2024-11-05
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Treibhausgasemissionen: Verbände zeigen sich unzufrieden

Die Zahlen für die deutsche Treibhausgasbilanz 2020 zeigen Licht und Schatten. Entsprechend fällt die Einordnung der Zahlen sehr unterschiedlich aus.

In Deutschland wurden im Jahr 2020 rund 739 Millionen Tonnen Treibhausgase freigesetzt – das sind rund 70 Millionen Tonnen oder 8,7 Prozent weniger als 2019. Das geht aus den Emissionsdaten des Umweltbundesamtes (UBA) hervor, die erstmals nach den Vorgaben des Bundesklimaschutzgesetzes vorgelegt wurden. Die Minderung im Jahr 2020 ist der größte jährliche Rückgang seit dem Jahr der deutschen Einheit 1990. Damit setzt sich der deutliche Emissionsrückgang der beiden Vorjahre auch im Jahr 2020 fort. Im Vergleich zu 1990 sanken die Emissionen in Deutschland um 40,8 Prozent. Fortschritte gab es dabei in allen Bereichen, besonders in der Energiewirtschaft. Die verfügbaren Daten zeigen aber auch, dass gut ein Drittel der Minderungen auf die Folgen der Bekämpfung der Corona-Pandemie zurückzuführen ist, vor allem im Verkehrs- und Energiebereich, wie das Bundesumweltministerium deutlich macht.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze: „Mit der Klimabilanz 2020 macht Deutschland schon im dritten Jahr in Folge Fortschritte beim Klimaschutz. Natürlich machen sich in diesem besonderen Jahr auch Pandemie-Effekte bemerkbar, besonders im Verkehrssektor. Aber mir ist wichtig, dass sich auch strukturelle Veränderungen zeigen beim Umbau unserer Volkswirtschaft in Richtung Klimaneutralität. Wie Klimapolitik wirkt, sieht man vor allem im Energiesektor, wo der Kohleausstieg gut vorankommt. Das macht Mut für andere Bereiche, in denen es noch viel zu tun gibt. Dass Deutschland sein Klimaziel für 2020 jetzt doch geschafft hat, ist für mich kein Grund zum Ausruhen. Das höhere EU-Klimaziel wird auch Deutschland mehr abverlangen. Darum sollte die Bundesregierung jetzt schon das geplante Ausbautempo für Wind- und Sonnenstrom in diesem Jahrzehnt verdoppeln. Auch im Gebäudesektor werden rasch weitere Maßnahmen zu prüfen sein. Dafür sorgt das neue Klimaschutzgesetz mit seinen verbindlichen Zielen für jeden einzelnen Sektor, die jetzt zum ersten Mal Wirkung entfalten.“

Wesentlich kritischer zeigt sich schon UBA-Präsident Dirk Messner: „Wir sehen, klimapolitische Instrumente beginnen zu wirken, insbesondere der Ausbau erneuerbarer Energien und die CO2-Bepreisung. Doch ohne die Corona-Lockdowns mit den Einschränkungen bei Produktion und Mobilität hätte Deutschland sein Klimaziel für 2020 verfehlt. Das bedeutet, dass die Emissionen wieder steigen werden, wenn die Wirtschaft anspringt. Das gilt besonders für den Verkehrssektor, der sich nicht auf den vergleichsweise guten Zahlen ausruhen kann. Deshalb ist klar, dass nur ambitionierter Klimaschutz und auf beschleunigte Dekarbonisierung orientierter Strukturwandel in den zentralen Wirtschaftssektoren dazu führen kann, die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen. So müssen zukünftig deutlich mehr Windenergieanlagen installiert und die Zahl der Verbrennerautos massiv reduziert werden. Das Klimaschutzgesetz schafft hierfür einen neuen und innovativen Rahmen, weil die Bundesregierung zukünftig neue Maßnahmen umsetzen muss, wenn die jährlichen Klimaziele verfehlt werden.“

Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, weist auf die Rolle der Energiewirtschaft beim erreichen der Zahlen hin: „Mit Blick auf die einzelnen Sektoren lässt sich sagen: Die Energiewirtschaft ist die Nummer eins im Klimaschutz. Diese führende Rolle wollen wir weiter ausbauen – dazu brauchen wir bessere Bedingungen für den Erneuerbaren-Zubau. Die Koalition muss im Rahmen der Umsetzung der Entschließung des Bundestages zur EEG-Novelle schnellstmöglich die liegen gebliebenen Hausaufgaben in diesem Bereich adressieren."

Dazu gehört die Ausweisung von weiteren Flächen für den Ausbau der Windenergie an Land. Bund und Länder stehen in der gemeinsamen Verantwortung, die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass die absehbar steigenden Ausbaupfade auch tatsächlich erreicht werden. Daneben geht es auch darum, bestehende Windenergie-Standorte so effektiv wie möglich zu nutzen, u.a. durch Repowering von Altanlagen.

Der Wärmemarkt muss stärker in den Fokus rücken. Gerade in Hinblick auf die geplante Anhebung des EU-Treibhausgasreduktionsziels 2030 müssen wir hier an Tempo zulegen. Die Wärmewende ist eine der Herkulesaufgaben der kommenden Jahre. Anteilig müssen in der laufenden Dekade die Treibhausgas-Minderungen erreicht werden, die zuvor über einen Zeitraum von 30 Jahren realisiert wurden. Um das Ziel einer klimaneutralen Wärmeversorgung zu erreichen, braucht es grüne Energie in allen Formen (Strom, Fernwärme, Wasserstoff), effiziente Systemtechnik und die Nutzung vorhandener Infrastrukturen.

Mit Blick auf den Beitrag des Verkehrssektors zu den Klimazielen ist es wichtig, weiterhin mit Hochdruck an den Voraussetzungen für einen schnellen Hochlauf klimafreundlicher Mobilitätslösungen zu arbeiten. Durch eine ambitionierte Umsetzung der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie im Verkehrsbereich und die richtigen Rahmenbedingungen für eine innovative, kundenfreundliche Ladeinfrastruktur kann die Bundesregierung noch vor der Sommerpause wichtige Impulse setzen. Die Energiewirtschaft ist der Wegbereiter der Elektromobilität und sorgt mit Ladesäulen, Netzen und zunehmend grünem Strom für das Gelingen der Verkehrswende. Wir glauben an den Erfolg der Elektromobilität und wollen kräftig in den Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur investieren.“

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bezeichnet die Maßnahmen der Bundesregierung für mehr Klimaschutz sektorenübergreifend als unzureichend. Die Einhaltung der Klimaziele im vergangenen Jahr ist auf den Einmaleffekt durch die Corona-Pandemie zurückzuführen. Die DUH fordert deshalb die vorgesehenen Maßnahmen zur Erreichung der Ziele aus dem Klimaschutzgesetz nachzubessern. Hierzu hat die DUH eine Klage gegen die Bundesregierung eingereicht. Vor allem der Verkehrssektor hinkt hinterher. Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Die CO2-Emissionen des Verkehrssektors sind seit 1990 praktisch gleichgeblieben. Der leichte Rückgang im vergangenen Jahr geht auf Kosten der Covid-19-Pandemie und der dadurch verursachten verringerten Mobilität. Es zeichnen sich für die zweite Jahreshälfte 2021 sogar ein Rebound Effekt und deutlich ansteigende CO2-Emissionen ab. Diesem muss die Bundesregierung wirkungsvoll entgegensteuern: Wir brauchen ein sofortiges Ende der Förderung von Dienstwagen mit Verbrennungsmotoren bzw. Plug-In-Hybriden, die im realen Fahrbetrieb mehr als 95 g CO2/km emittieren, dem EU-Grenzwert für Neufahrzeuge. Zudem brauchen wir eine Neuausrichtung der Mobilitätspolitik auf eine Halbierung der Anzahl an Pkw in unseren Städten und gleichzeitig die Verdopplung der Fahrradwege. Diese Regierung steckt im klimapolitischen Lockdown – das können wir uns nicht länger leisten.“

Und auch die Bilanz der Emissionen aus dem Gebäudesektor sei kein Grund zur Freude, so Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin: „Die Bilanz der Bundesregierung im Gebäudebereich ist dramatisch. Es ist der einzige Sektor, in dem die Bundesregierung ihre Ziele verfehlt. Wie im Klimaschutzgesetz festgehalten, muss die Bundesregierung jetzt ein Sofortprogramm für den Klimaschutz im Gebäudebereich aufsetzen. Eine Blaupause dafür haben wir heute in einem Aktionsbündnis mit Architekten und Bau-Experten vorgelegt. Kernpunkte sind die schnellstmögliche Umsetzung von klimagerechten Standards für Neubau und Sanierung. Die Förderung für energetische Sanierung mit ausreichenden Effizienzstandards ist aktuell viel zu niedrig und wird falsch investiert. Die Fördersumme muss auf 25 Milliarden Euro im Jahr ansteigen.“

Autor:
Windmesse Redaktion
Email:
presse@windmesse.de
Keywords:
Treibhausgas, Emissionen, CO2, Bundesregierung, Bilanz, Energie, Verkehr, Gebäude, Wärme, 2020, Corona, Pandemie, Ausbau, Repowering
Windenergie Wiki:
Svenja Schulze, Dekarbonisierung



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