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Der Bengalische Tiger erwacht – mal wieder
Das Potenzial ist enorm: Allein kurzfristig bis 2026 kann Indien weitere 23,7 GW an Windenergie-Kapazität zubauen – sofern die notwendigen politischen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Dies belegt der Bericht „Renewing wind growth to power the energy transition: India Wind Energy Market Outlook 2026“, den das Global Wind Energy Council (GWEC) am Mittwoch veröffentlicht hat. Langfristig sind noch ganz andere Zahlen möglich: das bisher noch komplett ungenutzte Offshore-Windpotenzial liegt bei 70 Gigawatt, während verschiedene Messungen im Auftrag der Regierung ein Bruttowindkraftpotenzial von 302 GW im Land in 100 m Höhe und 695,50 GW in 120 m Höhe über dem Boden ergeben haben.
Ob Indien sein Potenzial aber abruft, ist fraglich, obwohl die Windbranche dort in den vergangenen Jahren wieder ordentlich zugelegt hat. Ben Blackwell, CEO von GWEC, warnt daher: „Dieser Bericht wird zu einem Zeitpunkt veröffentlicht, an dem die Welt vor einem entscheidenden Moment steht; es gibt ein schmales Zeitfenster, um die irreversiblen Schäden, die der Klimawandel unserem Planeten zufügt, durch einen dringenden Umstieg auf saubere Energie aufzuhalten. Indien kann diese Chance ergreifen, muss aber nach den Verzögerungen durch die Pandemie seine Energiewende in Gang bringen.“
Denn während sich im Rest der Welt die Lieferketten langsam erholen und die Wirtschaft bereits wieder auf Hochtouren läuft, hat Indien noch immer unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie zu leiden. Viele Ungeimpfte und immer neue Virusvarianten haben das Land im Griff. Hinzu kommen in der Windbranche viele hausgemacht Probleme, etwa wechselnde Rahmenbedingungen, eine „uneinheitliche Politik auf Bundes- und Länderebene im Bereich der erneuerbaren Energien, überhöhte Zölle auf Produkte aus dem Bereich der erneuerbaren Energien sowie Finanzierungsprobleme“, wie Vibhuti Garg, ein in Neu-Delhi ansässiger Energieökonom, kürzlich gegenüber U.S. News erklärte. Und so wird Indien wohl auch seine Klimaziele für 2022 verpassen.
Deutlich werden die immer neuen Schwankungen im Windsektor auch, wenn man einen Blick auf den indischen Windkraftanlagenhersteller Suzlon wirft: Einst eines der großen aufstrebenden Unternehmen des globalen Windsektors, das sogar den deutschen Hersteller Senvion schluckte, kämpft das Unternehmen mittlerweile seit einigen Jahren mit einem großen Schuldenberg und stand mehrfach kurz vor der Insolvenz. Ganz langsam gehe es aber nun bergauf, wie der Chief Financial Officer Himanshu Mody von Suzlon kürzlich laut Business Standard erklärte: "Die finanziellen Probleme liegen hinter uns. Wir haben eine gesunde Bilanz, einen guten Auftragsbestand und eine starke Pipeline."
Das Potenzial für Offshore-Windenergie in Indien liegt bislang brach (Bild: Pixabay)
Dass es nun langsam bergauf geht, ist auch der jetzigen indischen Regierung zu verdanken: Allein seit dem vergangenen Jahr wurden 2,7 GW an Wind-/Solar-Hybridprojekte (WSH) und 3,5 GW an eigenständigen Windprojekten via Ausschreibung vergeben. Im Gegensatz zu den Vorjahren waren sowohl Einzel- als auch Hybridprojekte überzeichnet, was die immer wichtigere Rolle der Windenergie für die Dekarbonisierung und den Aufbau von Widerstandsfähigkeit im Netzsystem unterstreicht.
Sidharth Jain, Direktor bei MEC+, betonte daher auch: "Die Erfolgsbilanz Indiens hat gezeigt, dass der Markt für Windenergieanlagen ein schwankender Markt ist. Seit 2017-2018 hat sich eine beträchtliche Dynamik in der Pipeline entwickelt, aber unangemessene Verzögerungen bei der Projektausführung haben die Annahmen der Entwickler in Frage gestellt. Trotz dieser Hindernisse hat sich die Rolle der Windenergie als Ergänzung zur Solarenergie im Jahr 2021 verstärkt. Wind-Solar-Hybridprojekt-PPAs haben im Rahmen der Unternehmensbeschaffung und der DISCOM-Verträge zugenommen und zielen auf die Deckung des Spitzenstrombedarfs ab. Der Export größerer Turbinen und der Eintritt neuer Anbieter in den lokalen Markt haben Indiens Position als globales Zentrum für die Lieferung von Windkraftanlagen gestärkt. Angesichts dieser Trends sind wir zuversichtlich, dass sich die Nachfrage nach Windenergie in Indien bis 2026 wieder beleben wird."
Allerdings wird es auch hier wieder darauf ankommen, dass die politischen Rahmenbedingungen stabil bleiben, denn „politische Änderungen müssen über einen gewissen Zeitraum hinweg evaluiert werden, um Verbesserungsmöglichkeiten zu identifizieren und den Fortschritt zu beschleunigen und gleichzeitig ein florierendes Geschäftsumfeld zu gewährleisten“, betont Martand Shardul, Policy Director, GWEC India. Hoffentlich wartet der bengalische Tiger mit seinem nächsten Nickerchen.
- Autor:
- Katrin Radtke
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- Keywords:
- Indien, Potenzial, onshore, offshore, Regierung, Corona, Pandemie, Lieferkette, Ausbau, Klimawandel, Politik
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