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Neuer Besitzer, alte Tugenden: SSB Wind Systems im Windmesse-Interview
Windmesse hat dies zum Anlass genommen, mit Helmut Reinke, Director Sales und Marketing von SSB Wind Systems, darüber zu sprechen, was die Gründe für den Verkauf waren und was sich seitdem im Unternehmen geändert hat.
Windmesse: SSB Wind Systems kann bereits auf lange Jahre Erfahrung im Bereich der Windenergie zurückblicken. Wie sahen die Anfänge aus?
Helmut Reinke: SSB Wind Systems selbst ist ein Unternehmen, das aus der Antriebstechnikbranche kommt und 1970 am Standort Salzbergen gegründet wurde. Seit 1992 sind wir auch aufgrund der örtlichen Nähe zur damaligen Tacke Windtechnik im Bereich der Windenergie aktiv. 1995 wurde von SSB Wind Systems das erste elektrische Pitchsystem für WEA entwickelt, das 1998 in Salzbergen in Serienproduktion ging. Damals gab es einen regelrechten Boom basierend auf Anlagen der 1,5 Megawatt-Klasse, die von verschiedenen Herstellern entwickelt wurde. Hierzu zählen zum Beispiel Enron Wind, die mittlerweile in GE aufgegangen sind, oder auch Senvion und Nordex. Sie alle haben einen Maschinentyp eingesetzt, für den ein elektrisches Blattverstellsystem bzw. Pitchsystem notwendig war, das wir lieferten.
Mit der Einführung des ersten EEG in Deutschland um die Jahrtausendwende vergrößerte sich der Windmarkt nochmals, was auch Auswirkungen auf SSB Wind Systems hatte.
Im Jahr 2005 stieg aufgrund der starken Ergebnisse ein Finanzinvestor bei uns ein, der das weitere Wachstum sehr positiv begleitete. 2017 folgt nun der Übergang von Emerson zur Nidec Corporation. Emerson hat beschlossen, sich zukünftig mehr auf die Prozessautomatisierung zu konzentrieren, insbesondere im Bereich der chemischen und öl-verarbeitenden Industrie. Deshalb suchte das Unternehmen für seine Motoren- und Antriebstechniksparte eine strategische Alternative und fand diese in der Nidec Corporation. Das betrifft nicht nur SSB Wind Systems, sondern zum Beispiel auch die Geschäftseinheit Control Techniques, einen weltweit führenden Hersteller von Frequenzumrichtern.
Die Nidec Corporation ist ein japanischer Hersteller von Elektromotoren mit Hauptsitz in Kyoto, die u.a. verschiedene elektronische und optische Komponenten, Industrieroboter, Messgeräte, Bearbeitungsmaschinen und Wasserpumpen herstellt. Wie passt das mit SSB Wind Systems zusammen?
Wir sehen starke strategische Synergien mit der Nidec Corporation. Der Hauptgrund der Übernahme für die Nidec Corporation, die 1973 gegründet wurde und daher auf eine ähnlich lange Historie zurückblicken kann wie SSB Wind Systems, ist zum einen ein vergleichbarer Unternehmenshintergrund: Ursprünglich kommt Nidec aus dem Präzisionsmotorenbereich und war sehr lange vor allem in der Entwicklung von Kleinst- oder Miniaturmotoren aktiv, der immer noch ein starker Unternehmensbestandteil ist. Der Gründer, CEO und Mitinhaber von Nidec, Shigenobu Nagamori ist ein sehr wachstumsorientierter Unternehmer, weshalb er vor 15 Jahren für Nidec beschloss, auch im Segment Industriemotoren wachsen zu wollen. Das Portfolio sollte alles im Bereich der elektrischen rotierenden Antriebsmaschinen abdecken – vom Milliwattbereich bis hin zum Megawattbereich. Heute werden weltweit an 300 Standorten in 40 verschiedenen Ländern mit 110.000 Mitarbeitern Motoren und Antriebstechnologien aller Leistungsstärken von 0,2 Watt bis hoch zu 75 Megawatt gefertigt. Aber Nidec hatte zum einen in den Absatzmärkten Europa und den USA noch eine Lücke, die man durch die Akquisition schließen konnte.
Zum anderen wurde damit auch das Produktportfolio komplettiert, denn europäische Normmaschinen wurden bislang von Nidec nicht produziert. Von daher passt es gut zusammen.
Wie sehen Sie die gemeinsamen Aussichten auf dem Windenergiemarkt?
Speziell für den Windkraftbereich sehen Nidec und SSB Wind Systems gemeinsam eine Vielzahl an Möglichkeiten für ein nachhaltiges Wachstumsgeschäft. SSB Wind Systems wird in Zukunft kein reiner Lieferant von elektrischen Pitchsystemen sein, sondern sich auch im Bereich der Motoren und Generatoren deutlich breiter aufstellen können. Dadurch können wir einen größeren Kundenkreis ansprechen, sowohl in den europäischen als auch in den asiatischen Märkten. Wenn wir über amerikanische Märkte reden, muss man bedenken, dass deren Wachstum meist von Europa aus gesteuert wird, weil die großen OEMs, die auch die amerikanischen Märkte mit Windkraftanlagen beliefern, hier in Europa beheimatet sind und somit zu einem Teil ohnehin zu unseren Kunden gehören.
Helmut Reinke stand im Interview Rede und Antwort (Foto: SSB Wind Systems)
Nidec vereint eine Vielzahl an Unternehmensbereichen, die auch für die Windenergie von Interesse sind, u.a. eine Sparte, die Industrieroboter herstellt. Für Wartungsarbeiten in der (Offshore-)Windbranche ist für die Zukunft auch der Einsatz von Robotern denkbar. Findet darüber ein Austausch mit Ihnen als ‚Windexperten‘ statt oder konzentriert man sich ausschließlich auf seine Spezialgebiete?
Wir konzentrieren uns am Standort Salzbergen auf die direkte Applikation Windkraftanlage. Es gibt aber innerhalb des Konzerns starke Aktivitäten im Bereich der Robotik. In naher Zukunft wird es zu einem starken Wachstum im Bereich der Fabrikautomation kommen, das zeigen schon jetzt die Absatzzahlen für Roboter. Auch auf Konzernebene gibt es hier durchaus noch Wachstumspotenzial. Allerdings ist dieses Segment nicht unmittelbar mit unserem Geschäftsbereich verknüpft, da es sich nicht direkt um Windkrafttechnik handelt.
Wo liegen Ihre Schwerpunkte?
Wir konzentrieren uns vor allem auf die Erstausrüstung von Windkraftanlagen im Bereich elektrischer Pitchsysteme. Ergänzend hierzu werden wir zukünftig ein wesentlich breiteres Portfolio anbieten können. In diesem Zusammenhang fragen wir uns bspw. welche Motoren und Generatoren, aber auch antriebstechnische Lösungen im Frequenzumrichter-Bereich, in der Windenergie benötigt werden. Außerdem schauen wir in diesem Zusammenhang in Richtung Azimutantrieb oder auf Motoren in Lüftungssystemen. Wir haben hier im Grunde alles im Blick, was direkt mit einer Windkraftanlage zu tun hat, da wir hier noch viel Potenzial sehen.
In Deutschland wurde kürzlich auf das Ausschreibungssystem umgestellt. Wie verändert sich die Branche dadurch?
Nidec wird dafür sorgen, dass wir auch in den heute stark unter Wettbewerbsdruck stehenden Märkten weiterhin erfolgreich agieren können. Derzeit in Deutschland realisierte Windenergieprojekte erhalten eine Vergütung von ca. 7,4 Eurocent je Kilowattstunde. In der ersten Ausschreibungsrunde im Mai sind aber schon Ergebnisse erzielt worden, die bei 5,5 Eurocent lagen – das bedeutet eine Reduktion von 25 Prozent, die sich komplett durch das gesamte Projekt zieht, von der Planung über den Wegebau und die Verlegung von Kabeln, bis hin zur Windkraftanlage selbst. Überall sind Einsparungen erforderlich.
Kostenbewusstsein und Kosteneffizienz sind allerdings bei SSB Wind Systems schon immer gelebte Realität. Das haben wir auch mit Nidec als neuem Eigentümer auf unsere Fahne geschrieben. Deshalb können wir auch in preissensitiven Märkten bestehen, zumal wir uns im Bereich der Zulieferindustrie gut aufgestellt sehen und mit der zukünftigen Produktpipeline sehr wettbewerbsfähig agieren können.
- Autor:
- Windmesse Redaktion
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- Keywords:
- SSB Wind Systems, Pitch, EEG
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