hier allen voran jene von Windenergieanlagen, wissen nur zu gut, dass dies mit wirtschaftlich schmerzender Regelmäßigkeit zu Abschaltungen ihrer Anlagen führt. Freilich sieht das EEG auch die Möglichkeit – derzeit noch in § 15 EEG (zur Überführung dieser Norm in das EnWG berichteten wir hier und hier) – einer Härtefallentschädigung vor. Dies wiederum führt in breiten Bevölkerungsschichten nicht selten zu Unmut darüber, dass Windmüller und Co. vermeintlich auch dann Geld „einstreichen“, wenn ihre Anlagen stillstehen.
Nicht jede (Ab-)Regelung ist entschädigungspflichtig
Dass die Sach- und vor allem Rechtslage so einfach nicht ist, wissen die Anlagenbetreiber aus leidvoller Erfahrung vielfach nur zu gut. Denn zum einen beruht nicht jede Abschaltung oder Regelung einer Anlage auf entschädigungspflichtigen Maßnahmen des EEG-Einspeisemanagements. Nicht selten kommen die Netzbetreiber lediglich ihrer Verantwortung aus § 11 EnWG nach. Dann nehmen sie nötige Maßnahmen (z.B. Reparatur- und Wartungsarbeiten) vor allem zur Wahrung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Netzes vor. Für solche Fälle gilt die Härtefallentschädigung des EEG nicht unmittelbar.
Zum anderen ist die Härtefallentschädigung nach § 15 EEG 2017 aber auch an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. So muss es sich bei einer konkreten Regelungsmaßnahme der Netzbetreiber um eine durch einen sog. Netzengpass verursachte Maßnahme handeln. Wann dies nun der Fall ist, steht immer wieder im Streit zwischen Anlagen- und Netzbetreibern. Zugegebenermaßen lässt sich dies auch nicht ohne weiteres daran ablesen, dass die Anlage steht oder mit gedrosselter Leistung fährt. Vielfach muss erst aufwendig recherchiert werden, welche Ursachen zur Regelung einer EE-Anlage führten. Über dieses Wissen verfügt im Regelfall nur der Netzbetreiber, was die Angelegenheit zusätzlich verkompliziert.
Eigentlich war doch alles geklärt, oder!?
Angesichts dessen liegt es geradezu auf der Hand, dass sich zwischenzeitlich eine ganze Reihe von Zivilgerichten mit dieser Problematik auseinanderzusetzen hatte. Denn gerade im Zuge des dringend nötigen Netzausbaus kommt es immer wieder zu Abschaltungen und Leistungsreduzierungen. Schon im Jahr 2016 hatte der BGH in diesem Zusammenhang indes geurteilt, dass ein entschädigungspflichtiger Netzengpass immer dann nicht vorliege, wenn Anlagen aufgrund einer von der konkreten Einspeisung unabhängigen Maßnahme – konkret aufgrund von Wartungsarbeiten am Netz – abgeschaltet werden (siehe hier). Dabei wollte der BGH die Regelungen des EEG seinerzeit auch nicht analog auf derartige Fälle anwenden.
Die Clearingstelle EEG/KWKG beurteilte dies in einem ebenfalls aus dem Jahr 2016 stammenden Votum mit hörbaren Argumenten freilich etwas differenzierter (siehe hier). Die nachfolgende Instanzrechtsprechung hingegen legte die Ausführungen des BGH so aus, dass bei im Zusammenhang mit Netzausbaumaßnahmen vorgenommenen Regelungen nie ein entschädigungspflichtiges Einspeisemanagement im Sinne des EEG vorliegen könne (wir berichteten zuletzt hier). Damit deutete sich für die Anlagenbetreiber an, dass sie Entschädigungszahlungen nach dem EEG nur dann beanspruchen können, wenn der Netzbetreiber ihre Anlagen aufgrund einer zu hohen Einspeisung von Strom in die Netze regelt.
BGH Urteil vom 11.02.2020 – Der Teufel steckt im Detail
Ganz so weit will der BGH laut einem aktuellen Urteil vom 11.02.2020 (XIII ZR 27/19, siehe hier) nun wohl doch nicht gehen. In den am 06.05.2020 veröffentlichten Urteilsgründen widmet er sich denn auch ausführlich der Definition des Begriffes Netzengpass. Ein solcher liege vor, wenn ein Netzbereich überlastet ist oder die Überlastung eines Netzbereichs droht und das Stromnetz daher nicht mehr sicher betrieben werden kann. Zum Stromnetz zähle dabei jedes Betriebsmittel, welches für die Verteilung von elektrischem Strom im jeweiligen Netzbereich eingesetzt ist, also Stromleitungen ebenso wie Schalt- und Umspannwerke und deren Komponenten. Zudem schließe das Erfordernis eines Netzengpasses nicht aus, dass die Kapazität des betroffenen Netzbereichs vorübergehend eingeschränkt ist, weil ein zugehöriges Betriebsmittel infolge einer Störung oder der Durchführung von Reparatur-, Instandhaltungs- oder Netzausbaumaßnahmen nicht zur Verfügung steht.
In dem vom BGH konkret entschiedenen Fall ging es um die wiederholte Regelung von sechs Windenergieanlagen. Im Zeitraum März 2014 bis November 2016 trennte der Netzbetreiber aus unterschiedlichen Gründen die Windenergieanlagen mehrfach für jeweils einige Stunden vom Netz. Der Netzbetreiber hatte diese Trennungen überwiegend damit begründet, infolge notwendiger Reparatur-, Wartungs- oder Netzumbauarbeiten hätten einzelne zum Stromnetz gehörende Leitungen spannungsfrei geschaltet werden müssen. Eine Härtefallentschädigung hatte er deshalb abgelehnt. Aus Sicht des BGH war dabei von den Vorinstanzen jedoch nicht im nötigen Umfang aufgeklärt worden, ob im betroffenen Bereich des Netzes weiterhin von anderen Stromerzeugungsanlagen Strom eingespeist wurde. Dabei sei insbesondere zu prüfen, ob die geregelte Anlage gerade zu dem Zweck vom Netz getrennt wurde, eine Verringerung der insgesamt einzuspeisenden Strommenge herbeizuführen. In einem solchen Fäll läge nämlich ein entschädigungspflichtiges Einspeisemanagement vor.
Ein Hoffnungsschimmer für die Anlagenbetreiber
Im Ergebnis kann somit auch also auch bei einer „künstlichen“ Reduzierung der Netzkapazität durch den Netzbetreiber ein Netzengpass im Sinne des EEG und damit der Anspruch auf die Härtefallentschädigung entstehen. Ähnlich hatte sich schon die Clearingstelle EEG in ihrem Votum aus dem Jahr 2016 positioniert. Es ist bedauerlich, dass der BGH dies in seinemaktuellen Urteil nicht erwähnt. Erfreulich ist aber, dass sich der seit dem 01.09.2019 für EEG-Fragen zuständige XIII. Senat des BGH der über Jahre hinweg verschärften betreiberkritischen Haltung des bis dahin zuständigen VIII. Zivilsenats offenbar nicht ohne weiteres anschließen mag.
Für den klagenden Anlagenbetreiber besteht nicht zuletzt deshalb nun wieder Hoffnung, auch wenn der BGH entgegen anderslautender Meldungen für den konkreten Fall das Bestehen des eingeklagten Entschädigungsanspruches selbst (noch) nicht bejaht hat. Das Verfahren wurde vielmehr an die Vorinstanz beim OLG Naumburg zurückverweisen. Dort werden nun umfassend die Ursachen der streitigen Netzschaltungen aufzuklären sein.
Für alle anderen Anlagenbetreiber dürfte nun abr gelten, dass sie Regelungsmaßnahmen – insbesondere der Vergangenheit – kritisch hinterfragen sollten. Die Ankündigungen der Netzbetreiber, Netzschaltungen vorzunehmen, lassen bislang nämlich vielfach kaum erkennen, warum und mit welcher technischen Notwendigkeit derartige Maßnahmen vorgenommen werden bzw. wurden. Dabei dürften – freilich unter Berücksichtigung etwa laufender Verjährungsfristen – in nicht wenigen Fällen durchaus die Voraussetzungen der Härtefallentschädigung vorliegen bzw. vorgelegen haben.
Wie sich aber bereits am Urteil des BGH ersehen lässt, steckt hier der Teufel hier vielfach im Detail. Anlagenbetreiber sollten sich daher zur Wahrung ihrer Rechte dringend rechtlich beraten lassen. Gern stehen wir Ihnen für entsprechende Rückfragen zur Verfügung.
- Quelle:
- prometheus Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
- Autor:
- Pressestelle
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- prometheus, BGH, EEG, Härtefallentschädigung, Gericht, Urteil, Härtefall, Haftung, Anlagenbetreiber, EEG, erneuerbare Energie
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