2024-11-08
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Geld ist nicht mehr alles

Die Offshore-Windindustrie wird in den kommenden Jahren ihren globalen Aufschwung fortsetzen. Durch schwimmende Anlagen werden neue Märkte erschlossen und weitere Nationen wie die USA, Irland und Australien stehen schon in den Startlöchern. In den Ländern, die schon über Offshore-Windparks verfügen, macht nun ein neuer Trend die Runde, der künftig weltweiten Einfluss haben wird: Es geht bei den Ausschreibungen bald nicht mehr nur um die Höhe der Pacht.

Die Expert*innen sind sich einig: Der Offshore-Windkraft kommt eine entscheidende Rolle bei der Dekarbonisierung der Welt zu, nicht mehr nur zur reinen Stromproduktion, sondern auch, um die gewonnenen Energie in grünen Wasserstoff umzuwandeln. Laut einem aktuellen Bericht von Wood Mackenzie werden die globalen Investitionen im Offshore-Windsektor bis 2030 voraussichtlich 1 Billion US-Dollar erreichen. Aus den bisher neun Ländern, die über Offshore-Windkraft verfügen, werden im gleichen Zeitraum mindestens 24. Die installierte Gesamtkapazität wird 330 Gigawatt erreichen, gegenüber 34 GW im Jahr 2020.

Alleine im vergangenen Jahr ist die Pipeline um 66 Prozent angewachsen – eine Zahl, die selbst die größten Erwartungen übersteigt. Soeren Lassen, Leiter der Offshore-Windforschung bei Wood Mackenzie, erklärt: "Die Unternehmen drängeln jetzt, um sich einen Anteil an der Billionen-Dollar-Industrie für Offshore-Windkraftanlagen zu sichern.“

Das hat Folgen: "Da immer mehr Unternehmen Angebote abgeben, die Pachtzahlungen in die Höhe schnellen und die Subventionen sinken, sinken auch die Projektrenditen. Die Wettbewerbsfähigkeit auf der Kostenseite wird immer ein zentrales Element für den Erfolg im Offshore-Windgeschäft bleiben, aber eine neue Reihe von Faktoren, die über den Angebotspreis hinausgehen, gewinnt an Bedeutung und wird darüber entscheiden, wer in der Branche gewinnt und wer verliert“, so Lassen.

Die Länder nutzen das anhaltende Verlangen der Unternehmen, um künftig verstärkt eigene Interessen durchzubringen. Wood Mackenzie macht dabei vier Faktoren aus:

Faktor lokale Wertschöpfung:

Die lokale Wertschöpfung spielt eine immer größere Rolle. Wenn die Länder schon den Meeresboden vor der Küste verpachten, dann soll auch die heimische Wirtschaft davon profitieren. Wood Mackenzie schätzt, dass bei 80 Prozent der im kommenden Jahrzehnt neuen Kapazitäten diese Politik eine Rolle spielen wird.

Beispiel USA: Die Amerikaner arbeiten seit einigen Jahren daran, eine eigene Offshore.Industrie auf die Beine zu stellen – noch bevor der erste Offshore-Windpark überhaupt steht. Zwar möchte man die Erfahrungen aus Europa und Asien nutzten, aber eben auch selbst davon profitieren. Die Folge sind verschiedene Joint Ventures mit lokalen Unternehmen, die vom Know-how der etablierten Player profitieren. Als Beispiel sei hier das Joint Venture von Ørsted und Eversource genannt. Aber auch der Jones Act fällt in diese Kategorie: Alle Schiffe für den Einsatz in US-Gewässern müssen in den USA gebaut bzw. von einem US-Besitzer gesteuert werden.

Der amerikanische Energieversorger Dominion Energy gehört zu den ersten US-Unternehmen, die über ein speziell für die Offshore-Windindustrie gebautes Spezialschiff verfügen, das dem Jones Act gerecht wird (Bild: Dominion Energy)

Faktor Systemintegration:

Offshore-Windprojekte werden künftig mit anderen Technologien und Fähigkeiten kombiniert, um weitere Teile der Wirtschaft zu dekarbonisieren. Die Kombination mit Solaranlagen, Elektrolyseuren und weiteren Technologien wird künftig zum Standard.

Beispiel Dänemark: Das Land plant in Nord- und Ostsee verschiedene sogenannte Energieinseln, die in unterschiedlichen Kombinationen Offshore-Windkraft, die Verbindung zu ausländischen Märkten, die Speicherung und Wasserstoffproduktion miteinander verbinden sollen.

Beispiel Norwegen: Das Land, das seinen Reichtum den fossilen Rohstoffen Erdöl und -gas verdankt, plant durch den Staatskonzern Equinor, diese Form der Energiegewinnung mit Offshore-Windanlagen zu kombinieren. Unter dem Namen Hywind Tampen sollen schwimmenden Offshore-Anlagen den nötigen Strom zum Betrieb der Plattformen liefern.

Wie in dieser Illustration stellt sich Equinor die Verbindung von fossilen und erneuerbaren Energien vor (Bild: Equinor)

Faktor Ökologie:

Mit größer werdender Anzahl der Projekte wächst der Druck auf die Flora und Fauna der Meere, deren Schutz nun stärker in den Fokus rückt. Während Maßnahmen wie Blasenschleier zur Dämpfung von Schallgeräuschen bei der Installation heute Standard sind, wird in künftigen Projekten noch ganzheitlicher gedacht.

Beispiel Niederlande: Die Regierung wird bei der kommenden Windkraftauktion zum Gebiet Hollandse Kust West auf innovative Ideen zum Umweltschutz achten und diese mit in das Auswahlkriterium nehmen. Die Interessenten müssen von Anfang an ein Konzept vorlegen, das solche Aspekte beinhaltet.

Ein gesundes Ökosystem - trotz Windkraft - ist das ziel (Bild: Pixabay)

Faktor Nachhaltigkeit:

Wie lassen sich die einzelnen Komponenten der Anlagen umweltfreundlicher herstellen? Kann man grünen Stahl verwenden, um eine Kreislaufwirtschaft in Gang zu setzen? Auch das Thema der Wiederverwertbarkeit bekommt größere Bedeutung. Was geschieht mit den Anlagen, nachdem sie das Ende ihrer Lebensspanne erreicht haben? Gibt es Rückbau- und Recyclingmaßnahmen?

Beispiel Industrie: In den letzten Monaten haben verschiedene Anlagenhersteller Fortschritte auf dem Gebiet des Recyclings vermeldet, darunter Vestas und Siemens Gamesa.

Wie kann man die Komponenten besser recyclen? Gerade das Rotorblatt ist bislang eine Herausforderung für die Unternehmen (Bild: Vestas)

Chris Seiple, stellvertretender Vorsitzender für Energy Transition bei Wood Mackenzie, führt die Bedeutung dieser Faktoren weiter aus: „Um erfolgreich zu sein, müssen Investoren in der Lage sein, die wichtigen Kriterien in jedem Markt zu antizipieren, über die Fähigkeiten und Fertigkeiten verfügen, diese Kriterien auszuführen und zu erfüllen, und die Kompromisse und Synergien zwischen ihnen verstehen.“ Denn schon jetzt ist klar, dass nicht jedes Land jeden dieser Faktren gleich stark bewerten wird.

Auch Giles Dickson, CEO von WindEurope, zeigt sich überzeugt: „Kriterien, die nicht nur auf Preisauktionen beruhen, werden den Mehrwert anerkennen, den die europäische Windindustrie über das bloße Angebot von billigem Strom hinaus bietet. […] Es geht nicht nur um den Preis. Es ist gut, dass die EU die Verwendung von nicht-preislichen Kriterien genehmigt hat. Jetzt ist es an den Regierungen, sie zu nutzen – und zwar klug zu nutzen.“

Autor:
Katrin Radtke
Email:
presse@windmesse.de
Keywords:
Offshore, Windkraft, Windpark, Turbine, Anlage, Faktor, Auktion, Regierung, Land, Ausbau, Investition, Strom, grün, Wasserstoff, Ökologie, Wood Mackenzie, Industrie
Windenergie Wiki:
Giles Dickson, Dekarbonisierung, Ausschreibungen



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