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Fachartikel: Bundesgerichtshof erklärt „Windenergieklausel“ der BVVG für unwirksam
Käufer von ehemals volkseigenen landwirtschaftlichen Flächen in Ostdeutschland müssen bislang einen Großteil der Pachteinnahmen aus Standorten mit Windenergieanlagen an die bundeseigene Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) abführen – zu Unrecht, wie jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) befand. In seinem Urteil vom 14. September 2018 hat das höchste deutsche Gericht entschieden, dass die Praxis der Treuhand-Nachfolgerin rechtswidrig ist. Mit dem Urteil bestätigte der BGH die beiden Vorgängerinstanzen. Darauf weist das Beratungsunternehmen Sterr-Kölln & Partner hin.
„Grundeigentümer, die vertraglich verpflichtet worden sind, einen Großteil ihrer Pachteinnahmen an die BVVG weiterzuleiten, sollten prüfen lassen, ob die Klauseln in ihrem Vertrag nach den Maßgaben des BGH-Urteils unwirksam sind“, rät Sebastian Helmes von Sterr-Kölln & Partner. Auch Rückforderungsansprüche gegen die BVVG sollten geprüft werden. Flächen, die wegen der BVVG-Beteiligung bislang „zu teuer“ waren, könnten zudem mitunter neu bewertet werden, so Helmes weiter.
Viele Fälle in Ostdeutschland
Die BVVG privatisiert seit 1992 Äcker, Wälder und Seen auf dem Gebiet der früheren DDR. Die Tochter der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben hat bislang in seinen Grundstückskaufverträgen regelmäßig Klauseln verwendet, wonach Windenergieanlagen auf den von ihr veräußerten Flächen nur dann errichtet werden dürfen, wenn der überwiegende Teil der Pachteinnahmen für den Standort an das staatliche Unternehmen zurückfließt. Die Entscheidung des BGH war in Ostdeutschland mit Spannung erwartet worden – schließlich gibt es eine Vielzahl vergleichbarer Fälle.
In dem Rechtstreit, der der Entscheidung des BGH zugrunde lag, hatte der Kläger im Jahr 2005 landwirtschaftliche Flächen von der BVVG nach dem Ausgleichsleistungsgesetz erworben. Im Kaufvertrag war vorgesehen, dass die Fläche über einen Zeitraum von 15 Jahren ausschließlich landwirtschaftlich genutzt werden muss. Gleichzeitig war im Vertrag festgelegt, dass die Errichtung von Windenergieanlagen zwar nicht ausgeschlossen ist, aber die Zustimmung der BVVG erfordert. Die Zustimmung wiederum sollte nur dann erteilt werden, wenn die BVVG hierfür eine Entschädigung in Höhe von mindestens 75 Prozent der marktüblichen Pacht erhält.
Diese bereits auf den ersten Blick recht einseitige Regelung zugunsten der BVVG missfiel dem Erwerber, der auf seinen Flächen Windenergieanlagen errichten lassen wollte. Er wollte deswegen gerichtlich feststellen lassen, dass der BVVG dieser Anspruch nicht zusteht.
75 Prozent der Pacht für die BVVG? Kläger in allen Instanzen erfolgreich
Mit dieser Auffassung hat der Kläger in allen Instanzen Recht bekommen. Nach dem Landgericht Berlin 2015 und dem Kammergericht 2016 hat nun auch der BGH entschieden, dass die vertragliche Klausel unwirksam ist. Weil eine derart weitgehende Erlösabschöpfung im Ausgleichsleistungsgesetz nicht vorgesehen ist, verstößt die Praxis der BVVG, gleichwohl solche Klauseln standardmäßig in die Kaufverträge aufzunehmen, gegen AGB-Recht.
Dass der BGH dem Vorgehen der BVVG nun endgültig einen Riegel vorgeschoben hat, kommt nach den Entscheidungen der Vorinstanzen nicht ganz überraschend. Nicht zu erwarten war jedoch, dass die die Begründung so eindeutig ausfällt. „Das ist als deutliche Kritik am Vorgehen der BVVG zu verstehen“, meint Rechtsanwalt Helmes. „Die „Abschöpfungsmentalität“ der BVVG ist nicht nur sachlich ungerechtfertigt, sondern verstößt eben auch gegen zwingende rechtliche Vorgaben.“
Auch zum Thema Rücktrittsrecht der BVVG, das ebenfalls zwischen den Parteien streitig war, findet der BGH deutliche Worte: ein solches ist zwar nicht von vornherein gesetzlich ausgeschlossen, es setzt aber voraus, dass wesentliche Teile der Fläche nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden können - was bei Windenergieanlagen wiederum nicht der Fall ist.
Bedeutung für vergleichbare Fälle
Was die Entscheidung für ähnlich gelagerte Fälle bedeutet, von denen es in den östlichen Bundesländern zahlreiche gibt, lässt sich laut Experten nicht pauschal beantworten. Zwar beantwortet der BGH grundsätzliche Rechtsfragen, weswegen die Bedeutung des Urteils weit über den Einzelfall hinausreicht. Gleichwohl ist Vorsicht geboten, wenn es darum geht, das Urteil ungeprüft auf andere Windenergiestandorte in den fünf Bundesländern zu übertragen. Da die BVVG unterschiedliche Klauseln verwendet hat, müssen nicht alle Verträge rechtswidrig sein. Es liegt aber nahe, dass auch ähnlich strukturierte Klauseln unwirksam sind. Ist dies der Fall, werden sich die Pachteinnahmen für die Grundstückseigentümer künftig erhöhen. Außerdem werden Flächen, die aufgrund der finanziellen Beteiligung der BVVG bislang als zu teuer galten, plötzlich wieder attraktiv. Dort wo bereits Windenergieanlagen errichtet wurden und die BVVG an der Pacht partizipiert hat, stellt sich zudem die Frage, ob der Grundeigentümer nun auf Grundlage des BGH-Urteils die Rückzahlung verlangen kann.
Darüber hinaus wird nun geklärt werden müssen, ob etwaige Rückforderungsansprüche gegen die BVVG nicht bereits verjährt sind. Zwar gilt der Grundsatz, dass bei es bei unklarer Rechtslage möglich ist, zunächst eine höchstrichterliche Entscheidung abzuwarten, bevor ein Anspruch angemeldet wird. Die Verjährung beginnt in solchen Fällen erst mit der letztinstanzlichen Entscheidung, so dass auch bereits länger zurückliegende Zahlungen unter Umständen noch zurückgefordert werden könnten. Ob man sich darauf berufen kann, ist aber wiederum eine Frage des Einzelfalls, weil dies nicht zuletzt von dem bisherigen Verhalten des Grundeigentümers gegenüber der BVVG abhängt. Spannende Zeiten für die betroffenen Grundstückseigentümer.
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- Quelle:
- Sterr-Kölln & Partner
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- Pressestelle
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- Fachartikel, BVVG, Windenergieklausel, Gericht, Anwalt, Kanzlei, Fachwissen, Rückforderung