2024-12-22
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News Release from Bundesverband WindEnergie e.V. (BWE)

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Frank Weise: "Das Signal geht an alle Hersteller"

Wie reagiert Vestas auf die Konkurrenz, die erstmals Blätter auf 30 Jahre hat zertifizieren lassen? Frank Weise, Leiter des großen Vestas-Werk im brandenburgischen Lauchhammer über Blätter, treibt das Thema schon lange um.

Er sagt, dass auch Vestas-Blätter 30 Jahre lang halten. Aber die Zertifizierung sei ein „Signal an alle Hersteller“, weil mit der längeren Haltbarkeit die Investitionskosten über die Lebensdauer sinken.

Wir stehen hier in Lauchhammer in einer riesigen, 400 Meter langen Halle, in der die Angestellten das Fahrrad nehmen, wenn es zum Mittagessen geht. Hier werden Blätter für die V112 hergestellt. Bitte erklären Sie anhand dessen, was wir hier sehen, den Unterschied zu den Blättern der V110, V12 und V164.

Die neuesten Blattdesigns der V110, V126 und V164 haben bei Vestas eine „structured shell“, die Hauptspannungsebene liegt also in der Schale in Form eines Gurts aus starkem Karbon-Laminat. In Lauchhammer fertigen wir zurzeit ausschließlich Rotorblätter für die V112, dafür aber mit hohem Durchsatz und relativ hohem Automatisierungsgrad. Die Rotorblätter der V 112 haben einen Tragbalken aus Glas/Karbon-Sandwich. Dieser Tragbalken wird erst im zweiten Schritt mit der Schale vermählt.

Die Innenstruktur ist nicht ganz aus Kohlefaser-Sandwich. Sie arbeiten am Fuß mit gewickelten Glasfasergelegen.

Die Wurzel ist ein vergleichsweise gering beanspruchter Teil des Blattes, für den wir Glasfaser als Nasslaminat verwenden. Aber wo es darum geht, viel Last auf wenig Raum zu beherrschen, verwenden wir auch im Holm von der Wurzel bis zur Blattspitze Karbon in der Hauptspannungsebene.

Dadurch sieht dieser knapp 56 Meter lange Balken mehr aus wie ein Degen als wie ein Rotorblatt. Vestas-Blätter sind auffallend schlank im Gegensatz zur Konkurrenz. Macht diese schlanke Konstruktion den Einsatz von Kohlefaser notwendig?

Das kann man so sagen. Wir wollen schlank konstruieren und viele Wettbewerber folgen uns da inzwischen. Um bei den geringen Durchmessern eine zu starke Durchbiegung oder sogar Turmkontakt bei viel Wind zu verhindern, muss das gewählte Material eine hohe Steifigkeit aufweisen. Das erreichen wir durch die Wahl von Karbon und bei den neuen Blatttypen durch ein Pre-Bend, also dadurch, dass die Blattspitzen im unbelasteten Zustand vom Turm weg weisen. Das sieht man bei den V110-Blättern deutlich, wenn sie still stehen.

Einige Konkurrenten wie Enercon haben am Ende des Blattes ein vorgebogenes Winglet, wie man es von manchen Airbus Modell kennt. Was bringt das?

Die Diskussion um Winglets ist schon uralt. Abgeknickte oder gerade Spitze – es gibt für beides Argumente. Im Grunde ist ein gut geformtes Winglet eine Verlängerung des Tragflügel- oder Rotorblattprofils, allerdings in einem Winkel zwischen 45 und 90 Grad zur Blattsehne. Die Strömungs- und Druckverhältnisse am Winglet sind kompliziert, es soll die Wirbelschleppe an der Blattspitze, also den induzierten Strömungswiderstand, minimieren, tut das aber nur bei einer bestimmten Rotationsgeschwindigkeit optimal. Andererseits wird die Spitze dadurch schwerer und der Hebel führt zu einer stärkeren Biegung der Spitze – das Blatt muss also steifer ausgelegt sein. Vestas baut seine Blätter bisher ohne Winglet, dafür etwas länger und schlanker.

Um bei Enercon zu bleiben: Die Auricher haben jetzt ein Blatt auf den Markt gebracht, das für 30 Jahre halten soll...

30 Jahre sind für unsere aktuellen Rotorblätter kein Problem.

… und haben das auch zertifizieren lassen. Ärgert es Sie, dass Vestas den Schritt nicht zuerst gemacht hat?

Unsere Blätter sind strukturell auf über 30 Jahre ausgelegt und wir machen die Erfahrung, dass sie auch so lange halten, wenn die Blattoberfläche Witterungs- und UV-beständig ist, zum Beispiel durch PU-Beschichtung. Wir bringen diese Oberflächenbeschichtung mit einer vollautomatischen Lackieranlage auf, was zu einer gleichmäßigen Schichtstärke ohne Saum oder spürbare Kanten führt. Wir beherrschen das sogar mehrfarbig im Nass-in-Nass-Verfahren. 

Aber für den Betreiber ist schon angenehmer, gleich eine Anlage zu kaufen, die für 30 Jahre zertifiziert ist.

Darum ist auch Vestas an dem Thema dran. Denn die „Cost of Energy“ errechnet sich bei Investitionsgütern über die Abschreibung pro Zeit. Die Betriebskosten einer Windanlage sind gering, die Investitions- und Kapitalkosten überwiegen. Deshalb könnte man die Stromgestehungskosten – da zitiere ich mal Klaus Töpfer – dadurch senken, dass man die Anlage auf eine längere Lebensdauer auslegt und über einen längeren Zeitraum finanziert. Das Signal ist vollkommen klar. Und es geht an alle Hersteller.

Sagen Sie das auch den Kollegen in Dänemark?

Das brauche ich den Kollegen nicht zu sagen. Für Vestas würde sich daraus ein Wettbewerbsvorteil ergeben, dass die neuen Anlagen qualitativ so hochwertig sind und wir bei der Rotorblattproduktion die größte Erfahrung bei der Fertigung nach Industriestandards haben. Da sind wir schon auf Augenhöhe mit z. B. der Luftfahrtindustrie.

Thema Qualität: Wie kommen Sie mit der Verarbeitung der Kohlefaser zurecht? In der Branche heißt es oft, die Kohlefaser sei teuer, schwer zu verarbeiten und kaum zu reparieren.

Das ist auch grundsätzlich so. Wir müssen die Kohlefaser sehr genau verarbeiten, Falten oder Fehlstellen in einem Kohlefaserverbund wirken sich fatal aus. Wir beherrschen sehr hohe Fertigungsgenauigkeiten und bauen die Blätter so, dass man den Kohlefaserkern nicht reparieren muss, also ohne Lufteinschlüsse. Die Blattschale schützt die Konstruktion zum Beispiel gegen Verwitterung. Kohlefaser ermüdet  nicht unter Wechsellast, der Balken ist praktisch unzerstörbar und nach 30 Jahren noch genauso biegesteif wie zu Anfang.

Wie weit ist die Fertigung der Kohlefaserkerne automatisiert? In der Produktionshalle stehen drei große Wickelmaschinen, aber man sieht nur wenige Arbeiter.

In Lauchhammer arbeiten wir rund um die Uhr, so dass sich die Mitarbeiter auf 4 Schichten und über 30.000 Quadratmeter verteilen – dadurch wirken diese großen Hallen oft leer. Gewickelt wird aber nicht Karbon, sondern Glasgelege und Fleece drum herum. Die Kohlefaser wird längs des Balkens dachschindelartig aus vorgefertigten Paketen gelegt. Diese Pakete bilden im Aushärteprozess ein homogenes Gefüge, so dass man die Übergänge nicht mehr erkennen kann. Um ganz sicher zu gehen, wird die gesamte Kohlefaserflanke des Balkens per Ultraschall auf Unregelmäßigkeiten wie Lufteinschlüsse, trockene Stellen oder potenzielle Gleitflächen gescannt. Wir beherrschen die Verarbeitung der Kohlefaser aber so gut, dass aus dieser Kontrolle praktisch keine Fehlermeldungen mehr kommen.

Wie hoch ist der Ausschuss?

Von den 12.000 Blättern, die wir bisher in Lauchhammer gefertigt haben, mussten wir keine 12 Stück verschrotten. Der Anteil solcher irreparablen Schäden liegt unter einem Promille.

Wie und wo beschaffen Sie die Kohlefaser. Und: Ist Kohlefaser durch die steigende Verwendung in der Autoindustrie billiger geworden?

Wir kaufen die Kohlefaser von zwei langjährigen Lieferanten. Diese Lieferanten arbeiten zu einem guten Teil exklusiv für uns und wir sind mit langfristigen Verträgen an einander gebunden. Das hat für uns die Preise stabil gehalten, als Kohlefaser knapp war. Weltweit ist Kohlefaser etwas günstige geworden. Aber man muss genau hinsehen, von welchen Qualitäten die Rede ist. Wir brauchen in der Windenergie keinen luftfahrzertifizierten Karbon, bei dem eine sehr hohe Parallelität der Fasern gegeben sein muss. Da sind wir toleranter.

Die Segel, wie sie die äußere Glasfaser-Struktur nennen, werden parallel als zwei Halbschalen produziert und dann über dem Karbon-Sandwich-Holm verklebt. Mit entscheidend für den Wirkungsgrad der Blätter und die Schallemissionen ist dabei die Hinterkante. Die Stärke der Hinterkante beträgt bei dem 56 Meter langen und elf Tonnen schweren Blatt der V 112 nur filigrane 2 Millimeter, der Kantenradius damit etwa einen Millimeter. Wie erreichen Sie diese Genauigkeit?

Wir sind tatsächlich stolz darauf, dass wir die Kante so beherrschen.

Besser als die Konkurrenz?

Die Kante ist zumindest schlanker als bei den meisten anderen Firmen. Das ist das Ergebnis von Fertigungsgenauigkeit: die Kante ergibt sich fast schon aus dem Verkleben der Rotorblätter. Fast heißt, dass wir hier und bei dem gesamten Rotorblatt nicht mehr in das Laminat schleifen. Wir versiegeln nur noch die Leimfuge und modellieren den Radius. Da die Stärke des finalen PU-Coatings jeweils ca. 0,2 mm beträgt, ist die Struktur des Laminats hier sehr filigran und die genaue Positionierung der Biax-Gewebe in der Schale entscheidend. Wir arbeiten hier mit Laser-gestützten Positioniersystemen.

Reicht diese Kante bei immer schärferen Anforderungen an die Schallemissionen noch aus? Oder planen Sie wie die Konkurrenz Kämme an den Hinterkanten?

Das Rotorblattdesign besteht aus Profil, Vorder- und Hinterkante und hat einen großen Einfluss auf den Schallleistungspegel einer Windanlage. Diese Werte werden bereits in der Design- und Prototypenphase ermittelt und sind Grundlage der Betriebsgenehmigung. Ob die gebauten Anlagen dann auch diese Werte einhalten, ist vor allem von der Fertigungsgenauigkeit und den realisierten Blattoberflächen abhängig. Die V112 hat ein „leises“ Profil, unter anderem dank der schlanken Hinterkante. Da wir dann in der Fertigung eine sehr hohe Maßhaltigkeit und makellose Blattoberfläche erreichen, brauchen die V112-Blätter keine zusätzlichen aerodynamischen Hilfsmittel, um die Anforderungen zu erfüllen.

 

Interview Teil 2: http://www.windindustrie-in-deutschland.de/interviews/in-der-windbranche-geht-es-vor-allem-um-die-uebertragung-von-strategien/ 

Source:
BWE
Link:
www.windindustrie-in-deutschland.de/...
Wind Energy Wiki:
Enercon, Blattspitze



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