Meldung von Windmesse.de
Zum Branchenprofil von
Immer mehr, immer schneller: Ökostrom-Boom erfasst Global Player
Dass in erfolgreichen, global agierenden Konzernen helle Köpfe sitzen müssen, liegt in der Natur der Sache. Endlich haben diese Menschen aber auch erkannt, dass der Klimawandel Realität ist und wir die Energiewende brauchen. Nicht anders ist es zu erklären, dass in den vergangenen Wochen immer mehr Konzerne ambitionierte Projekte verkünden, um auf erneuerbare Energien umzusteigen. Fast könnte man meinen, das es sich um ein Wettrennen handelt: Wer erreicht schneller höhere Ziele? Wer kann die besseren Zahlen präsentieren? Wem gelingt zuerst der Umstieg auf 100% Erneuerbare? Vor allem die Stromfresser aus der IT-Branche, die mit ihren riesigen Rechenzentren teilweise so viel Strom wie eine Kleinstadt verbrauchen, haben nun ihr Interesse an grünem Strom entdeckt.
Das liegt zum einen sicherlich daran, dass sich auch die Einstellung der Menschen weltweit verändert. Die Bürger werden immer umweltbewusster und stellen entsprechende Ansprüche auch an ihre Versorger. Zum anderen wird der Strom aus Erneuerbaren immer günstiger, was ihn ebenfalls in den Fokus der Unternehmen rückt. Nichts ist schließlich so anziehend wie ein niedriger Preis.
Anfang Juni wurden Pläne bekannt, dass Möbelhersteller IKEA in den kommenden Jahren mehr als 1 Milliarde Euro in erneuerbare Energien investieren will. Dabei soll es sich nicht etwa um reine PR-Maßnahmen in Form von Lippenbekenntnissen handeln, wie CEO Peter Agnefjall gegenüber Reuters erklärte: „Die Kunden darüber zu informieren ist für uns sekundär.“ IKEA hat bereits mehr als 1,5 Milliarden Euro in den konzerninternen Umstieg auf Erneuerbare investiert: 700.000 Solarpanels sind auf den Möbelhäusern weltweit installiert, 314 Windturbinen in neun Ländern produzieren Grünstrom für die Schweden. Bis 2020 will man nicht nur zu 100% Grünstrom beziehen – sondern auch selbst Energie für andere produzieren.
Ebenfalls im Fokus steht die nachhaltige Produktion der IKEA Möbel. Nachdem im März bekannt wurde, das IKEA weltweit 1% des kommerziell abgebauten Holzes verbraucht, beeilte sich das Unternehmen zu verkünden, dass man in Zukunft noch mehr auf die nachhaltige Produktion von Holz und Baumwolle achten will. Die Möbel aus nachhaltigem Anbau sollen allerdings nicht teurer sein als bisher. Auch das ist eine Möglichkeit, seinen Kunden beizubringen, dass „öko“ nicht teurer sein muss: „Wir haben im Westen wahrscheinlich die Zeitenwende erreicht“, erklärt der zuständige IKEA-Manager für Nachhaltigkeit, Steve Howard. „Es gibt einen riesigen Wachstumsmarkt für nachhaltige Produkte. Das wird ein Megatrend!“
2020 scheint dabei das Jahr zu sein, was viele Konzerne anpeilen, um den Umstieg geschafft zu haben: Auch Google hat sich auf die Fahnen geschrieben, in fünf Jahren nur noch grünen Strom zu nutzen. Bisher liegt man bei einem Anteil von 35%. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung sagte der für globale Infrastruktur zuständige Google-Manager Urs Hölzle: „Ich gehe davon aus, dass wir unser Ziel 100 Prozent grünen Strom in spätestens fünf Jahren erreichen.“
Foto: Lake Turkana Wind Power
Außerdem denkt man laut Medienberichten bei dem US-Konzern momentan darüber nach, in großem Stil in einen Windpark in Kenia zu investieren. Dort entsteht zur Zeit der Lake Turkana-Windpark mit 310 MW, der nach seiner Fertigstellung die kenianische Stromversorgung um 20% verbessern soll. Bei dem Windpark handelt es sich um die größte Privatinvestition in der Geschichte des Landes – und Google könnte noch immer einsteigen und sich an den Kosten beteiligen. Auch dies wäre nicht die erste Investition in erneuerbare Energie – neben mehr als 2 Milliarden Euro, die man bisher meist in Projekte in den USA gesteckt hat, besitzen die Amerikaner Anteile an einem Solarpark in Südafrika.
Der afrikanische Kontinent spielt in den Zukunftsüberlegungen Googles eine große Rolle. Die Bewohner sind potentielle Kunden von morgen, denen Google den Zugang zum Internet bieten möchte – Voraussetzung dafür ist allerdings Energie. Noch immer haben weite Teile der afrikanischen Bevölkerung keine kontinuierliche Stromversorgung. Doch der Anteil wächst stetig und Google möchte frühzeitig daran partizipieren.
Auch Amazon-Tochter Amazon Web Services hat kürzlich erneut Investitionen in Erneuerbare angekündigt. In den USA wird in Virginia ein Solarpark gebaut, der ab dem kommenden Jahr voraussichtlich 170.000 MWh pro Jahr erzeugen soll. Das entspricht dem jährlichen Energieverbrauch von 15.000 US-Haushalten. Das Unternehmen hat bereits vor einigen Monaten Investitionen in einen Windpark getätigt, der jährlich 500.000 MWh liefern wird. „Wir sind auf einem guten Weg, unser langfristiges Vorhaben, die weltweite AWS Infrastruktur zu 100 Prozent mit erneuerbarer Energie zu betreiben, in die Tat umzusetzen“, erklärt Jerry Hunter, bei AWS für Infrastruktur zuständig, gegenüber der Presse.
Chiphersteller Intel bemüht sich bereits seit Jahren um Nachhaltigkeit. Kürzlich installierte man eine Reihe von 58 Mikro-Windturbinen auf dem Dach des Firmensitzes in Santa Clara, Kalifornien (USA). Das Projekt, nach eigenen Angaben einer der größten Windparks mit Mikro-Turbinen des Landes, soll 65 kWh Strom je Anlage jährlich liefern, mit dem das Konferenzzentrum im Gebäude versorgt werden soll. Gleichzeitig möchte Intel auf diese Weise Daten sammeln, um zu schauen, wie man diese Form der Energiegewinnung weltweit besser nutzbar machen kann. „Wir versuchen herauszufinden, wie diese Technologie in unserem Unternehmen optimal funktioniert und zu schauen, wo die besten Standorte weltweit dafür sind“, sagt Marty Sedler, zuständig für Infrastruktur bei den Amerikanern. „Wir werden die Daten veröffentlichen und mit anderen teilen, damit alle Menschen ihre Unternehmen und Häuser damit ausrüsten können“, führt er gegenüber Top Tech News aus.
Foto: Intel Twitter
Die Windturbinen sind um die zwei Meter hoch und wiegen jeweils ca. 15 Kilogramm. Sie sind am Rand des Dachs befestigt, wo sie am meisten Wind bekommen und teilen sich die Location mit einigen Solarpanels, die bereits vor einiger Zeit installiert wurden. Intel, das letztes Jahr erneut einen Preis für freiwillige Nachhaltigkeit der US-Regierung bekommen hat, geht dabei einen anderen Weg, als die meisten anderen Konzerne: Alle Investitionen in Erneuerbare befinden auf den eigenen Grundstücken. „Der Schlüssel ist unabhängig vom Netz zu sein“, sagt Sedler.
Von Investitionsboom kann derweil in der Branche der fossilen Energiegewinnung keine Rede mehr sein – ganz im Gegenteil. Immer mehr Investoren ziehen sich aus der Öl- und Gasförderung sowie dem Abbau von Kohle zurück. Weltweites Aufsehen erregte kürzlich die Ankündigung, dass sich der Staatliche Pensionsfond Norwegens aus dem Bereich der Kohleförderung zurückziehen wird. Der Fonds speist sich aus den Einnahmen der Öl- und Gasförderung Norwegens und soll den Wohlstand für zukünftige Generationen sichern. Nun hat das Parlament des Landes aber einstimmig beschlossen, dass Unternehmen, die mehr als 30% ihrer Einnahmen aus der Förderung von Kohle ziehen, aus dem Portfolio gestrichen werden, wovon höchstwahrscheinlich 50 bis 70 Firmen betroffen sind, darunter auch deutsche Energieversorger wie RWE oder E.on. Mit einem Marktwert von mehr als 800 Milliarden Euro ist es der größte Fonds seiner Art auf der Welt, sodass die Signalwirkung dieser Ankündigung nicht zu unterschätzen ist.
Ähnliche Schritte leiteten bereits andere Geldgeber ein – Divestment ist das Wort der Stunde. Das größte französische Versicherungsunternehmen Axa hat ebenfalls alle Investitionen in Kohle gestoppt und stattdessen angekündigt, bis 2020 bis zu 3 Milliarden Euro in grüne Projekte zu investieren. Gegenüber Bloomberg erklärte Axa-CEO Henri de Castries die Beweggründe: "Es gibt eine Sache, die absolut klar ist: Wenn die Erderwärmung auf mehr als 2 Grad ansteigt, wird es schwieriger und schwieriger und wahrscheinlich auch unmöglich für Versicherer mit den Umweltschäden fertig zu werden.“
Mittlerweile existiert eine regelrechte Divestment-Bewegung, die immer mehr Geldgeber erfasst, die nicht mehr in Kohle investieren möchten, darunter renommierte Namen wie die Universitäten von Oxford und Stanford oder die Anglikanische Kirche. Auch Engie, früher als GDF Suez SA bekannt, musste sich Anfang des Jahres auf seiner Hauptversammlung unangenehmen Fragen seiner Shareholder stellen. Die französische Regierung selbst unterstütze das Unternehmen mittlerweile dabei, sich „neu zu orientieren“, wie es nun heißt. Weg von Kohle, hin zu neuen Formen der Energiegewinnung.
Auch deutsche Energiekonzerne bekommen die sich ändernden Zeiten bereits deutlich zu spüren. Die größten Konsequenzen daraus hat bisher Energieversorger E.on gezogen, der seine Geschäfte künftig trennt: In den einen Bereich kommt alles, was mit fossiler Energiegewinnung zu tun hat, in den anderen das, was mit Zukunftsinvestitionen und erneuerbaren Energien zu tun hat.
Langfristig gibt es ohnehin nur eine Zukunft für den zweiten Bereich.
- Autor:
- Katrin Radtke
- Email:
- kr@windmesse.de
- Windenergie Wiki:
- Windpark, Turbine, MW, Energiewende