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Britische Regierung hebt Onshore-Bann in England auf
Seit Jahren liegt der Onshore-Windmarkt in England brach. 2015 führte der damalige britische Premierminister David Cameron eine Reihe von Planungsauflagen ein, die von vielen als De-facto-Verbot für die Entwicklung neuer Onshore-Windparks gesehen wurden. So genügte der Einspruch einer einzigen Person, um ein Projekt zu stoppen. Außerdem wurden sämtliche Subventionen für Windenergieanlagen an Land gestrichen. Kein Wunder, dass seitdem so gut wie keine Onshore-Windkraftanlagen mehr in England aufgestellt wurden. Viele Entwickler konzentrierten sich foran auf andere Landesteile wie Wales oder Schottland, wo auch weiterhin Onshore-Windkraft möglich war. England dagegen konzentrierte sich vor allem auf den Ausbau der Offshore-Windkraft und anderer Energiequellen. Das führte laut Guardian dazu, dass zwischen 2016 und 2020 die Zahl der in England gebauten Turbinen um 96 % zurückgegangen ist – nur 20 Onshore-Turbinen wurden demnach in diesem Zeitraum in England installiert, im letzten Jahr waren es ganze zwei.
Doch mit der Energiekrise, ausgelöst durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine, wurden die Stimmen auf der Insel lauter, dieses Verbot aufzuheben, um eine Chance zu haben, die Klimakrise zu verlangsamen und die Net-Zero-Pläne zu erreichen. Kleiner Fakt am Rande: Selbst die Ukraine hat seit Beginn des Angriffskriegs mehr Windkraftanlagen aufgestellt als England. Ohnehin war es in den vergangenen Jahren kaum nachzuvollziehen, warum am Onshore-Verbot festgehalten wurde, ist deren Bau doch viel billiger und schneller als der von Offshore-Windparks. Die Abgeordneten der konservativen Regierungspartei führten allerdings immer wieder den Wählerwillen ins Feld – in Zeiten von instabilen Regierungen also ein wichtiger Faktor.
Aber am Dienstag war es dann endlich so weit: Der britische Minister für Wohnen, Kommunen und lokale Selbstverwaltung, Michael Gove, lockerte die Beschränkungen für den Bau von Onshore-Windparks in England. Gove sagte dazu laut Guardian: „Um unsere Energiesicherheit zu erhöhen und eine saubere, umweltfreundlichere Wirtschaft zu entwickeln, führen wir neue Maßnahmen ein, die es den lokalen Gemeinden ermöglichen, Onshore-Windkraftprojekte zu unterstützen. Diese Änderungen werden dazu beitragen, auf dem enormen Erfolg Großbritanniens als Weltmarktführer im Bereich der Offshore-Windenergie aufzubauen, und uns auf unserem Weg zum Netto-Null helfen.“
Claire Coutinho, frisch ins Amt gehobene Energieministerin, erklärte: „Auch die Onshore-Windenergie spielt eine wichtige Rolle, und diese Änderungen werden dazu beitragen, die Umsetzung von Projekten dort zu beschleunigen, wo die lokalen Gemeinschaften sie wünschen." Um die Akzeptanz in der lokalen Bevölkerung zu erhöhen, plant die Regierung daher ein neues Anreizsystem, um sicherzustellen, dass die Anwohner*innen auch einen Teil des wirtschaftlichen Nutzens aus neuen Windprojekten erhalten.
Die Aufhebung des Onshore-Banns hatte in den vergangenen Monaten für viel Streit innerhalb der britischen Regierung gesorgt. (Bild: Pixabay)
Damit geht ein wochenlanges Tauziehen innerhalb der britischen Regierung zu Ende. Der britische Premierminister Rishi Sunak hatte zwar noch im vergangenen Jahr am Bann der Onshore-Windkraft festgehalten, musste sich angesichts einer drohenden „Rebellion“ mehrerer Abgeordneter nun aber beugen.
Trotzdem sind nicht alle mit dieser Maßnahme glücklich. James Robottom, Leiter des Bereichs Onshore-Wind vom Branchenverband RenewableUK, sagte: „Die vorgeschlagenen Änderungen gehen nicht weit genug. Wir werden immer noch mit einem Planungssystem konfrontiert sein, das sich gegen die Onshore-Windkraft richtet und sie anders behandelt als jede andere Energiequelle oder jedes andere Infrastrukturprojekt. Vieles bleibt offen für Interpretationen, und es gibt immer noch Hürden zu überwinden, die bestehen bleiben. […] Während die Industrie mit der Regierung zusammenarbeiten wird, um herauszufinden, wie diese Änderungen eine begrenzte Anzahl von neuen Entwicklungen unterstützen können, ist dies eine verpasste Gelegenheit, die Onshore-Windkraft in England nach acht Jahren verlorenen Fortschritts wieder zu beleben.“
Auch die stellvertretende Vorstandsvorsitzende von Energy UK, Dhara Vyas, übte Kritik: „Die heutige Erklärung bestätigt zwar die von der Regierung im letzten Jahr vorgeschlagenen Änderungen, aber sie hat die Onshore-Windenergie noch nicht in die Position gebracht, in der sie genauso behandelt wird wie andere Infrastrukturplanungsanträge. Dies ist eine verpasste Gelegenheit, da die Entwickler weiterhin zögern werden, den Zeitaufwand und die Kosten für neue Onshore-Projekte auf sich zu nehmen, wenn sie wissen, dass sie immer noch ein höheres Risiko haben, blockiert zu werden.“
Und während auch innerhalb der konservativen Partei längst nicht alle Mitglieder hinter der Entscheidung stehen – aus Angst vor Ablehnung durch die Wähler*innen – geht der Beschluss der Opposition längst nicht weit genug. Ed Miliband, Wirtschafts- und Energieminister des Labour-Schattenkabinetts, hat versprochen, dass seine Partei alle besonderen Planungsanforderungen für Onshore-Windkraftanlagen abschaffen und es den Gemeinden ermöglichen würde, sie wie jede andere Infrastruktur zu behandeln.
Die nächsten Wahlen in Großbritannien finden (voraussichtlich) im kommenden Jahr statt – der Kampf um Wählerstimmen hat also begonnen.
- Autor:
- Katrin Radtke
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- Großbritannien, England, onshore, Bann, Lockerung, Verbot, Regierung, Opposition, Markt, Einspruch, Windkraftanlage, Verband
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