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Windmesse-Interview mit der Stiftung OFFSHORE-WINDENERGIE
Windmesse: Klären Sie uns doch zunächst zum Hintergrund der Stiftung auf: Wer hat die Stiftung initiiert? Wie ist sie aufgebaut und was genau sind die Themenfelder/Projekte?
Andreas Wagner: Die Stiftung OFFSHORE-WINDENERGIE (Stiftung der deutschen Wirtschaft zur Nutzung und Erforschung der Windenergie auf See) wurde 2005 auf Initiative der Offshore-Industrie und des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) gegründet. Beteiligt waren außerdem die Küstenländer.
Ziel der Stiftung ist es, die Rolle der Offshore-Windenergie im Energiemix der Zukunft in Deutschland und Europa zu festigen und ihren Ausbau im Interesse von Umwelt- und Klimaschutz voranzutreiben. Sie hat sich als eine überparteiliche, überregionale und unabhängige Einrichtung zur Unterstützung der Windenergie auf See in Deutschland und Europa etabliert.
Unter den Kuratoren der Stiftung finden sich heute – neben Vertretern der Ministerien auf Landes- und Bundesebene – zahlreiche Akteure aus Branchenverbänden und regionalen Netzwerken, Hersteller von Offshore-Windenergieanlagen, Baugesellschaften und Zulieferer, Energieversorgungsunternehmen und Offshore-Planer, Banken, Finanzierungsgesellschaften, Versicherungen und Vertreter der maritimen Wirtschaft.
Erst im letzten Jahr ist der Ausbau der Offshore-Windenergie in Deutschland so richtig in Fahrt gekommen. Wie ist der derzeitige Ausbaustand und was ist in der nahen Zukunft an Zubau in Deutschland zu erwarten?
Auf See haben wir die Gigawattschwelle der gesamt installierten Leistung am Netz nun offiziell durchbrochen. Zum 31. Dezember 2014 speisten in der deutschen Nord- und Ostsee insgesamt 258 Offshore-Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von rund 1.050 Megawatt Strom ein. Das entspricht einem Investitionsvolumen von etwa vier Milliarden Euro. Dazu kommen Exporte der Turbinen-, Fundament- und Netztechnikhersteller.
2015 rechnen wir sogar mit bis zu 2 Gigawatt zusätzlicher Offshore-Leistung neu am Netz. Insgesamt sollen Ende 2015 etwa 3 Gigawatt an installierter Leistung am Netz sein, was einem Investment von rund 10 Milliarden Euro am Heimmarkt der deutschen Offshore Windindustrie entspricht.
Nach zähem Ringen ist im letzten Jahr endlich eine Reform des EEG beschlossen worden, die eine Deckelung des Offshore-Ausbaus beinhaltet. Sehen Sie darin zukünftig ein Problem für die Branche oder ist der Deckel weit genug gefasst?
Die EEG-Novelle 2014 hat den Investoren der Offshore-Branche insbesondere durch die Beibehaltung des sogenannten Stauchungsmodells bis Ende 2019 wieder Investitionssicherheit gegeben. Gleich darauf gab es erste Investitionsentscheidungen für Offshore-Projekte im Milliardenbereich, weitere werden dieses und nächstes Jahr erwartet. Damit sind wir auf einem guten Weg, die 2020-Ziele von 6,5 GW installierter Leistung zu erreichen. Die Ausbauziele der Bundesregierung für 2030 sollten aber noch einmal überdacht werden, damit die Dynamik beim Ausbau der Offshore-Windenergie kontinuierlich gehalten werden kann.
Die Offshore-Windindustrie steht als junger Industriezweig noch immer vor großen Herausforderungen. Eine davon sind die Kosten für Offshore-Projekte, die im Vergleich zu Windenergie an Land sehr hoch liegen. Wo sehen Sie Potenzial für Kostensenkungen? Bzw. können Sie mit der Arbeit der Stiftung aktiv dabei mithelfen Kosten zu senken?
Die von der Stiftung koordinierte und zusammen mit der Offshore-Industrie in Auftrag gegebene Prognos/Fichtner-Studie zur Hebung von Kostensenkungspotenzialen der Offshore-Windenergie hat gezeigt, dass die Kosten für Strom aus Offshore-Windenergie unter der Voraussetzung eines kontinuierlichen Ausbaus um rund ein Drittel in den nächsten 10 Jahren gesenkt werden können.
Zentraler Treiber der Kostensenkung ist die kontinuierliche technische Weiterentwicklung entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Insbesondere bei den spezifischen Investitionskosten können Einsparungen erreicht werden. So nehmen die Kosten für Tragstrukturen und weitere Komponenten sowie für die Installation pro Megawatt und pro Megawattstunden mit dem Größenwachstum ab. Der Einsatz größerer Turbinen senkt insgesamt die spezifischen Kosten, da die Stromerträge in Bezug auf die Investitionskosten deutlich steigen.
Der größte Hebel aber in der Lernkurve sind positive Projekterfahrungen und wachsende Stückzahlen. Sie senken Finanzierungskosten durch Risikovermeidung und Projektkosten durch Skaleneffekte. Die Reduktion der Ausbauziele in Deutschland für das Jahr 2030 wirkt daher in Bezug auf Kostensenkungsziele kontraproduktiv.
Ein weiteres Problem ist die Netzanbindung und der damit verbundene Aus- und Umbau der bestehenden Stromnetze an Land, der zum Teil in der Bevölkerung auf massiven Widerstand trifft. Was erwidern Sie Gegnern – warum ist der Ausbau unumgänglich?
Um die Herausforderung der Netzanbindung zu beheben hat der Gesetzgeber die Erstellung des Offshore-Netzentwicklungsplans vorgegeben, der die notwendigen Leitungen zur Anbindung der Offshore-Parks enthält. Um die Akzeptanz bei den Bürgern für den weiteren Netzausbau an Land zu verstärken, müssen die Bürger vor Ort mitgenommen werden. Letztlich brauchen wir für den erfolgreichen Ausbau der Erneuerbaren Energien auch den entsprechenden Leitungsausbau. Daran führt kein Weg vorbei.
Ein Projekt, an dem die Stiftung wesentlich beteiligt war, ist das Testfeld alpha ventus. Wie muss man sich die Arbeit an diesem Projekt vorstellen?
alpha ventus läutete den Beginn eines vielversprechenden Offshore-Windenergiezeitalters in Deutschland ein. Das Projekt ist der erste Offshore-Park vor der deutschen Küste und steht seitdem für einen erfolgreichen Aufbruch in eine neues Zeitalter der Energiegewinnung. Das Testfeld zeigte, dass Offshore-Projekte in Deutschland weit draußen auf dem Meer technisch wie ökonomisch erfolgreich realisierbar sind.
Die Projektrechte an dem ursprünglich unter dem Namen „Borkum West“ bekannten Offshore-Projekt wurden im September 2005 von der Stiftung Offshore-Windenergie erworben. Ende 2006 wurde der Standort als Testfeld zur Erprobung und Erforschung der Windenergiegewinnung auf dem Meer unter dem Namen ‚alpha ventus’ an die „Deutsche Offshore-Testfeld- und Infrastruktur-GmbH & Co. KG“ (DOTI) verpachtet. Das Betreiberkonsistorium wurde im Juni 2006 aus den Unternehmen EWE, E.ON und Vattenfall gegründet. Die Stiftung hat als Inhaberin der Genehmigungsrechte von alpha ventus den Gesamtprozess von der Idee (2005) bis zur Inbetriebnahme des ersten Windparks in deutschen Gewässern (2010) begleitet und moderiert.
Ein sensibles Thema sind die Umweltauswirkungen von Offshore-Parks. Welche Maßnahmen sind in Deutschland verpflichtend, um die Auswirkungen auf die örtliche Flora und Fauna so gering wie möglich zu halten?
Die Nutzung der Offshore-Windenergie - als Erneuerbare Energie - ist angewandter Umweltschutz. Bei der Stromproduktion entsteht kein klimaschädliches CO2 - anders als bei der Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle, Erdöl und -gas. Je mehr Strom aus Offshore-Windenergie gewonnen wird, desto umweltfreundlicher ist der Strom-Mix. Zudem hat die Offshore-Windenergie eine geringe energetische Amortisationszeit: Bereits nach einem halben Jahr hat sich der energetische Aufwand, der in Produktion und Installation der Anlagen geflossen ist, durch die saubere Stromproduktion zurückgezahlt.
Aber auch bei Bau und Betrieb von Offshore-Parks wird Umweltschutz großgeschrieben. Die gesetzlichen Auflagen zum Schutz der Meeresumwelt und besonders der Meereslebewesen schlagen sich bereits im Genehmigungsverfahren durch strenge Auflagen für Offshore-Windparks nieder. So müssen neben Untersuchungen zur Umweltverträglichkeit der geplanten Projekte umfassende Konzepte zum Schallschutz vorgelegt werden, um während der Bauphase - und besonders bei Rammarbeiten für Gründungsstrukturen - die lärmsensiblen und unter Artenschutz stehenden Schweinswale und andere marine Säuger zu schützen.
Das Bundesumweltministerium initiierte daher bei der Einführung der Offshore-Windenergie eine ökologische Begleitforschung, die die Einflüsse der Offshore-Technologie auf die maritime Umwelt untersucht und Ansätze zur Minimierung der negativen Auswirkungen entwickelt. Dazu dienen auch verschiedene Forschungsplattformen, die in der Nähe von Windparks installiert sind und u.a. Daten zum Vogelzug aufnehmen.
Die Forschungsergebnisse am Testfeld alpha ventus zeigen nach Angaben des BSH, dass der natur- und umweltverträgliche Ausbau der Offshore-Windenergie unter Berücksichtigung von Schutzmaßnahmen möglich ist. So haben sich an den Fundamenten der Anlagen künstliche Riffe gebildet, an denen sich Muscheln, Seeanemonen und Seesterne ansiedeln. Insgesamt konnte eine Zunahme der Artenvielfalt beobachtet werden. Auch eine erhöhte Anzahl an Fischen wurde beobachtet. Für viele Fischarten bieten die Anlagen ideale Habitatbedingungen und Fressgründe. Im Hinblick auf den Vogelzug hat sich gezeigt, dass bei Tag ziehende Vogelarten, wie Basstölpel, Seetaucher und Trottellummen dem Windpark gegenüber Meideverhalten zeigen.
Dagegen können nachts ziehende Arten mit Anlagen auf See kollidieren. Das Kollisionsrisiko lässt sich allerdings durch geeignete Beleuchtungsstrategien erfolgreich vermindern. Es bleibt die Aufgabe von Forschung, Politik und Wirtschaft Methoden zu entwickeln, um etwaige negative Auswirkungen durch Kollisionen oder Meidung auf ziehende und rastende Vogelarten zu vermindern.
Deutschland ist das Land mit den strengsten Richtwerten zur Schalleindämmung bei den Rammarbeiten weltweit. Gibt es von deutscher Seite aus Bestrebungen, die europäischen Partnerländer da mit ins Boot zu holen?
In der Bauphase des Testfeldes alpha ventus wurde erstmalig eine technische Maßnahme für die Reduktion des Schalls während der Installationsarbeiten an einem Fundament erprobt. Die Begleitforschung hat gezeigt, dass ohne technische Schallschutzmaßnahmen Schweinswale während der schallintensiven Rammarbeiten der Fundamente den Baustellenbereich in einer Entfernung von bis zu 15-20 km meiden. Das BSH hat bereits 2008 einen Grenzwert für den Rammschall eingeführt. Der Schallereignispegel in 750 Meter Entfernung darf 160 Dezibel nicht überschreiten. Rechtzeitig vor Baubeginn muss ein Windparkbetreiber ein geeignetes Schallschutzkonzept einreichen. Das Konzept muss Maßnahmen beinhalten, um Schweinswale für die Zeit der Rammung der Fundamente aus dem Gefahrenbereich zu vertreiben.
Den Schwerpunkt des Konzepts bilden insbesondere geeignete technische Lösungen zur Reduzierung des Schalleintrags im Wasser. Ein Beispiel für eine solche technische Lösung ist ein sogenannter Großer Blasenschleier, der bei mehreren Projekten zum Einsatz gekommen ist. Dabei wird mittels rund um die Rammstelle verlegten Schläuchen Luft aus Kompressoren ins Wasser gepumpt, so dass Schleier aus Luftblasen entstehen, die den Schall dämmen können.
Neben dem Großen Blasenschleier gibt es eine Reihe weiterer vielversprechender Entwicklungen, die sich bereits im Einsatz oder in der praktischen Erprobung befinden. So wurde bei verschiedenen Offshore-Parks in Deutschland bei den Rammarbeiten das sogenannte IHC-Rohr mit Erfolg eingesetzt. Bei diesem Verfahren wird ein zweischaliges Stahlrohr um den Rammpfahl installiert. Ein innen liegender (zum Pfahl hin) Blasenschleier ist eingebaut und umgibt das Fundament von allen Seiten. Strömungen und Wellenbewegungen können den Blasenschleier im Inneren des Rohrs nicht mehr verwirbeln. Dadurch kann der Schallschutz verlässlich und kontinuierlich gewährleistet werden. Eine weitere technische Entwicklung, der so genannte Hydroschalldämpfer (HSD) hat nach dem ersten seriellen Einsatz ebenfalls gute Ergebnisse geliefert.
Außerdem gibt es Tests mit sogenannten „Flüstergründungen“. Das dänische Unternehmen Dong, das europaweit Windparks betreibt hat vergangenes Jahr eine solche Gründung vorgenommen: Das derzeit in Erprobung befindliche „Suction Bucket Jacket“ besteht aus einer dreibeinigen Struktur mit Becherfundamenten, die mittels Ansaugverfahren in den Boden verankert werden. Das Fundament wird in einem einzigen Hub-und Montagevorgang installiert und Rammarbeiten werden vermieden so dass die Installation wesentlich geräuschärmer erfolgt. Dieser Gründungstyp wird zwar seit rund 20 Jahren in der Öl- und Gasindustrie eingesetzt. Allerdings wird er nun erstmalig für eine Windenergieanlage getestet. Erfahrungen aus diesen Test werden weltweit bei den Gründungen der Anlagen Anwendung finden.
Findet auf dem Gebiet des Umweltschutzes und der Forschung generell ein Austausch zwischen den verschiedenen Ländern statt oder kämpft jeder für sich allein?
Offshore-Windenergie ist internationales „Business“: Die gesamte Wertschöpfungskette von der Projektentwicklung über die Logistik bis zur Errichtung und Service der Offshore-Parks ist international geprägt. Zudem sind die einzelnen europäischen Länder unterschiedlich weit in ihrem Ausbau der Offshore-Windenergie. Durch Wissensaustausch und Best Practice Modelle können weniger fortgeschrittene europäische Regionen von weiter fortgeschrittenen Offshore-Ländern profitieren.
Im Forschungsbereich stellt das britische "Offshore Wind Accelerator"-Programm (OWA) des Carbon Trust ein gutes Beispiel für die internationale Zusammenarbeit dar. Vor kurzem startete das Programm den weltweit größten Test von schwimmenden LiDAR Messinstrumenten: Bis zu fünf unterschiedliche Messeinrichtungen verschiedener Hersteller des lasergestützten Verfahrens für Windmessungen sollen an drei Standorten in der Nordsee getestet und validiert werden. Der Einsatz von FLiDAR (Floating Light Detection and Ranging) kann zukünftig u.a. kostspielige Messmasten in der Nordsee während der Planungsphase von Offshore Windkraftwerken ersetzen.
Alle Bilder Copyright: Stiftung Offshore-Windenergie
- Autor:
- Katrin Radtke
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