2024-12-22
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Windmesse-Interview mit dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), Teil 2

Im zweiten Teil des Interviews klärt das BSH u.a. über die Auswirkungen der Offshore-Windenergie auf die Tierwelt in den Ozeanen auf und berichtet, wie der Umweltschutz im Ausland gehandhabt wird.

Der Schweinswal gilt als besonders empfindliches Säugetier. Was für Auswirkungen hat der Baulärm auf die Tiere?

Maria Boethling: Wenn man keine Vorkehrungen treffen und sich ein Schweinswal direkt neben einem einzurammenden Pfahl aufhalten würde, wäre die Druckwelle so groß, dass es zu Verletzungen bis hin zum Tod führen kann. Das lassen wir aber nicht zu. Als direkte Maßnahmen treffen wir zunächst Vorkehrungen, um die Tiere zu warnen. Das nennen wir Vergrämung. Wir machen das folgendermaßen: In der Nähe der Rammstelle verwenden wir kleine Pinger, die zum Beispiel auch in Norwegen eingesetzt werden, um Lachsfarmen vor Robben zu schützen. Die haben eine sehr kleine Reichweite von 200 bis 300 Metern. Die Signale sind zwar laut, aber nicht gefährlich für die Tiere. Die wissen dann, dass sie dort weg müssen. Mit diesen Geräten warnen wir vor, dann folgt der echte Vergrämer, der zehn Minuten später im Wasser aktiviert wird. Der sendet ein hochfrequentes Signal aus, das bei etwa 12 bis 16 kHz liegt, ein Bereich, in dem Schweinswale sehr gut hören können. Dieses Geräusch ist mit ca. 190 dB sehr laut, fast so laut wie ein Hammer. Das ist wie ein Feueralarm für den Menschen. Aus Studien wissen wir, dass sich die Tiere davon in einem Umkreis von bis zu zwei Kilometern gestört fühlen.

Zudem schreiben wir einen sogenannten Softstart vor. Das bedeutet, dass der Hammer nicht sofort mit voller Wucht auf den einzurammenden Pfahl schlagen darf, sondern erst mal mit leichter Energie. Es hängt davon ab, was gerade technisch möglich ist: Entweder läuft der Hammer zehn Minuten bei ganz niedriger Energie, die dann gesteigert wird, bis es wirklich laut ist. Oder wir machen es mit Pausen zwischen den einzelnen Schlägen: Schlag, eine Minute Pause, dann der nächste Schlag. Das ist abhängig von den technischen Möglichkeiten, denn die eine Seite ist, was sich der Naturschutz wünscht oder was wir uns am Tisch überlegen, die andere, was überhaupt praktikabel und technisch möglich ist.

Einmalig in Europa haben wir noch den Schallgrenzwert von 160 dB, der in einem Umkreis von 750m einzuhalten ist. Den kann man nur erreichen, wenn man technische Schallminderungsmaßnahmen einsetzt. Wir haben im Jahr 2009 bei alpha ventus mit ersten Versuchen in diesem Bereich begonnen. Damals wurde ein kleiner Blasenschleier beim Rammen eines Fundaments verwendet. Es war jetzt keine große Aktion, weil es nur bei einem Fundament verwendet wurde, aber die Erkenntnisse, die wir im Rahmen dieser Forschung gewonnen haben, waren wegweisend für die nächsten Parks.

Seitdem gab es immer wieder verschiedene Schallschutzmaßnahmen. Seit September 2011 sind alle Konstruktionsarbeiten in der deutschen AWZ immer mit technischen Schallminderungsmaßnahmen durchgeführt worden. Wir hatten von Anfang an Erfolge vorzuweisen: Bei Verwendung eines kleinen Rammhammers oder eines guten Blasenschleiers, konnten gute Ergebnisse erzielt und der Grenzwert eigehalten werden. Wir sind mit den Baustellen aber in immer größere Wassertiefen gewandert. Wenn man anfängt, Richtung 30 Meter Wassertiefe zu arbeiten, wird es schwierig wegen der größeren Wassersäule, in die Lärm eingetragen wird.So kam es immer wieder dazu, dass trotz der technischen Schallminderungsmaßnahmen der Erfolg nicht immer da war, den wir uns gewünscht haben.

Die Grafik von Trianel erklärt die Funktion des Blasenschleiers. Mehr Infos unter: http://www.trianel-borkum.de/de/umwelt/schallschutz-blasenschleier.html

 

Boethling: Im Jahr 2013 hatten wir dann wieder erste positive Entwicklungen, weil nicht mehr ausschließlich der Blasenschleier, also ein offenes System, zum Einsatz kam. Die offenen Systeme sind Wind und Wetter ausgesetzt, also haben wir geschlossene Systeme erprobt, die direkt am Pfahl eingesetzt werden. So ein geschlossenes System ist zum Beispiel das 'Noise Mitigation System' aus den Niederlanden von der Firma IHC. Das ist ein doppelwandiges Rohr, in dessen Inneren sich ein kleiner Blasenschleier befindet, also ein eingeschlossener, der Wind und Wetter nicht ausgesetzt ist. Damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht, sodass wir im Jahr 2014 bei drei Baustellen wiederum große Erfolge feiern konnten, obwohl eine von diesen Baustellen zunächst sehr kritisch war. Der Windpark Butendiek hat eine sehr alte Genehmigung aus der Zeit, in der noch keine Naturschutzgebiete in unseren Bereichen festgelegt waren. Aber diese Genehmigung ist rechtskräftig, die kann man nicht aussetzen. Also haben wir zusammen mit den Betreibern und den Naturschutzfachbehörden versucht, das alles so auf den Weg zu bringen, dass wir Schäden vermeiden konnten. Dazu haben wir das doppelwandige Rohr mit einem großen Blasenschleier kombiniert und Werte erzielt, die bis zu acht Dezibel unter unserem Grenzwert lagen. Das war aus unserer Sicht ein großer Erfolg.

Gleichzeitig haben wir das gleiche System mit dem doppelwandigen Rohr in einem Bereich nördlich von Borkum beim Vorhaben Borkum Riffgrund 1 verwendet. Auch da konnten wir die Grenzwerte einhalten. Beim Bau des Windparks Amrumbank West, der in 2014 etwas später als die anderen begonnen wurde, wurde eine Kombination von Methoden verwendet. Basis war hier eine deutsche Entwicklung, der sogenannte Hydrosounddämpfer, auch direkt am Pfahl eingesetzt. Dieser besteht aus einem Netz mit eingeschlossenen Blasen bzw. Schaumstoffobjekten. Das hat auch sehr gut in Kombination mit einem Blasenschleier funktioniert Die Kombination zweier Methoden ist manchmal erforderlich, weil die Pfähle und Anlagen immer größer werden und man dafür einen größeren Hammer und mehr Ramm-Energie braucht. Die Maßnahmen müssen kontinuierlich angepasst werden.

Der jeweilige Standort mit dem vorherrschenden Boden muss berücksichtigt werden: Wie sieht der Boden aus, auf dem gebaut wird? Wie ist die Wassertiefe, wie die Topographie und projektspezifisch: Welcher Anlagentyp wird verwendets, welcher Pfahldurchmesser wird eingesetzt und wie viel Stahl eingerammt? Es ist ein sehr komplexes Thema. Zur Überwachung begleiten wird die Rammungen auch immer mit Messungen. Das ist die Effizienzkontrolle.

Der Blasenschleier im Einsatz (Trianel)

 

Boethling: Da kommen zusätzlich ein paar Millionen Euro an Kosten zusammen, nicht nur durch die Schallminderungstechniken, die eingesetzt werden, sondern auch durch die Überwachung. Wir überwachen schallmesstechnisch jeden Standort, der eingerammt wird. Ich weiß nicht genau, wie viele Standorte wir heute schon haben, vielleicht sind es schon 850 Stück. Wir haben also 850 Mal mindestens drei Messungen durchgeführt. Sogenannte Hydroschallmessungen, die sind sehr kompliziert und aufwendig: Man muss die Geräte dazu am Boden absetzten und dabei sehr genau positionieren, damit man weiß, in welcher Entfernung man den Schall aufgenommen hat. Wir erfassen dadurch um die Baustelle herum durch akustische Erfassung die Klick-Geräusche des Schweinswals, um sicherzustellen, dass sich keine Tiere in der Umgebung aufhalten. Das ist bis heute sehr erfolgreich durchgeführt worden.

 

Gibt es schon Erkenntnisse darüber, wie der Schweinswal damit umgeht, dass die Parks mitten in seinem Lebensraum platziert werden? Meidet er die Gebiete nach dem Bau dauerhaft?

Boethling: Wir machen gerade die ersten Erfahrungen. Bei den Bauphasen haben wir ja schon Erfahrungen gesammelt, wir wissen, wenn wir keine Maßnahmen ergreifen, haben wir in einem Radius von 20km die Schweinswale vertrieben. Wenn wir Maßnahmen ergreifen, wird dieser Radius immer kleiner.

Jetzt sind wir gerade in einer spannenden Phase, denn die ersten Windparks sind in Betrieb gegangen bzw. gehen gerade in Betrieb. Ersten Indizien, die wir bisher haben, deuten darauf hin, dass die Tiere diesen Bereich weiterhin nutzen. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass wir haben noch kein volles Untersuchungsjahr haben und die Daten daher noch nicht vollständig sind. Wir wissen zwar noch nicht genau, ob mehr oder weniger Tiere im Gebiet sind, aber was wir wissen ist, dass Tiere da sind. Genaueres jetzt werden wir erst wissen, wenn ein oder zwei Jahre vergangen sind und wir einen vollen Datensatz ausgewertet haben.

Daan Close Up

 

Was für Auswirkungen haben Parks auf die Fische der Region?

Axel Binder: Da liegen uns auch noch nicht so viele Daten vor. In den Bauphasen, von denen wir Daten haben, mussten wir feststellen, dass es keine Auswirkungen durch die Windparks gab. Man geht auch davon aus, dass in der Betriebsphase der Park von den Fischen wieder angenommen wird. Es kann aber auch von der Fischart abhängen. Viele Fischereifachleute gehen davon aus, das die Parks eine gewisse Attraktion für Fische haben, so ähnliche wie künstliche Riffe. Bei Wracks weiß man ja, dass sich dort gerne Fische ansammeln. Das wird hier auch vermutet. Ob das über das ganze Fischartenspektrum gültig ist, wissen wir noch nicht, das werden die Untersuchungen nun zeigen.

Indirekter Effekt: Im Moment ist es so, dass die Windparkflächen nicht befischt werden dürfen. Das, so vermuten wir, wird einen gewissen positiven Effekt auf die Fischfauna haben. Aber wie sich ein Park im einzelnen auswirkt, welche Arten davon profitieren, das müssen die Untersuchungen zeigen

Das Spannende kommt jetzt erst. Wir haben zwar schon längere Zeit den Windpark alpha ventus, aber da muss man bedenken, dass es nur 12 Windräder sind und nur ein kleines Areal. Das ist nicht sehr aussagekräftig. Demnächst gehen aber mehrere Parks ans Netz, die dicht zusammen liegen, sodass wir eine große Fläche haben. Aus den Ergebnissen des Betriebsmonitorings erwarten wir natürlich die meisten Erkenntnisse.

 

Gibt es auch Auswirkungen auf die Pflanzenwelt, bzw. kleinere Lebewesen wie Krebse?

Binder: Indirekt ja. Pflanzen am Boden gibt es bei unseren Meerestiefen nicht, denn es kommt nicht ausreichend Licht dort runter. Was man noch nicht weiß ist, ob sich an den Pfählen in den oberen Bereichen, die noch lichtdurchflutet sind, Algen ansiedeln. Das muss sich zeigen.

Die Bodenlebewelt, Krebse und Muscheln zum Beispiel, profitieren von den Parks. Positiv indirekt, weil dort die Bodenfischerei wegfällt. Die Fischerei führte dazu, dass Muscheln oder Krebse mechanisch durch die Netze beschädigt wurden. Das erkennt man an den Untersuchungen in den Basisaufnahmen in der Phase, bevor etwas gebaut wurden. Man konnte dort anhand des Artenspektrums ablesen, dass dieser Bereich sehr stark fischereiwirtschaftlich genutzt wurde, weil dort nur wenige langlebige Muscheln und Krebsarten vorkamen. Die älteren Formen hatten gar keine Chance, aufzuwachsen bzw. so alt zu werden. Da könnte es nun durchaus so sein, dass innerhalb der Windparkflächen die Muscheln wieder die Chance haben, ihr Alter zu erreichen, weil sie nicht mehr mechanisch beschädigt werden. Aber inwieweit das nun positiv zu bewerten ist, muss man erst sehen.

Es gibt aber auf jeden Fall eine Änderung zum vorherigen Meer, weil sich die Lebensgemeinschaft dort etwas umstellen wird. Ob das ein positiver Effet ist, muss man sehen, denn der Naturschutz sagt manchmal, jede Änderung ist per se negativ. Da werden sich jetzt die Nahrungsketten, die aufeinander aufbauen, etwas umstellen und anpassen, denn wenn sich dort bestimmte Arten ansiedeln, ziehen diese wieder andere Fischarten an. Wie das dann dort alles im Zusammenspiel aussieht, muss man abwarten.

 

Kommen wir zur Vogelwelt: Welche Auswirkungen haben Windparks auf Rast- und Zugvögel?

Binder: Hier kommt es auf die Arten an, denn dort gibt es Unterschiede. Den Vogelzug kann man grob in zwei Phasen trennen. Einmal die Tiere, die hauptsächlich tagsüber ziehen, und dann gibt es Nachtzieher.

Bei den Tagziehern ist es so, dass es unterschiedliche Verhaltensweisen gibt. Man weiß von Enten, dass sie die Parks teilweise umfliegen, teilweise aber auch durch die Korridore durchfliegen, wenn die Anlagen in Reihen stehen. Bei den Tagziehern (Enten, Gänse, Seetaucher) handelt es sich um Tiere, die sich sehr stark visuell orientieren. Man geht davon aus, dass sie die Anlagen rechtzeitig sehen und sie umfliegen. Meistens sind es auch Arten, die auf dem Wasser landen können. Wenn es zum Beispiel einen Schlechtwettereinbruch gibt, lassen sie sich auf dem Wasser nieder und warten, bis es besser wird. Kollisionen sind aber nie ganz auszuschließen, das muss man in Kauf nehmen. Aber man weiß von Beobachtungen von dänischen Feuerschiffen aus, die über Jahrzehnte Untersuchungen gemacht haben, dass nur ganz wenige Tagzieher mit den Schiffen kollidiert sind. Das Risiko für Tagzieher ist also wahrscheinlich nicht so groß.

Luftaufnahme des Offfshore-Windparks Anholt von DONG Energy: Die Anlagen stehen in Reihen.

 

Binder: Das Problem sind die Nachtzieher. Das sind meistens Landvogelarten, die nicht auf dem Wasser landen können, sondern nonstop über den Bereich hinweg fliegen müssen. Bei ihnen ist es wetterabhängig, denn sie fliegen nur bei guten Wetterbedingungen los und haben eigentlich Flughöhen, die so hoch sind, dass sie nicht mit den Anlagen kollidieren, weil sie darüber hinweg ziehen. Das Problem ist, dass es zu Phänomen über die Saison hinweg kommt (also im Frühjahrs- und Herbstzug), insgesamt vielleicht drei bis vier Tage im Jahr, wo Folgendes geschieht: Die Vögel starten bei gutem Wetter. Das schlägt dann um und die Sicht wird schlechter. Wenn dann der Wind zunimmt, senken die Vögel ihre Flüghöhe ab, sodass das Risiko besteht, dass sie mit den Anlagen kollidieren können.

Dann gibt es noch das Phänomen des Massenzuges: D.h. wenn es eine lange Phase gab, in der das Wetter sehr schlecht war, sammeln sich immer mehr Vögel in den Küstenbereichen und warten darauf, losfliegen zu können, um in die Brutgebiete zu kommen. Dann wird jedes kleine Wetterfenster genutzt, um in sehr großen Massen alle auf einmal zu starten. Wenn dann das Wetter dann erneut umschlägt, wird es auch kritisch.

Daher haben wir angeordnet, dass solche Phasen besonders zu berücksichtigen sind. Wir haben in unseren Betriebsgenehmigungen entsprechende Abschaltoptionen verankert: Wenn diese Phasen zusammentreffen und Vogelschlag-Ereignisse zunehmen, besteht die Option, die Anlagen abschalten zu lassen.

 

Wie oft kommt das im Jahr vor?

Binder: Wir haben bisher noch keine Hinweise darauf, dass solch extreme Massenkollisionen erfolgt sind, aber man muss ein Szenario entwickeln, wie man das dann durchführt. Ist es technisch möglich, auf einen Schlag 10.000 MW aus dem Netz zu nehmen? Dazu muss ein Alarmplan entwickelt werden, was wir gemeinsam mit dem BMUB tun.

Boethling: Wenn das Wetter sehr schlecht ist, werden die Anlagen aber ohnehin abgeschaltet.

Binder: Das ist ein Vorteil für die ziehenden Vögel bei schlechtem Wetter wie Nebel, denn meist haben wir dann auch keinen starken Wind, sodass sich die Anlagen ohnehin nicht stark drehen.

Der Vogelzug in der Nordsee ist dadurch charakterisiert, dass die Vögel im Breitfrontzug rüberfliegen, d.h. man hat keine richtigen Korridore. Das sieht in der Ostsee anders aus, dort gibt es richtige Zugstraßen. Wir haben einen Park in der Nähe der Zugstraße der Kraniche, da haben wir als besondere Maßnahme in der Zeit, in der der Kranich in besonders starken Zahlen zieht, einen extra Kranichbeobachter. Der muss im Bedarfsfall, wenn die Kraniche in den Gefahrenbereich der Rotorblätter kommen, die Anlagen abschalten. Wir sind da noch dabei, Konzepte zu entwickeln. Man weiß von Kranichen aber zum Beispiel auch, dass sie sich Hindernisse merken können. Im Landbereich hat man gesehen, dass wenn auf einmal ein neues Vertikalhindernis vorhanden ist, die Vögel im nächsten Jahr schon weit vor dem Hindernis nach oben steigen und sich darauf einstellen. Das sind alles Erfahrungen, die man erst noch sammeln muss.

 

Es gibt also auch Unterschiede zwischen Nord- und Ostsee?

Boethling: Ja, definitiv. Es sind zwei völlig unterschiedliche Ökosysteme. Genau wie es Unterschiede in Bezug auf Wassertiefe und Topographie gibt, gibt es auch Unterschiede bei Tier- und Pflanzenwelt. In der Ostsee haben wir zum Beispiel Bereiche mit Wassertiefen von 10 Metern, wenn man an die Oderbucht oder Pommersche Bucht denkt. Da fühlen sich die Meeresenten besonders wohl, da sie zur Nahrungssuche bis zu 10 Meter tief tauchen können.

 

Stören die Lichter der Befeuerungsanlagen die Vögel auch?

Binder: Es gibt unterschiedliche Effekte, je nach Wetterlage. Bei klarer Sicht, auch nachts, werden die Vögel davon nicht sehr beeinträchtigt. Anders ist es bei Schlechtwetter: Gerade wenn die Sicht schlecht wird, werden Vögel vom Licht angezogen. Es gibt aber auch einige Arten, die davon verscheucht werden, man weiß es nicht so ganz genau. Aber gerade bei Schlechtwetter geht man von einer anziehenden Wirkung aus. Es gab daher viele Forschungsprojekte, um die unterschiedlichen Lichtspektren und ihre Auswirkungen auf die einzelnen Vogelarten zu testen.

Wir haben da aber noch ein anderes Problem: Die Luft- und die Schifffahrt, wo es rechtliche Rahmenbestimmungen gibt, wie die Anlagen zu beleuchten sind. Es gibt Mindestanforderungen, da ist der Spielraum nicht allzu groß: So wenig Licht wie möglich ist die generelle Marschrichtung. Man versucht die Lichtemissionen so weit es geht einzuschränken.

 

Wie sehen derzeit die Perspektiven in der Forschung aus? Was für Forschungsvorhaben laufen aktuell zum Beispiel im Bereich der Gründungsstrukturen?

Boethling: Im Prinzip wird seit Jahren auf diesem Gebiet geforscht. Wir hatten zum Beispiel die Genehmigungen für zehn Schwerkraftfundamente vergeben. Das war im Jahr 2010, allerdings ist die Entwicklung nicht nachgekommen. Eine Firma hatte da schon viel Zeit aufgebracht, konnte sie aber nicht zur Realisierung bringen.

Der Gründungstyp Suction Bucket Jacket, bei dem keine Rammung erforderlich ist, wurde jetzt erstmalig genutzt. Vor ein paar Tagen wurde die Anlage draufgestellt. Es bleibt jetzt abzuwarten, wie es sich im Betrieb verhalten wird. Für uns war die Errichtung des Suction Bucket Jacket natürlich sehr erfreulich, denn wir hatten keine Schallemissionen. Optimal. Aber jetzt folgt die Pfahlprobenbelastung. Ob dieser Fundamenttyp wirklich geeignet ist, muss sich jetzt zeigen. Man darf nicht vergessen: Es ist die erste Anlage, die bis zu ihrer Reife erprobt werden muss. Wir setzen große Hoffnungen darauf, aber es dauert mindestens drei Jahre, um genug Daten zu haben.

Das Suction Bucket Jacket von DONG Energy

Boethling: Es hat auch jahrelange Forschungen im Bereich der eingebohrten Fundamente gegeben, aber die Methode ist auch nicht zu einer solchen Reife gekommen, dass sie eingesetzt werden konnte. Von einer Konferenz in Berlin habe ich mitgenommen, dass RWE Forschung mit einvibrierten Fundamenten betreibt, aber auch das ist noch ein langer Weg, von dem man nicht weiß, ob es zur Serienproduktion reichen kann. Es gibt auch neue Ideen, die noch in den Kinderschuhen stecken. Wir beobachten aber, dass die Industrie sensibilisiert und auf einem guten Weg ist, neue Installationsmethoden zu entwickeln.

Was im Moment realisiert werden kann, sind aber nur die Tiefgründungen mit Rammung. Das wird auch in den nächsten Jahren noch so bleiben. Das ist die Realität, mit der wir leben müssen. Daher aber auch die Anstrengungen, wenn es schon keine Alternativen gibt, wenigstens die technischen Schallminderungsmaßnahmen einzusetzen und weiter zu entwickeln.

 

Ist es denkbar, den Grenzwert von 160 dB irgendwann noch weiter abzusenken, wenn es gelingt, diesen Wert dauerhaft zu unterschreiten?

Boethling: Man muss zunächst erst erforschen, ob das für den Schweinswal überhaupt relevant ist. Das Phänomen, das wir bei all den Rammungen beobachten, gerade wenn die Fundamente größer werden, ist, dass sich der entstehende Schall in sehr tiefen Frequenzen bewegt. Das ist aber ein Bereich, in dem der Schweinswal nicht gut hören kann. Wenn wir ihn vorwarnen, Schallminderung einsetzen und die Druckwellen wegnehmen, bleibt die Frage, ob es sinnvoll ist, die Grenzwerte noch weiter nach unten zu setzen. Als wir den Grenzwert gesetzt haben, hatten wir erste Anzeichen aus der Forschung, dass bei 165dB eine temporäre Hörschwellenverschiebung des Wals eintritt. Wir wollten aber dem Vorsorgeprinzip treu bleiben, also sind wir nicht von dem Wert 165dB ausgegangen, sondern gleich auf 160dB runtergegangen. Die Akustiker sagen, dass 3dB fast eine Verdopplung der Energie im Wasser bedeutet., Durch das Herabsetzen des Wetes auf 160 dB haben wir also eine zusätzliche Maßnahme ergriffen. Wir müssen aber abwarten, was uns die Untersuchungen des Schweinswalverhaltens zeigen werden.

Denn wir müssen schauen, ob es zu einem Meideverhalten oder sogar zu Habitatverlusten kommt und ob diese nur temporär oder dauerhaft sind. Da hat die biologische Forschung noch viel Arbeit vor sich.

 

Schwimmende Fundamente waren bisher in Deutschland noch kein Thema?

Binder: Doch, wir hatten eine Genehmigung für ein schwimmendes Fundament vergeben. Das ist aber aufgegeben worden, weil die Wassertiefe hier wohl zu gering war. Die Windkraftanlage war ein Halbtaucher, der zu einem Drittel unter Wasser stand. Sie sollte an drei Fundamenten, die auf dem Boden abgelegt wurden, mit Drahtseilen verankert werden, aber es ließ sich nicht realisieren, weil das Wasser zu flach war. Es gibt wohl einige Erdölplattformen, die das einsetzen, aber erst in 400m Wassertiefe.

Boethling: Ich kenne einen Versuch in Norwegen, die Hywind-Anlage. Das Experiment läuft schon seit Jahren, aber deren erste Anlage war umgekippt und wir reden hier von etwa 250m Wassertiefe. Diese Tiefe haben wir bei uns nicht.

Wir haben vor ein oder zwei Jahren gehört, dass ein Schwimmfundament in der Ostsee in der Entwicklung war, allerdings als eingerammtes Schwimmfundament. Ein reines Schwimmfundament lässt sich in 40m Wassertiefe nicht realisieren, es sei denn, man setzt eine Minianlage drauf. Das letzte, was ich zum dem Thema aus Mecklenburg-Vorpommern von der Behörde gehört habe, war, dass sie noch nicht genehmigungsfähig waren. Das ist nichts für küstennahe Bereiche

Binder: Aber wenn sie ohnehin gerammt werden sollen, frage ich mich, wo der Nutzen sein soll.

 

Blicken wir ins Ausland. Haben andere Länder ähnliche Maßnahmenkataloge wie Deutschland?

Boethling: So einen Grenzwert hat im Moment kein anderes Land. Es gibt gelegentlich Empfehlungswerte, die aber 20dB über unserem Wert liegen und nicht verpflichtend sind.

Andere Länder haben aber durchaus auch Maßnahmen, die aber anders aussehen, weil die Natur anders ist. Zum Beispiel haben die Niederlande eine Art zeitliche Restriktion: Von Januar bis Ende Juni sind angrenzend an Deutschland keine Rammungen erlaubt. Das Hauptproblem dort ist der Fischlaich, da die Parks sehr küstennah sind und im Laichgebiet liegen. Außerdem gibt es dort eine große Kolonie von Heringsmöwen, die in der Brutzeit den Fischlaich nutzen, um sich davon zu ernähren. Das ist das primäre Ziel der Einschränkung. Sekundäres Ziel ist der Schweinswal, denn die Niederländer nehmen auch Rücksicht auf unser Natura2000-Schutzgebiet, auf das deutsche Schutzgebiet.

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Heringsmöwen nutzen den Fischlaich als Nahrung

 

Boethling: Ähnliche Maßnahmen gibt es auch in Großbritannien, dort sind die Windparks auch sehr küstennah und liegen im Fischlaichbereich. Der Windpark Sheringham Shoal liegt zum Beispiel im Heringslaichgrund. Sie haben auch eine Restriktion über drei oder vier Monate in der Laichzeit des Herings. Ähnliche Restriktionen hat auch Schweden aufgrund der Laichgründe des Dorschs.

Aber im Ausland gibt es auch andere Maßnahmen: Zum Beispiel wird in Großbritannien mit 'Marine Mammal Observern' gearbeitet. Vor und während der Rammung werden Biologen mit entsprechender Erfahrung und Ausbildung eingesetzt, um die Wale zu beobachten. Das ist eine Maßnahme, die wir nicht übernommen haben, weil wir hier nur den Schweinswal haben. Delfine sind bei uns eher Gäste, genau wie große Tümmler. Einen Schweinswal kann man aber so leicht nicht erkennen, dazu braucht man glatte See.

Binder: Visuell kann man die Wale auch nur tagsüber erfassen. Bei uns sind die Nächte aber immer windärmer als die Tage, sodass 70 Prozent der Rammungen nachts stattfinden. Daher haben wir die Sinnhaftigkeit des Mammal Observers bei uns in Frage gestellt.

Boethling: Um Missverständnissen vorzubeugen: Das gilt nur bei uns in der Deutschen Bucht. In Großbritannien macht es definitiv Sinn, denn dort gibt es Delfine, die groß und verspielt sind und permanent zu sehen sind. Dort gibt es auch große Wale, die vorbeiziehen, etwa Killerwale oder Zwergwale. Da sind die Maßnahmen also etwas abweichend. Und wir wissen, dass in den Niederlanden im Moment eine Diskussion darüber stattfindet, was man noch von uns übernehmen kann.

 

Gibt es Bestrebungen der deutsche Regierung, in der EU durchzusetzen, für alle Länder ähnliche Maßnahmen festschreiben zu lassen?

Boethling: Es gibt die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie, die sich u.a. mit dem Thema Lärm auseinandersetzt und sich mit zwei Indikatoren beschäftigt: Der erste ist impulshafter Schall, z.B. der der Rammschall. Der zweite ist Dauerschall, wie Schiffsverkehr. Die gemeinsame Maßnahme sieht im Moment so aus, dass man beschlossen hat, ein sogenanntes Schallregister für impulshaften Unterwasserschall aufzubauen. Dort werden alle Schallgeräusche in einem zentralen Register gesammelt, d.h. alle müssen melden, wer an welchem Tag welchen Impulsschall produziert hat. Das ist sinnvoll, weil wir uns einen Überblick verschaffen können, welche Arbeiten wann genau durchgeführt wurden. Dadurch, dass fast alle Länder Überwachungsmaßnahmen bzw. nationale Monitoringprogramme haben, hoffen wird dies in Einklang zu bringen. In Deutschland ist das BSH für die Einführung des Schallregisters zuständig.

 

Also fand bisher kein Austausch der Schallmessungen statt? Schließlich sollte doch allen Staaten daran gelegen sein, die Natur mit entsprechenden Maßnahmen zu schützen.

Boethling: Die Genehmigungsverfahren sind natürlich von jedem Staat selbst zu regeln, dort hat auch jeder andere Maßnahmen, teilweise auch sehr kompliziert wie in Großbritannien, wo die Genehmigungen von vielen kleinen Einzelbehörden abhängen. Aber man darf auch nicht vergessen, dass Unterwasserlärm, anders als Temperatur oder Salzgehalt, etwas Neues ist. Deshalb gibt es auch noch keine standardisierte Methode, um Dauerschall zu messen. Obwohl viele wollen, dass die Schiffe leiser werden, gibt derzeit keine standardisierte Methoden, um den Schall überhaupt zu erfassen. Das erste, was man braucht, um überhaupt Maßnahmen ergreifen zu können, sind Informationen wie ein Schallregister. Ich glaube, dass wir da in Europa Hand in Hand auf einem sehr guten Weg sind.

Autor:
Katrin Radtke
Email:
kr@windmesse.de
Windenergie Wiki:
Windpark, Offshore, MW, Jacket



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