2024-12-04
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Hamburg Offshore Wind Conference 2015

Das neue Ausschreibungssystem, das 2016 in Deutschland eingeführt wird, findet wenig Anklang in der Offshore-Branche. Während der Hamburg Offshore Wind Conference wird darüber viel diskutiert.

Gestern und heute dreht sich im Hotel Hafen Hamburg in der Hansestadt alles um die Offshore-Windenergie. Dort findet zur Zeit - organisiert von der DNV GL  - die 13. Hamburg Offshore Wind Conference statt. Allumfassend ist dabei weiterhin – wie auch schon auf der vor kurzem beendeten HUSUM Messe – das Thema Ausschreibungen, die ab 2016 in Deutschland auch im Bereich der Offshore-Windenergie eingeführt werden sollen.

Michael Pollmann, Hamburger Staatsrat für Umwelt und Energie, wies in seiner Begrüßungsnote darauf hin, dass sich während des G7-Gipfels im bayrischen Elmau Anfang Juni die führenden Industrienationen erstmals darauf geeinigt haben, bis 2050 die Dekarbonisierung entscheidend voranzutreiben. Die Entwicklung der erneuerbaren Energien und hier insbesondere der Offshore-Windenergie stehen dabei im Fokus. Er betonte die Rolle der Energiewende Deutschlands als Vorbild. „Es herrscht weltweit großes Interesse daran, was in Deutschland passiert“, so Pollmann, der vorher beruflich in Südamerika tätig war und aus erster Hand über das Interesse an Technologieentwicklung, aber auch der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung berichten konnte. Dabei spiele nicht mehr nur alleine die reine Stromerzeugung eine Rolle, sondern auch andere Industriezweige wie Elektromobilität, Speichertechnologien oder Power-to-Heat.

Die derzeit in Deutschland aktuelle Diskussion um die geplanten Ausschreibungen führten bei ihm zu einer „intellektuellen Überforderung“, wie er zugab, da der Diskurs von den Experten derzeit in viele verschiedene Richtungen unterhalten wird. Da sei es nicht immer einfach für die Politik hinterher zu kommen. Er plädierte dafür, gemeinsam dafür zu sorgen, dass die „Akteursvielfalt erhalten und der Wettbewerb als Instrument der Kostenreduktion“ bestehen bleibt. „Wir müssen den Fadenriss vermeiden“, so Pollmann.

Auch bei der anschließenden Panel-Diskussion mit hochrangigen Vertretern aus Industrie, Politik und Wirtschaft drehte sich alles um die Ausschreibungen. Prof. Dr. Claudia Kemfert vom Deutschen Wirtschaftsinstitut DWI wurde deutlich: „Ich bin keine Freundin der Ausschreibungen.“ Die Erfahrungen aus anderen Ländern seien „eindeutig“ – eine Kostenreduktion finde nicht statt. Die bereits durchgeführten Ausschreibungsrunden in der Photovoltaik, die auch als Probelauf für die Windenergie gesehen werden, haben bereits deutlich gemacht, dass es zu einem „strategischen Bieterverhalten“ gekommen sei, was der Branche schade. Auch fand sie es nicht schlüssig, warum die Bundesregierung ausgerechnet jetzt auf die Idee komme, ein funktionierendes Konzept aufzugeben, um Mit einem neuen System zu experimentieren.

Ähnlich sah es Norbert Giese, der neben seiner Funktion als Vorstandsmitglied beim Turbinenhersteller Senvion auch im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) tätig ist. Momentan habe Deutschland eine einmalige Position: Die Akteursvielfalt beim Bau von Offshore-Windparks sei in keinem anderen europäischen Land so groß wie hier. Dies sei durch die Einführung von Ausschreibungen aber akut gefährdet. Außerdem wies er daraufhin, dass es eine Lücke im Ausbau nach 2020 geben werde, denn die Entwicklungsdauer von Offshore-Windparks, die derzeit bei mehr als zehn Jahren liegt, passe nicht zu den von der Bundesregierung festgelegten Übergangszeiten.

Urs Wahl, derzeit Kommissarischer Geschäftsführer bei der wab, warnte dagegen vor einer „angst-gesteuerten Debatte“. Die Branche sei derzeit in Aufruhr, da keiner genau wisse, wie es weitergehe. Daher habe man Angst vor den zukünftigen Kosten, Angst um die Jobs, Angst vor einem Imageverlust für Deutschland. Er plädierte dafür, das neue EEG im Vorfeld ganz genau zu durchdenken, denn man könne nach einer Systemänderung nicht einfach zum vorherigen Status zurückkehren, sollten Änderungen sich als nicht zuträglich erweisen. Er forderte alle Beteiligten auf, „mit Augenmaß“ zu handeln.

Über die Frage, ob seine Behörde mit Einführung der Ausschreibungen arbeitslos werde, konnte Dr. Nico Nolte vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie zwar noch lachen, aber auch er musste zugeben, dass im BSH eine gewisse Verunsicherung herrscht. Es müsse schließlich erst noch festgelegt werden, was zum Beispiel mit den Genehmigungen passiere, die bereits erteilt worden seien, oder was zukünftig mit dem Planfeststellungsverfahren geschehen soll.

Jürgen Blume von Iberdrola Deutschland wies daraufhin, dass die Rolle der Offshore-Windenergie im zukünftigen Strommix nicht unterschätzt werden dürfe. Iberdrola baut derzeit in der deutschen Ostsee den Offshore-Park Wikinger, der voraussichtlich 2017 ans Netz geht. Gerade das Zusammenspiel zwischen Parks in der Nord- und Ostsee führe dazu, dass man für Deutschland die Aussage treffen könne „Irgendwo weht immer Wind!“, daher sei die Offshore-Windenergie die stabilste Kraft unter den erneuerbaren Energien. Allerdings müsse der bisher ausgeschriebene Deckel dazu angehoben werden, denn die derzeit angesetzten Zahlen seien viel zu niedrig. „Ein Markt sollte selbst definieren, wie viel noch möglich ist“, untermauerte auch Kemfert die Position des DWI zum Thema Deckel. Die wab plädiert ebenfalls für die Abschaffung des „rigiden Deckels“, wie er vorgeschlagen wurde.

Einziger Befürworter der Ausschreibungen unter den Teilnehmern des Panels war Felix Würtenberger von Vattenfall. Bei dem schwedischen Konzern ist man der Ansicht, dass es sich dabei um das „richtige, effiziente und faire Modell“ handelt. Das Unternehmen konnte vor Kurzem in Dänemark die Ausschreibung für Horns Rev 3 mit einem enorm niedrigen Stromgestehungspreis gewinnen und sieht sich daher auch für die deutschen Runden gut aufgestellt. Allerdings wies auch er darauf hin, dass gewisse Ausbauzahlen nicht unterschritten werden dürften, sonst bekäme die deutsche Offshore-Industrie Probleme. Zusätzlich legte er Wert auf die Feststellung, dass bei der Kostenreduktion noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht sei: Größere Turbinen, leistungsfähigere Fundamente und ein verbessertes Finanzierungssystem bieten in seinen Augen noch Spielraum für Preissenkungen.

Zum Abschluss wollte Norbert Giese noch eine Tatsache betont wissen, die gerade in der öffentlichen Diskussion oftmals zu kurz kommt: Deutschland hat aufgrund der enormen Stromproduktion durch erneuerbare Energien zwar die niedrigsten Industriestrompreise aller EU-Staaten, doch gelten diese Preise eben nur für die Unternehmen, die ihren Strom nicht tarifgebunden an der Strombörse einkaufen können. Auf der anderen Seite liegen die Preise für die (tarifgebundenen) Verbraucher in Deutschland  an zweithöchster Stelle in der EU – nur in Dänemark sind sie noch höher. Hier herrscht ein Ungleichgewicht, das dringend behoben werden muss, auch um die öffentliche Akzeptanz der erneuerbaren Energien nicht zu gefährden.

Autor:
Katrin Radtke
Email:
kr@windmesse.de
Windenergie Wiki:
Windpark, Turbine, Offshore, Hamburg, Energiewende, Dekarbonisierung, Ausschreibungen



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