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Großbritannien: Regierung plant direkte Investitionen in Atomenergie
Seit der Entscheidung für den Brexit geht es in Großbritannien drunter und drüber. Neueste Entwicklung: Die britische Regierung der konservativen Partei unter Theresa May plant offenbar, einen Jahrzehnte alten Grundsatz der britischen Politik über den Haufen zu werfen. Bislang galt es als Tabu, Steuergelder direkt in Kernkraftprojekte zu investieren.
Doch damit könnte bald Schluss sein, wie der Staatsminister für Wirtschaft, Energie und Industriestrategie Greg Clark am Dienstag verkündete. Demnach gibt es in der Regierung Überlegungen, sich an dem auf der Insel Anglesey in Wales geplanten Neubau des Kernkraftwerks Wylfa Newydd mit mehr als 5 Milliarden Pfund zu beteiligen. Erste Verhandlungen mit dem japanischen Mischkonzern Hitachi, der die Baurechte für das AKW besitzt, seien erfolgreich verlaufen, auch wenn noch keine endgültige Entscheidung getroffen wurde. "Für dieses Projekt wird die Regierung neben Hitachi und den japanischen Behörden Direktinvestitionen in Betracht ziehen," so Clark laut Guardian.
Diese Entscheidung markiert einen bedeutenden Wandel in der britischen Energiepolitik hin zu expliziten staatlichen Investitionen in Energieprojekte, was den ohnehin durch staatliche Eingriffe bereits stark verzerrten Energiemarkt der Insel weiter belasten dürfte. In Zeiten, in denen Solar- und Windenergie auf einem Preisniveau mit fossilen Energieträgern agieren können, kommt diese Wende mehr als überraschend.
Vor allem Vertreter aus der Branche der Erneuerbaren zeigten sich von der Ankündigung entsetzt. So sagte Chris Hewett, CEO der Solar Trade Association (STA): "Als Hinkley Point C [Anmerkung: Sich im Bau befindliches britisches AKW] vor drei Jahren grünes Licht erhielt, haben wir darauf hingewiesen, dass die britische Solarindustrie bereits sauberen Strom zum halben Preis liefern kann. Seitdem sind die Solarpreise weiter gesunken und die Speichertechnologie kommerzialisiert sich rasant. Heute kann Solar in Kombination mit Energiespeicherung kostengünstig und flexibel Strom liefern und gleichzeitig einen intelligenten Energiepfad unterstützen, wie die eigenen Analysen der Regierung zeigen. Dadurch können Verbraucher Milliarden von Pfund einsparen.“
Die Preise für Solar und Wind sind in den letzten Jahren stark gesunken (Bild: Katrin Radtke)
Der Solarverband moniert, dass die Ankündigung zu einer Zeit kommt, in der die Solarindustrie seit mehr als drei Jahren auf den Zugang zu wettbewerbsfähigen britischen Auktionen für sauberen Strom wartet, in denen sie Strom zum Großhandelspreis anbieten kann. Gleichzeitig wurde der Bau von Solaranlagen auf Lagerhallen und Fabriken durch lähmende Leitzinserhöhungen blockiert, obwohl diese Anlagen keine staatliche Förderung mehr benötigen. Investitionen in Kernkraft stellen in Zeiten des raschen technologischen Wandels durch Erneuerbare, Digitalisierung und Speicherung ein viel höheres wirtschaftliches Risiko dar.
Laut STA sind die Kosten für Solarstrom in Großbritannien seit 2014 um ca. 20% pro Jahr auf ca. £50-55/MWh gesunken. Wie verschiedene Medien berichten, wurde für die 60-jährige Laufzeit der geplanten Atomanlage dagegen ein Preis von 77,50 Pfund mit Horizon Nuclear Power vereinbart.
Die Überlegungen der Regierung dürften erneut Unruhe in Großbritannien verursachen. Die unklare wirtschaftliche Lage nach dem Brexit sowie dringend benötigte Investitionen u.a. in den Gesundheitsbereich des Landes stehen Milliarden an Pfund gegenüber, die in eine Technologie investiert werden sollen, die definitiv nicht mehr zu den preiswertesten Möglichkeiten auf dem Energiemarkt gehört. Von den Risiken der Kernkraft im Allgemeinen ganz abgesehen.
- Autor:
- Katrin Radtke
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- Keywords:
- Großbritannien, UK, AKW, Kernkraft, Investition, Regierung, Brexit, Theresa May, Hitachi, Hinkley Point C, Solar, Wind
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