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Älteste Großwindkraftanlage der Welt feiert 40. Geburtstag
Heute feiert die älteste, noch funktionstüchtige Großwindkraftanlage der Welt Geburtstag: Am 29. Mai 1975 fand der erste Spatenstich zum Bau der Anlage im dänischen Ulfborg in Westjütland statt. Zu dem Zeitpunkt hatte die Ölkrise die Energiemärkte der Welt fest im Griff, die einzige Alternative schien Atomkraft zu sein. Die Teilnehmer des Lehrerseminars der Tvind-Schule, einer alternativen Schulform in Dänemark, wollten das nicht hinnehmen und starteten stattdessen das Projekt der Tvind-Mühle, um zu beweisen, dass mit Windenergie eine Alternative zur Kernenergie vorhanden war. Zuvor hatte es einige halbherzige Versuche von großen Unternehmen gegeben, auf dem Gebiet der Windkraft zu experimentieren, aber keines der Projekte hatte eine ähnlich hohe Leistung wie die geplante Großwindanlage.
Pionierarbeit per Annonce
Per Zeitungsinserat wurden daher Menschen zum Bau des größten Windkraftwerks der Welt gesucht und so starteten im Mai 1975 400 Lehrer, Schüler und Freiwillige mit dem Bau der Anlage auf dem Schulgelände. Drei Jahre dauerte der Bau, bei dem Vieles Pionierarbeit war: „Viele Entscheidungen wurden erst während des Baus getroffen. Ständig kamen neue Fragen auf. Zwar wurde Hilfe bei Experten gesucht, aber letztlich mussten wir alle Entscheidungen selbst treffen, basierend auf unserem logischen Menschenverstand“, beschreiben die Bauherren die Anstrengungen im Nachhinein.
Die Komponenten für die Windkraftanlage waren zum größten Teil Second-Hand-Bauteile aus schwedischen Industrieanlagen, zum Beispiel aus einer Kupfermine, der erste Frequenzumrichter war eine Prüfungsarbeit der Dänischen Technischen Universität. Das einzige, was eigens angefertigt werden musste, waren die drei Rotorblätter, die jeweils 27m lang sind und an der Gondel auf dem 54m hohen Turm befestigt wurden. „Tvindkraft hat gezeigt, dass dort, wo sich Menschen mit einer Vision zusammentun, nachdenken und ihre Mühe in ein gemeinsames Projekt stecken, neue Wege beschritten werden können“, so die Lehrer der Tvind-Schule.
Größtes Windkraftwerk Europas geht in Betrieb
Am 26. März 1978 begann die Anlage mit der Stromproduktion. Bis in die 1990er Jahre hinein handelte es sich bei der Turbine um das größte Windkraftwerk Europas, bis zum Jahr 2000 blieb sie die größte Anlage in Dänemark. Die Turbine verfügt über eine Leistung von 2 Megawatt, lief aber von Anfang an mit einer Maximalleistung von 1MW. Tests hatten im Vorfeld gezeigt, dass die Anlage nicht mehr zu kontrollieren war, wenn sie auf Hochtouren lief, weshalb man sich dazu entschloss, sie zu drosseln. Mittlerweile weiß man auch, das die Rotorblattlänge von 27m für eine Leistung von 1MW am besten geeignet ist.
Probleme gab es zunächst auch mit dem Stromnetz, das überfordert mit dieser Art von Energieproduktion war. So konnten im ersten Betriebsjahr nur 400kw ins Netz eingespeist werden, die restlichen 500kw wurden stattdessen an einen Heizstab weitergegeben, der die Zentralheizung der Tvind-Schule versorgte.
Langlebige Originalteile
Die Windkraftanlage ist heute noch weitestgehend mit den Originalteilen in Betrieb, einzig die Rotorblätter und die Lager der Blätter mussten seitdem ausgetauscht werden. Bis Ende 2014 ist die Anlage 150.540 Betriebsstunden gelaufen, dabei wurden 20.000.000 kWh Strom erzeugt.
Growian - Ein Projekt scheitert
Andere Großwindkraftanlagen der Zeit konnten diese Erfolgsgeschichte nicht fortschreiben. Berühmtestes Beispiel aus Deutschland ist der Growian, eine staatlich geförderte Windkraftanlage, die zur Technologieerprobung in den 1980er Jahren im Kaiser-Wilhelm-Koog in der Nähe von Marne errichtet wurde. Ähnlich wie die Anlage in Dänemark handelte es sich dabei um einen Leeläufer, der allerdings nur zwei Rotorblätter hatte und zeitweilig als die größte Windkraftanlage der Welt galt. Auch diese Anlage konnte aufgrund von Konstruktionsfehlern nicht bei voller Leistung laufen und stand die meiste Zeit ihrer Lebensdauer von 1983 bis 1987 still. Die Anlage verfügte eigentlich über 3 MW und kostete 54 Millionen Euro. Heute gilt der Growian als einer der größten Fehlschläge in der Geschichte der Windenergie-Nutzung. Die Anlage in Dänemark war mit 6,5 Millionen DKK (ca. 872.000 Euro) dagegen noch vergleichsweise günstig.
Sie läuft und läuft und läuft...
1999 erhielt Tvindkraft den markanten rot-weißen Anstrich, den die Anlage noch heute besitzt. Im Sockel befindet sich eine Ausstellung mit Fotos aus der Bauzeit, sie kann werktags besichtigt werden. Der Strom der Anlage wird heute von der Tvind-Schule genutzt, deren Lehrer sich der Pionierarbeit bewusst sind: „Am 29. Mai 1975 haben wir den ersten Spatenstich zum Bau der weltgrößten Windkraftanlage gefeiert. Im gleichen Jahr wurde das schwedische Atomkraftwerk Barsebäch in Betrieb genommen. Am 29. Mai 2005 feierte Tvindkraft seinen 30. Geburtstag. Ein paar Tage später wurde das schwedische Atomkraftwerk Barsebäch wieder abgeschaltet.“ Nun steht der 40. Geburtstag von Tvindkraft an – und die Anlage läuft immer noch.
Foto: By Eldrichr (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons
Fotos aus der Bauphase Copyright: www.tvindkraft.dk (No Copyright Infringement intended)