2024-11-24
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Kampf um Ziel von 1,5 Grad in Deutschland verloren

Im Vorfeld des G7-Gipfels, der Ende Juni in Deutschland stattfindet, rückt das Thema Klimaschutz erneut in den Fokus. Das Zeitfenster zum Handeln wird immer kleiner – und der Kampf um das Ziel einer Erderwärmung von maximal 1,5 Grad ist in Deutschland schon verloren.

„Im Rahmen des Pariser Klimaabkommens von 2015 verpflichteten sich 196 Länder zu einer drastischen Senkung ihrer Treibhausgasemissionen mit dem Ziel, die globale Erwärmung zu bremsen. Doch die bislang angekündigten Maßnahmen sind nicht annähernd ausreichend, um das 2-Grad-Ziel zu erreichen, geschweige denn um den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu beschränken, womit die schlimmsten Folgen des Klimawandels abgewendet werden könnten.“

So deutlich werden die Forschenden der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina in ihrem Arbeitspapier, das sie am Dienstag in Berlin an die Bundesregierung überreichten. Darin haben sie federführend für Forschende aus aller Welt Handlungsempfehlungen für den G7-Gipfel formuliert, der Ende Juni auf Schloss Elmau in Bayern stattfindet. Die G7-Staaten zeichnen für fast die Hälfte der Treibhausgasemissionen verantwortlich und haben derzeit einen Anteil von etwa 25% am globalen CO2-Ausstoß pro Jahr. Daher rufen die Wissenschaftler*innen zum internationalen Handeln bei Klimaschutz, Energiewende und Reduktion der Treibhausgasemissionen auf, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens doch noch zu erreichen. Darunter fällt auch der Ausstieg aus fossilen Energieträgern, insbesondere der Kohle und das Vorantreiben des Ausbaus der erneuerbaren Energien.

Der Präsident der Leopoldina, Gerald Haug, spricht es gegenüber der Mitteldeutschen Zeitung noch deutlicher aus: „Wir haben noch 10 bis 15 Jahre Zeit, um alles zu unternehmen, damit wir das Ziel erreichen, die globale Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Dann aber ist diese Marke endgültig verloren. So wie das Ziel von 1,5 Grad, das nicht mehr zu schaffen ist.“

Bei der Bundesregierung wird daran festgehalten, dass die Klimaziele noch zu erreichen sind (Bild: Pixabay)

Das sieht die deutsche Bundesregierung offiziell allerdings noch anders. So wurde der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Patrick Graichen, kürzlich vom Solarenergie Förderverein SFV mit der Frage konfrontiert, aufgrund welcher Zahlen die Bundesregierung zu der These kommt, sie befinde sich mit den derzeitigen Planungen noch auf einem 1,5 Grad-Pfad. Denn nach Berechnungen des IPCC stünden Deutschland gemessen an der Bevölkerungszahl nur noch 4 Gigatonnen (Gt) CO2-Ausstoß zu,  während die derzeitigen Pläne der Bundesregierung auf Emissionen von mehr als 10 Gt hinausliefen.
Graichen antwortete, man könne das global angenommene Emissionsbudget eben nicht einfach nach Einwohnerzahl auf die einzelnen Staaten umlegen. Deutschland müsse als Industrienation andere Standards anlegen; die Regierung beziehe sich dabei auf die 1,5 Grad-Szenarien der Internationalen Energie-Agentur (IEA).

Die Kritik folgte auf dem Fuße, denn die IEA ist bekannt dafür, jahrelang u.a. den Ausbau der erneuerbaren Energien in ihren Prognosen massiv unterschätzt und stattdessen aufgrund des Drucks aus einzelnen Staaten ein zu langes Festhalten an fossiler Energie und Atomkraft propagiert zu haben, wie The Guardian schon 2009 aufdeckte.

Neben der Leopoldina kommen aber auch andere Expert*innen zu dem Schluss, dass Deutschlands Ziele bei Weitem nicht ehrgeizig genug sind. Schon kurz nach Vorlage des Koalitionsvertrags der Ampelregierung im November analysierte Claudia Kemfert, Ökonomin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und spezialisiert auf Energiepolitik, dass der „Koalitionsvertrag durchaus ein ambitioniertes Klimaschutzprogramm“ beinhaltet, „zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels aber leider nicht genug“ ist.

Und obwohl Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck mit der Vorlage des Osterpakets und der Ankündigung des Sommerpakets weitere Pläne zum Vorantreiben der Energiewende in Deutschland vorgelegt hat, reichen auch diese nicht aus: „Ja, es geht um Praktikabilität, aber es geht auch um wissenschaftliche Redlichkeit“, so Kemfert laut SFV zu den Plänen der Bundesregierung. Ein Gutachten zum Thema „Update der Budget-Berechnungen“ des DIW wird für die nächste Zeit erwartet – bekannt ist schon jetzt, dass es ebenfalls zu dem Schluss kommt, dass Deutschland den 1,5 Grad-Pfad klar verfehlt.

So stellt sich letztlich die Frage, ob Deutschland seine Klimaschutzziele doch noch anpasst – oder wie lange es dauert, bis öffentlich eingestanden wird, dass die 1,5 Grad nicht mehr zu erreichen sind.

Autor:
Katrin Radtke
Email:
presse@windmesse.de
Keywords:
Deutschland, 1.5 Grad, Klimaschutz, Erderwärmung, Leopoldina, Forschende, G7, Emissionen, CO2, Ausbau, erneuerbare Energie
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