2024-12-22
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Was ist eine Windfarm?

Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Juni 2004 von großer Bedeutung!

Was ist eine Windfarm? Die Frage klingt harmlos und stellt sich seit dem 03.August 2001. Zu diesem Zeitpunkt ist das sogenannte Artikelgesetz in Kraft getreten, mit dem der Gesetzgeber unter anderem die UVP-Änderungsrichtlinie der EU umgesetzt hat. Eine der europarechtlichen Vorgaben lautete, auch Windfarmen künftig einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen. Seither unterfallen Windfarmen mit mindestens drei Anlagen nicht nur dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG), sondern sind auch im Verfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) zu genehmigen. Das erschien (und erscheint) vielen Windmüllern jedoch als zu teuer, zu langwierig und zu aufwendig. Man verfiel deshalb auf die Idee, den eigentlich beabsichtigten Windpark mit 15, 20 oder mehr Anlagen einfach in viele kleine Vorhaben mit einer oder zwei Anlagen aufzustückeln, um weiter im vertrauten Baugenehmigungsverfahren bleiben zu können. Das BImSchG sieht zwar die Zusammenrechnung von Anlagen vor, die in einem engen räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehen. Eine solche "gemeinsame Anlage" liegt nach herrschender Meinung aber nur vor, wenn es für die Einzelanlagen nur einen Betreiber gibt. Dem wurde geflissentlich dadurch Rechnung getragen, dass für die Einzelvorhaben jeweils andere Anlagenbetreiber benannt wurden. Umschiffen konnte man damit auch das UVPG, das zwar Anlagen unterschiedlicher Betreiber zu "kumulierten Anlagen" zusammenzählt. Generöser Weise will der Gesetzgeber aber nur Vorhaben mit mindestens drei Anlagen kumulieren. Obwohl die europarechtlichen Zielvorgaben deutlich verfehlt wurden, schien die "Salami-Taktik" aufzugehen. Folgerichtig wurde von ihr in der Praxis lebhafter, manchmal allzu lebhafter Gebrauch gemacht. Damit ist seit dem 30.Juni 2004 ein für allemal Schluss. An diesem Tag beantwortete das BverwG die eingangs gestellte Frage ebenso schlank wie unmissverständlich:

Eine "Windfarm" i.S. der Nr. 1.6 der Anlage 1 zum UVPG und der Nr. 1.6 des Anhangs zur 4. BImSchV ist dadurch gekennzeichnet, dass sie aus mindestens drei Windkraftanlagen besteht, die einander räumlich so zugeordnet sind, dass sich ihre Einwirkungsbereiche überschneiden oder wenigstens berühren. Sobald die für eine "Windfarm" maßgebliche Zahl von drei Windkraftanlagen erreicht oder überschritten wird, ist unabhängig von der Zahl der Betreiber ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren durchzuführen.

Die Folgen für die Windenergiebranche darf man getrost als verheerend bezeichnen. Derzeit sind eine Unzahl von Verfahren anhängig, in denen es um die Erteilung eines Bauvorbescheids oder einer Baugenehmigung geht, jedoch wegen bereits am Standort vorhandener Anlagen eine Windfarm entsteht und ein BImSchG-Verfahren durchzuführen ist. Soweit nach dem 03. August 2001 noch in entsprechender Situation Baugenehmigungen erteilt worden sind, sind diese rechtswidrig. Errichteten Anlagen droht die Stilllegung, wenn Zweifel an der materiellen Rechtmäßigkeit bestehen. In den Verfahren, die womöglich seit Jahren vor den Verwaltungsgerichten anhängig sind, wird zu prüfen sein, ob der Klageantrag noch umgestellt werden kann auf die Erteilung einer Genehmigung nach dem BImSchG. Das eine solche Klageänderung vor den Tatsachengerichten - nicht aber in der Revisionsinstanz - zulässig sein kann, hat das BVerwG in seinem Urteil angedeutet. Immerhin das tröstet.
Quelle:
Vorabmeldung aus der Fondszeitung
Autor:
Rechtsanwalt Dr. Ulf Hellmann-Sieg,<br>Rechtsanwälte Klemm & Partner, Hamburg - Bergedorf
Email:
info@klemmpartner.de
Windenergie Wiki:
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