2024-11-21
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Klimawandel: Wirtschaft übernimmt mehr Verantwortung als Politik

Es sind erschreckende Zahlen, die uns in den vergangenen Tagen aus der Politik erreichen. Kaum ein Land in Europa schafft seine Klimaschutzziele für 2020, während andernorts immer mehr Menschen auf der Flucht sind. Trotzdem ändert sich etwas – wenn auch aus einer unerwarteten Richtung.

Dass sich das Klima ändert, bestreiten mittlerweile nur noch wenige Ewiggestrige (inklusive dem Präsidenten der Vereinigten Staaten). Schaut man sich in seinem Land um, zeigen sich aber auch dort konkrete Auswirkungen: Die Temperaturen steigen, in Kalifornien mehren sich tödliche Buschbrände. In Alaska schmilzt derweil das Eis, der Meeresspiegel steigt an. An der Ostküste werden die Stürme immer extremer, starke Schnee- und Regenstürme beherrschen jedes Jahr die Wetterlage.

Wetterextreme in den USA haben sich laut Statistiken in den zurückliegenden drei Jahrzehnten verdoppelt. „Der Klimawandel ist da, er passiert jetzt und trifft uns von allen Seiten“, sagt die Klimaforscherin Kathie Dello von der Oregon State University in Corvallis der WirtschaftsWoche.

Andernorts hat der Klimawandel noch dramatischere Folgen: Wie der gerade veröffentlichte Bericht der UNO zeigt, sind im letzten Jahr weltweit so viele Menschen wie nie zuvor auf der Flucht. Mehr als 68,5 Millionen Kinder, Frauen und Männer haben ihre Heimat verlassen, fast drei Millionen mehr als 2016. Tendenz zum fünften Mal in Folge steigend.

„Neben zunehmenden Konflikten um Ressourcen bereitet uns vor allem der Klimawandel große Sorgen. Bislang wurden die Herausforderungen gerade in den Industrieländern nicht so angenommen, wie es nötig wäre“, beklagt daher Welthungerhilfe-Präsidentin Bärbel Dieckmann im Interview mit der FAZ. Umso wichtiger wären weitreichende Maßnahmen zum Klimaschutz. „Dass ein Land wie Deutschland, das genug finanzielle Ressourcen besitzt, seine Klimaziele bis 2020 nicht erreichen wird, ist inakzeptabel“, betont Dieckmann.

Damit steht Deutschland in einer Reihe mit fast der gesamten EU, wie die neueste Studie des Climate Action Network Europe (CAN Europe) zeigt. Kein einziges EU-Land kann sowohl bei der Setzung ehrgeiziger Ziele als auch bei Fortschritten zur Verringerung der Kohlendioxidemissionen punkten.

Die Spitzenposition der Rangliste bleibt unbesetzt, weil kein einziges Land beide Problemfelder zufriedenstellend angeht. (Grafik: CAN Europe)

Wendel Trio, Direktor von CAN Europe, spart daher nicht mit Kritik: „Schweden, Portugal, Frankreich, die Niederlande und Luxemburg punkten, weil sie erkennen, wie wichtig es ist, dass die EU-Klimapolitik das ‚Pariser Abkommen‘ umsetzt. Die mangelnde Bereitschaft aller anderen Mitgliedstaaten, auf dem Gebiet des Klimaschutzes tätig zu werden, ist unbefriedigend. Während alle EU-Länder dem Pariser Abkommen beigetreten sind, arbeiten die meisten nicht daran, ihre Ziele zu erreichen. Die Länder müssen dringend ihr Ranking verbessern, indem sie sich für ehrgeizigere Klima- und Energiepolitiken und -ziele im Inland und auf EU-Ebene einsetzen.“

"Ambitionierter Klimaschutz ist ein unerlässliches Zukunftsprojekt für die EU. Wenn die Bundesregierung ihre Energie in die Bekämpfung der Klimakrise statt in die Abwehr schutzsuchender Menschen stecken würde, wäre viel gewonnen", mahnte auch Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen, kürzlich den falschen Fokus der Bundesregierung an.

Unterdessen erhält die gebeutelte Erde Unterstützung von unerwarteter Seite. Immer mehr Wirtschaftsunternehmen brechen aus der vertrauten Routine aus. Bislang lief es häufig so: Die Politik beschließt etwas, die Wirtschaft murrt, muss sich aber beugen, wenn sie sich an die Gesetze halten will.

Beim Klimaschutz zeigt sich in den vergangenen Jahren jedoch ein neuer Trend: Die Politiker sind unwillig, strikte Gesetze zum Klimaschutz einzuführen und verschleppen seit Jahren ambitioniertere Ziele und konkrete Maßnahmen. Doch anstatt das einfach hinzunehmen oder - wie häufig - sogar zu begrüßen, reagieren immer mehr Wirtschaftsunternehmen selbst und verpflichten sich auf freiwilliger Basis, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen. Zu oft können sie mittlerweile die Auswirkungen am eigenen Leib – sprich in den Geschäftszahlen – spüren.

Rückversicherer sichern die Zahlungsfähigkeit von Versicherungsgesellschaften bei Großschadenereignissen wie Naturkatastrophen (Bild: Pixabay)

Angetrieben von der energiehungrigen Tech-Branche, in der es schon seit einiger Zeit Normalität ist, seine Energie aus erneuerbaren Quellen zu beziehen, wenden sich immer mehr Unternehmen und mittlerweile auch Banken und Investoren nachhaltigen Quellen zu.

So investiert nahezu die Hälfte der globalen Rückversicherer mittlerweile nicht mehr in Kohle – einer Bewegung, der sich nun auch die Hannover Rück, drittgrößte Rückversicherung der Welt, angeschlossen hat, wie bizz energy berichtet. Ziel der sogenannten Divestment-Bewegung ist es nach eigenen Angaben, den politischen Einfluss der Kohle-, Öl- und Gasindustrie zu schwächen, die immer wieder Schritte zur Bekämpfung des Klimawandels behindert. „Mit jeder Institution, die sich öffentlich von den Kohle-, Öl- und Gasunternehmen trennt, höhlen wir deren Macht, ihre unmoralischen Geschäftspläne weiterzuverfolgen, ein bisschen mehr aus“, schreibt die Gruppe Fossil Free Deutschland auf ihrer Homepage.

Über kurz oder lang wird sich diese Bewegung durchsetzen, darauf deuten auch die Zahlen aus dem neuesten Bericht von Bloomberg New Energy Finance (BNEF), die einmal jährlich die neuste Finanzentwicklungen aus der Energiewirtschaft bereitstellen. „Kohle ist auf lange Sicht der größte Verlierer“, sagt Elena Giannakopoulou, Leiterin des Ressorts Energiewirtschaft bei BNEF. Sie wird verdrängt durch die immer niedrigeren Kosten für Wind und Solar, ergänzt durch Großbatterien und Gaskraftwerke, die die nötige Flexibilität herstellen. 50 Prozent der Energie soll bis 2050 aus erneuerbaren Quellen stammen, was die CO2-Emmissionen deutlich senken würde.

So bleibt zu hoffen, dass sich die Politik nicht länger den eindeutigen Signalen aus Wirtschaft und Gesellschaft verschließt und einen entsprechenden Gesetzesrahmen für diese Entwicklung implementiert. Damit auch wirklich der letzte Ewiggestrige zum Mitmachen gezwungen wird.

Autor:
Katrin Radtke
Email:
presse@windmesse.de
Keywords:
Klimawandel, Wirtschaft, erneuerbare Energie, Politik, Divestment, CO2, Pariser Abkommen, Deutschland, EU, UNO



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