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Offshore-Windenergie im Zusammenspiel von Technik und Umweltschutz
Im vergangenen Jahr hat die deutsche Offshore-Windenergiebranche endlich den großen Durchbruch geschafft und die wichtige Marke von einem Gigawatt ins Netz eingespeister Leistung geknackt: Zum 31. Dezember 2014 produzierten laut BWE in der deutschen Nord- und Ostsee insgesamt 258 Offshore-Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 1.049,2 MW Strom. Auch die nähere Zukunft sieht rosig aus: Weitere 488 Anlagen sind entweder bereits errichtet und warten auf den Netzanschluss oder werden in den kommenden Monaten auf die Fundamente gestellt.
Damit beginnt auch ein neuer Abschnitt in der Erforschung der Auswirkungen von Offshore-Windkraftanlagen auf die Natur. „Vorerfahrungen aus der deutschen Nord- und Ostsee gab es nicht, denn wir hatten vorher nur eine einzige Gasplattform. Als die Plattform in den 1980er Jahren als Einzelbauwerk genehmigt wurde, gab es noch keine Standarduntersuchung“, erklärt Dr. Maria Boethling, Biologin vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH). Anfang 2000 gingen die ersten Anträge auf Baugenehmigungen für Offshore-Windparks beim BSH ein. „Es stellten sich sehr viele Fragen zu den konkreten Auswirkungen des Baus und Betriebs von Offshore Windparks auf die Meeresumwelt“, so Boethling. Das Bundesumweltministerium initiierte daher bei der Einführung der Offshore-Windenergie eine ökologische Begleitforschung, die die Einflüsse der Offshore-Technologie auf die maritime Umwelt untersuchen und Ansätze zur Minimierung der negativen Auswirkungen entwickeln sollte.
Bereits ein knappes Jahr später erschien die erste Version des 'Standard – Untersuchung der Auswirkungen von Offshore-Windenergieanlagen auf die Meeresumwelt', heute nach der derzeitigen Auflage kurz StUK4 genannt. Allerdings basieren Teile der ökologischen Bewertungen nur auf Prognosen. In den kommenden Monaten wird sich nun anhand der Daten aus den sich im Betrieb befindlichen Parks zeigen müssen, ob die bisherigen Schutzmaßnahmen ausreichen oder ob nachgebessert werden muss.
„Onshore-Windparks kann man nur sehr bedingt heranziehen, weil die Verhältnisse vom Land nicht auf das Meer übertragbar sind. Zugvögel zum Beispiel haben an Land andere Verhaltensweisen. Jetzt beginnt also auch für uns die entscheidende Phase, weil wir erste Parks haben, die in Betrieb gehen. Wir können nun schauen, ob unsere Prognosen zutreffend sind“, erläutert Axel Binder, der beim BSH als Diplombiologe im Referat Ordnung des Meeres im Sachgebiet Umweltprüfung tätig ist.
Da in Deutschland, anders als in anderen Ländern, die Betreiber der Parks für die Kosten der Untersuchungen aufkommen müssen, war es wichtig, schnell Standards zu entwickeln, um eine Vergleichbarkeit herzustellen. Dabei handelt es sich immerhin um Größenordnungen von 15 bis 20 Millionen Euro.
Das führte unter anderem dazu, dass im Jahr 2008 ein Grenzwert für Rammschall eingeführt wurde – ein weltweit bislang einmaliger Vorgang. Seitdem dürfen in 750m Entfernung zur Rammstelle nicht mehr als 160 Dezibel Lärm gemessen werden. Vorrangiges 'Schutzgut' dieser Maßnahme ist der hier heimische und stark gefährdete Schweinswal, der über ein sehr empfindliches Gehör verfügt. „Wenn man keine Vorkehrungen treffen und sich ein Schweinswal direkt neben einem einzurammenden Pfahl aufhalten würde, wäre die Druckwelle so groß, dass es zu Verletzungen bis hin zum Tod führen kann“, beschreibt Boethling die Auswirkungen der Rammarbeiten.
Schweinswale verfügen über ein sehr empfindliches Gehör
Die Windparkbetreiber müssen daher umfangreiche Schutzmaßnahmen treffen, bevor sich die Fundamente in den Meeresboden rammen dürfen: Zunächst werden sogenannte Pinger ins Meer gelassen, die Geräusche aussenden, die den Wal kurzzeitig aus der Region vertreiben. Anschließend kommen weitere Vergrämer zum Einsatz. Je nach technischer Machbarkeit starten die Rammarbeiten mit einem Softstart, d.h., dass der Hammer zunächst nicht mit voller Wucht auf den Pfahl schlagen darf, sondern die Rammbewegung langsam gestartet und dann immer schneller wird.
Zusätzlich kommen umfangreiche Schallminderungsmaßnahmen zum Einsatz, die mit fortschreitender Technik immer bessere Ergebnisse erzielen. Im letzten Jahr gab in deutschen Gewässern drei Baustellen, bei denen überall der Schallgrenzwert von 160 dB eingehalten und teilweise sogar um bis zu 8 dB unterschritten wurde. Dabei reicht der bekannte Große Blasenschleier alleine oftmals nicht mehr aus, denn mit zunehmender Wassertiefe besteht die Gefahr, dass die Luftblasen aufgrund der Strömung verdriften. Aus diesem Grund werden immer häufiger geschlossene Systeme eingesetzt, häufig auch Kombinationen aus verschiedenen Methoden. So ein geschlossenes System ist zum Beispiel das 'Noise Mitigation System' der Firma IHC aus den Niederlanden. Dabei handelt es sich um ein doppelwandiges Rohr direkt am Pfahl, in dessen Inneren sich ein kleiner, eingeschlossener Blasenschleier befindet. Beim Bauvorhaben Amrumbank West kam dagegen der Hydrosounddämpfer in Kombination mit einem Blasenschleier zum Einsatz. „Die Kombination ist manchmal erforderlich, weil die Pfähle und Anlagen immer größer werden, man braucht also einen größeren Hammer und mehr Ramm-Energie. Die Maßnahmen müssen kontinuierlich angepasst werden“, erläutert Boethling das Vorgehen.
Neue Entwicklungen wie das 'Suction Bucket Jacket' von DONG Energy könnten in Zukunft Abhilfe schaffen. Dabei handelt es sich um eine dreibeinige Gründungsstruktur, die mittels Ansaugverfahren im Boden verankert wird. Andreas Wagner von der Stiftung Offshore-Windenergie erläutert die Vorteile: „Das Fundament wird in einem einzigen Hub- und Montagevorgang installiert und Rammarbeiten werden vermieden, sodass die Installation wesentlich geräuschärmer erfolgt. Dieser Gründungstyp wird zwar seit rund 20 Jahren in der Öl- und Gasindustrie eingesetzt, allerdings wird er nun erstmalig für eine Windenergieanlage getestet.“
Das sogenannte Suction Bucket Jacket von DONG Energy (Foto: DONG)
Ob die Windparks auch nach Abschluss der Bauarbeiten Auswirkungen auf den Schweinswal haben, muss sich erst noch zeigen. Bisher liegen noch keine vollständigen Datensätze vor, da die Parks noch nicht lange genug in Betrieb sind. Erst in zwei bis drei Jahren wollen die Wissenschaftler dann genügend Daten gesammelt und ausgewertet haben. Aber „die ersten Indizien, die wir bisher haben“, so Boethling, „deuten darauf hin, dass die Tiere diesen Bereich weiterhin nutzen.“
Ähnlich sehen derzeit die Prognosen zu den Auswirkungen auf die vorhandene Fischwelt aus. Durch die Hektik beim Bau lassen sich die Fische offenbar nicht stören – nach Abschluss der Bauarbeiten kann sogar ein Anstieg der Vorkommen beobachtet werden. Hier wird auch ein Zusammenhang mit dem Fischereiverbot innerhalb der Parkflächen vermutet, „es kann aber auch von der Fischart abhängen. Viele Fachleute gehen davon aus, das die Parks eine gewisse Attraktion haben, ähnlich wie Wracks. Bei Wracks weiß man, dass sich dort gerne Fische ansammeln“, so Axel Binder. Wagner ergänzt: „Insgesamt konnte eine Zunahme der Artenvielfalt beobachtet werden. Auch eine erhöhte Anzahl an Fischen wurde beobachtet. Für viele Fischarten bieten die Anlagen ideale Habitatbedingungen und Fressgründe.“
Auch auf die Bodenlebewelt haben die Windparks anscheinend positive Auswirkungen: Durch die industrielle Fischerei sind viele Krebse und Muscheln in Nord- und Ostsee mechanisch durch die Netze beschädigt worden, sodass in einigen Bereichen nur noch wenige ältere Tiere vorkommen. Da sie in den Parks sicher vor Schleppnetzen sind, könnte sich dort der Bestand erholen.
Ein weiteres Thema, das gerade in der Öffentlichkeit immer wieder kontrovers diskutiert wird, sind Schäden durch Vogelschlag, denn Nord- und vor allem Ostsee liegen auf dem Weg Tausender Zugvögel. Weniger Probleme mit den Hindernissen haben dabei die Tagzieher. „Bei den Tagziehern (Enten, Gänse, Seetaucher) handelt es sich um Tiere, die sich sehr stark visuell orientieren. Man geht davon aus, dass sie die Anlagen rechtzeitig sehen und sie umfliegen. Meistens sind es auch Arten, die auf dem Wasser landen können. Wenn es zum Beispiel einen Schlechtwettereinbruch gibt, lassen sie sich auf dem Wasser nieder und warten, bis es besser wird“, erklärt Binder die Besonderheiten.
Probleme mit den Anlagen haben eher die Nachtzieher – Landvogelarten, die nicht auf dem Wasser landen können und nonstop über das Meer hinweg fliegen müssen. Ist das Wetter gut, fliegen sie so hoch, dass die Anlagen kein Problem darstellen. Ist das Wetter allerdings schlecht und die Sichtweite geringer, senken sie ihre Flughöhe ab und können in den Turbinen enden. Aus diesem Grund gibt es in den Betriebsbestimmungen für die Windparks die Option, dass die Anlagen bei bestimmten Wetterlagen abzuschalten sind.
„Das Kollisionsrisiko lässt sich durch geeignete Beleuchtungsstrategien erfolgreich vermindern”, sagt Wagner. Dabei muss aber wiederum Rücksicht auf Luft- und Schifffahrt genommen werden, denn generell soll so wenig Licht wie möglich auf dem Meer zu sehen sein. Zu viel Licht wiederum könnte auch Vögel anziehen, wie Maria Boethling betont: „Es ist bei Schiffen genauso: Wenn man sich auf einer Fähre aufhält oder auf einem Forschungsschiff, findet man morgens immer tote Vögel an Deck, Rotkehlchen zum Beispiel, gerade in der Zugzeit. Die fühlten sich vom Licht angelockt. Das lässt sich auch bei Ölplattformen weit draußen im Meer beobachten.“
Zugvögel kreuzen die Meere
Die Bestimmungen zum Schutz der verschiedenen Tierarten sind dabei von Land zu Land unterschiedlich und richten sich meist nach den Begebenheiten vor Ort. In den meisten europäischen Ländern stehen die Windparks – anders als in Deutschland – sehr viel dichter an der Küste und damit mitten in den Laichgebieten der Fische. Das führt dazu, dass es zum Beispiel in den Niederlanden ein Verbot der Rammarbeiten zwischen Januar und Juli gibt, um den Fischbestand zu schützen. Gleichzeitig wird dadurch auch Rücksicht auf die große Kolonie der Heringsmöwen genommen, die an der holländischen Küste angesiedelt ist.
In Großbritannien werden während der Bauarbeiten der Parks zusätzlich sogenannte 'Marine Mammal Observer' eingesetzt. Dabei handelt es sich um speziell ausgebildete Biologen, die während der Rammarbeiten in der Umgebung der Baustelle nach Walen Ausschau halten. „Das ist eine Maßnahme, die wir nicht übernommen haben, weil wir hier nur den Schweinswal haben“, erläutert Boethling. „Delfine sind bei uns eher Gäste, genau wie große Tümmler. Einen Schweinswal kann man aber so leicht nicht erkennen, dazu braucht man glatte See.“ Binder ergänzt: „Visuell kann man die Wale auch nur tagsüber erfassen. Bei uns sind die Nächte aber häufig windärmer als die Tage, sodass 70 Prozent der Rammungen nachts stattfinden. Daher haben wir die Sinnhaftigkeit des Mammal Observers bei uns in Frage gestellt.“
Obwohl der Grenzwert für Schall bisher nur in Deutschland eingeführt wurde, wird die europäische Zusammenarbeit auf diesem Gebiet nun gestärkt. So könnte in Europa ein Schallregister eingeführt werden, in das alle beteiligten Länder schallintensive Arbeiten eintragen. So hofft man für die Zukunft, noch besser erforschen zu können, welche Auswirkungen die Offshore-Industrie auf die Umwelt hat. Auch kommt der deutsche Standard im Ausland zum Einsatz, etwa in Frankreich, wo man ihn übersetzt hat. In den Niederlanden finden derzeit Diskussionen darüber statt, welche Teile des Werks man in die eigenen Bestimmungen aufnehmen könnte. „Ich glaube, dass wir da in Europa Hand in Hand auf einem sehr guten Weg sind“, unterstreicht Maria Boethling die Bedeutung der Zusammenarbeit.
- Autor:
- Katrin Radtke
- Email:
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