2024-12-04
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Greenpeace: Keine Kohle für die Kohle

Anfang Oktober musste man sich angesichts einer Pressemeldung mit der Schlagzeile „Greenpeace will die deutsche Braunkohlesparte von Vattenfall kaufen“ verwundert die Augen reiben. Was zunächst wie ein PR-Gag anmutete, bekam am Dienstag ein Fundament.

Vor knapp einem Jahr wurde in Schweden gewählt. Es folgte ein Regierungswechsel hin zu einer Minderheitsregierung aus Sozialdemokraten und den Grünen. Kurz darauf verkündeten die Skandinavier, dass der Energiekonzern Vattenfall, zu 100% in Staatsbesitz, möglichst schnell aus dem Geschäft mit fossilen Energieträgern aussteigen soll. Das betrifft wiederum vor allem Deutschland, denn die großen Förderstätten und Kraftwerke liegen in der Lausitz, in Brandenburg und Sachsen.

In den vergangenen Jahren machten regelmäßig Namen wie 'Schwarze Pumpe', 'Jänschwalde', 'Boxberg' und 'Lippendorf' auf sich aufmerksam – immer dann, wenn wieder die Liste der schmutzigsten Kraftwerke Europas veröffentlicht wurde. Alle Kraftwerke sind in Vattenfall-Besitz, alle in der Lausitz gelegen. Keine gute Werbung also für Deutschland, das sich selbst gerne als Anführer der Klimaretternationen sieht, auch wenn dort schon längst andere Länder an der Spitze liegen.

Nun könnte es allerdings zu einem wahren Coup kommen, der Deutschlands CO2-Bilanz nachhaltig verändern würde: Nachdem Vattenfall offiziell mitgeteilt hatte, sich vom deutschen Braunkohlegeschäft verabschieden zu wollen und die Sparte zum Verkauf stellte, hat die Umweltorganisation Greenpeace Interesse daran bekundet, das Geschäft zu übernehmen.

Zunächst wurde dazu offiziell ein sogenannter 'Letter of Interest' bei der Citi Group in London eingereicht, die den Verkauf für Vattenfall regelt. So wurde der nordeuropäische Ableger der Organisation, Greenpeace Nordic, als offizieller Interessent gelistet und bekam Einsicht in die Unterlagen. Diesen Dienstag folgte fristgemäß der nächste Schritt: Ein 'Statement of Interest' wurde abgegeben, in dem Greenpeace detailliert darstellt, was mit den Anlagen des schwedischen Konzerns geschehen soll, denn Greenpeace möchte natürlich keine Kohle mit der Kohle machen. Das sei, so die Organisation, heutzutage ohnehin nicht mehr möglich.

Stattdessen will man eine Stiftung nach deutschem Recht gründen, in die das Braunkohlegeschäft anschließend überführt werden soll. „Bis zum Jahr 2030 soll die Stiftung die Kraftwerke und Tagebaue in der Lausitz schrittweise stilllegen und den Umbau der Braunkohlesparte in ein Erneuerbare-Energien-Unternehmen vorantreiben“, so die Organisation. Der Ausstieg solle „sozialverträglich und ohne den Klimaschutz zu gefährden“ vonstatten gehen.

Braunkohleabbaugebiete in der Lausitz (Quelle: Wikimedia)

Vor allem die Bergbauer in der Lausitz dürften diese Ankündigung mit gemischten Gefühlen aufnehmen. „Uns ist klar, dass sie (die Länder/Anm. d. Red.)) Verantwortung übernehmen müssen, um die Region auf einen Strukturwandel vorzubereiten und die Schaffung von Arbeitsplätzen in anderen Wirtschaftszweigen voranzutreiben“, nimmt Annika Jacobson, Programm-Managerin von Greenpeace in Schweden, auch die Regierungen der beiden beteiligten Länder in die Pflicht.

Die Lausitz könnte damit eine ähnliche Veranderung zu bewältigen haben wie das Ruhrgebiet zu Beginn der 1980er Jahre, als der Kohlebergbau dort vor dem Aus stand. Empor schnellende Arbeitslosigkeit und fehlende Perspektiven bestimmten danach lange Jahre die Region. Heute hat sich das grundlegend geändert – gerade auch durch die erneuerbaren Energien. So ist Nordrhein-Westfalen mittlerweile das Bundesland, in dem deutschlandweit die meisten Zulieferer für die Windindustrie ihren Firmensitz haben.

Ähnliches ist auch in Brandenburg und Sachsen möglich, den beiden Bundesländern, in denen die Lausitz-Region liegt. Brandenburg ist bereits heute das Bundesland mit den meisten installierten Windturbinen und liegt im Bundesländervergleich 2014 der Agentur für Erneuerbare Energien auf Platz 5. „Die Lausitz ist eine der sonnenreichsten Regionen Deutschlands“, wies auch Jacobson bei der Präsentation des Programms zudem auf mögliche neue Arbeitsplätze in der Photovoltaik hin.

Konkurrenz bekommt Greenpeace bei einem potentiellen Kauf nur von zwei weiteren Mitinteressenten, den beiden tschechischen Energiekonzernen CEZ und EPH, die die Kohlevorkommen beide weiter ausbeuten wollen. Knackpunkt des Vorhabens dürfte nun der Kaufpreis sein. Greenpeace rechnet vor, dass einem Marktwert der Kohle von weniger als einer halben Milliarde Euro bis zum Jahr 2030 Kosten von mehr als zwei Milliarden Euro gegenüber stehen, die man investieren müsste, um den Rückbau der Kraftwerke und die Renaturierung der Tagebaue einzubeziehen – von den Kosten durch den Klimawandel und den Folgen für die Gesundheit der Menschen ganz zu schweigen. Insgesamt also ein negativer Wert.

Da Greenpeace für den Kauf keine Spendengelder verwenden darf, muss sich die Organisation auf die Suche nach Geldgebern machen. Woher diese Geldgeber kommen sollen, ist bisher allerdings offen. Auch der Kaufpreis steht bisher noch nicht offiziell fest.

Greenpeace setzt bei der Aktion wohl auch auf den Druck, der auf die deutsche und schwedische Regierung ausgeübt wird – und das kurz vor den Verhandlungen des Pariser Klimagipfels. Dabei steht Schweden insgesamt bereits recht gut dar: Das Land belegt hinter Dänemark im Klimaschutzindex 2015 den zweitbesten Rang aller Nationen, während Deutschland nur auf Platz 22 gelandet ist. Die Schweden produzieren heute bereits mehr Strom aus erneuerbaren Energien, als sie selbst verbrauchen können. Allein 6000 Megawatt Windenergie sind schon installiert, vor allem in der kostengünstigsten alternativen Energieerzeugung, der Onshore-Windenergie, steht das Land hervorragend da. Und das Offshore-Windpotenzial, das für die gesamte Ostseeregion auf über 17.000 MW geschätzt wird, ist in Schweden bisher noch gar nicht erschlossen. Zudem gaben die Schweden vor kurzem bekannt, sich möglichst zeitnah ganz aus der fossilen Energieerzeugung verabschieden zu wollen.

Greenpeace sieht sich als ernsthaften Bewerber

„Sowohl Schweden als auch Deutschland sind beides Länder, die international dafür berühmt sind, dass sie die Führung im Klimaschutz beanspruchen“, betont Jacobson. „Wenn Vattenfall, die schwedische und die deutsche Regierung nicht bereit sind, ihren Teil der Verantwortung zu tragen, fühlt sich Greenpeace Nordic dazu verpflichtet, sich einzumischen und Teil dieses Prozesses zu werden. Ich wurde nun mehrere Male von Journalisten gefragt: Ist es Greenpeace Nordic mit dieser Sache ernst? Ich glaube, wir sind der EINZIGE Teil des Prozesses, dem es ernst ist.“

Starke Worte von der Umweltorganisation. Ob man demnächst also tatsächlich die Verantwortung für den Kohleabbau in Ostdeutschland trägt, darf momentan aber noch angezweifelt werden. Die Ankündigung hat allerdings zumindest dafür gesorgt, dass der Verkauf der Kohlesparte überhaupt in die öffentliche Diskussion gerückt ist. Zumindest ein Teil der Mission wurde also schon einmal erfüllt.

Autor:
Katrin Radtke
Email:
kr@windmesse.de
Windenergie Wiki:
Offshore, MW, Megawatt



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