Meldung von DGS Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie e.V.
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Mehr als warme Luft war im Windgipfel nicht drin
Bundeswirtschaftsminister Altmaier sagte, in den nächsten Wochen solle es weitere Stellungnahmen und Diskussionen geben. The show will go on. Das Treffen über den Ausbau der Windkraft, zu dem Altmaier am Donnerstag geladen hatte, war medial groß aufgebauscht, doch mit den politischen Absichten des Gastgebers stand es im groben Missverhältnis. Trotzdem traf sich, neben Vertretern von Bund, Ländern und Kommunen alles, was in der Branche Rang und Namen hat. Das reichte vom Bundesverband Windenergie (BWE), dem Verband kommunaler Unternehmen (VKU), dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) bis zu Greenpeace und der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Die im Vorfeld abgegebenen Statements reichten von einem aufstöhnenden „endlich“ bis zu „hausgemachter Krise“ und der Kritik an zu „großen Hürden für neue Windanlagen“.
Die Grünen und die Kommunen fordern, den Ausbau der Windenergie zu beschleunigen. Grünen-Fraktionschef Hofreiter sagte, nötig seien mehr Flächen für Windräder. Natürlich war auch davon die Rede, dass rund 1.000 Bürgerinitiativen dem Windzubau das Leben schwer machten. Wobei die Herkunft und Zielsetzung der Aktivitäten dieser Initiativen recht gegensätzlich interpretiert wurde. Und natürlich wurde die Karte gespielt, dass der Ausbau der Windkraft in Einklang mit dem Naturschutz zu bringen sei. Einig war man sich nur darin, dass es sich um eine heftige Krise handelt. Uneinig war man sich schon wieder darüber, dass es sich um eine Krise mit Ansage handelt – übrigens nach der Krise der Photovoltaik - die zweite Krise einer Erneuerbaren-Branche als Folge der Ausschreibungen.
Im ersten Halbjahr 2019 wurden in Deutschland an Land 86 Windenergieanlagen (WEA) errichtet. Dies entspricht einem Brutto-Zubau in Höhe von 287 MW und stellt den geringsten Zubau in einem Halbjahr seit Einführung des Erneuerbare Energien-Gesetzes (EEG) im Jahr 2000 dar. Der sich bereits im letzten Jahr ankündigende Rückgang nach den Rekordjahren von 2014 bis 2017 setzt sich damit deutlich fort. Verglichen mit den ersten sechs Monaten 2018 ist der Zubau um 82 % gesunken. Unter Berücksichtigung eines Rückbaus von 51 WEA mit einer Gesamtleistung von 56 MW ergibt sich für das erste Halbjahr 2019 ein Nettozubau von 231 MW. Der erfasste kumulierte Anlagenbestand steigt damit zum 30. Juni 2019 auf 29.248 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 53.161 MW.
Brisant sind die Arbeitsplatzverluste. Der Absturz der Branche hat zu einem Rückgang von rund 26.000 Arbeitsplatz geführt, eine Größenordnung die in etwa der der Braunkohle in den vier deutschen Revieren gleich kommt. Allerdings wird dieser Arbeitsplatzverlust nicht mit Milliarden aus dem Bundeshaushalt vergoldet, ebenso wenig wie damals der Verlust von 80.000 Arbeitsplätzen in der Photovoltaik. Parteien und Medien sind nach wie vor wenig interessiert am Schicksal der Beschäftigten in den Branchen der Erneuerbaren, wohingegen das Schicksal der Kohlekumpel sie zu Tränen rührt und in Sondersendungen abgefeiert wird.
Wir wollen uns hier aber nicht mit den Details der Abstandsregeln befassen, der Definition von Bürgerenergie im Zusammenhang mit den vermaledeiten Ausschreibungen oder der Frage, wie die Kommunen steuerlich wenigstens etwas von den Windkraftanlagen partizipieren können. Dazu haben bereits Wirtschaftsverbände und NGOs im Vorfeld des Windgipfels am 5. September einen gemeinsamen 10-Punkte-Plan zur Windenergie vorgelegt. Darin heißt es: „Die Genehmigungssituation und die jüngsten Ausschreibungsergebnisse stehen in scharfem Kontrast zu dem notwendigen Ausbaupfad in Richtung des Ziels, 65 Prozent des Strombedarfs bis 2030 aus Erneuerbaren Energien zu bestreiten“.
Viel wichtiger erscheint uns die Tatsache, dass wir in der jüngsten Vergangenheit einen Paradigmenwechsel erlebt haben, der von nahezu allen der Teilnehmer am Show Event Windgipfel kaum zur Kenntnis genommen wird. Bundesregierung und Energiekonzerne, allen voran die mit dem Gasgeschäft verbundenen Unternehmen, haben Abstand genommen von der, wie sie es formulieren, „all electric society“. Gemeint ist das, was unter Energiewendefreunden das 100-Prozent-EE-Ziel genannt wird. Ganz offensichtlich ist dieser Umschwung nicht gerade neuesten Datums, aber in der Politik der Groko und vor allem des Wirtschaftsministeriums wurde das bislang nicht so deutlich formuliert und an die große Glocke gehängt.
Das ist auch nach dem Abschlussbericht der Kohlekommission nicht so formuliert worden. Da wurde die Nachfolge der Kohle eine Weile mit dem Begriff des Fuel switch verschleiert, der allerdings viele Solar- und Windfreunde nicht an einen Paradigmenwechsel denken ließ. Es dürfte also kein Zufall sein, dass der Windgipfel keine konkreten Ergebnisse gebracht hat. Sollte er wohl auch nicht. Es ist die Art Showveranstaltung, die von den Politikern und Parteien der Merkel-Koalitionen schon immer gepflegt wurde. Die Klimakanzlerin vor der arktischen Eis-Kulisse mit Altmaier-Vorgänger Gabriel ist vielleicht noch am ehesten in Erinnerung geblieben. Da nützt es auch nichts, sich an den Erzeugungsrekorden der erneuerbaren Stromerzeugung zu berauschen, wie das kürzlich anhand der Zahlen der Energy Charts des Fraunhofer ISE der Fall war.
Energiekonzerne und Bundesregierung steuern schon längst auf einen neuen “Energiemix“ zu, der aus Erdgas plus Photovoltaik, Wind-, Wasserkraft und Biomasse bestehen soll. Auch wenn die Erneuerbaren 2019 in Deutschland im sechsten Monat in Folge mehr Strom erzeugten als fossile Energieträger, ist nicht damit zu rechnen, dass Erdgas aus diesem Mix verdrängt werden wird oder werden soll. Im Gegenteil, folgt man den Linien der Weltenergiepolitik, deren aktiver Bestandteil die Politik der Bundesregierung ist, so steuern wir auf ein neues Erdgaszeitalter zu. Wie destruktiv das in Hinblick auf die Klimakrise sein wird, liegt zwar auf der Hand, aber so lange auch von Energiewendefreunden dies als Brückentechnologie verklärt wird, dürfte sich kaum Widerstand dagegen aufbauen lassen.
So liegt es auch in den Händen der Industrieverbände der Erneuerbaren, vornehmlich am Bundesverband Wind (BWE) und dem Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE), sich nicht mehr an den Propagandaveranstaltungen des Hauses Altmaier zu beteiligen. Stattdessen sollten sie sich offen und schonungslos mit dem Paradigmenwechsel hin zum fossil gelenkten Energiemix auseinandersetzen. Und sie sollten entscheiden, ob sie und ihre Mitglieder sich mit einer Rolle in der zweiten Reihe zufrieden geben wollen, in der erneuerbare Stromerzeugung die Rolle des Zulieferers spielt und der Traum von 100 % dezentralen Erneuerbaren der Vergangenheit angehört. Oder sie lassen sich etwas mehr als die Anpassung an die gegenwärtige Energiepolitik einfallen.
- Quelle:
- DGS
- Autor:
- Klaus Oberzig
- Link:
- www.dgs.de/...
- Keywords:
- DGS, Windgipfel, Ergebnis, Show, Event, Arbeitsplatz, Handlung, Windbranche, Industrie, fossil, Energieträger
- Windenergie Wiki:
- WEA, MW, BWE, Ausschreibungen