2024-11-05
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Wie nachhaltig ist die EU wirklich?

Die Mitgliedsstaaten müssen bis Ende April ihre 'Recoverypläne' zur Verwendung der Gelder aus dem EU-Wiederaufbaufonds in einer Gesamthöhe von 672,5 Mrd. Euro vorlegen. Verschiedene Umweltorganisationen schauen genauer hin und nehmen die Pläne unter die Lupe: Wofür wird das Geld ausgegeben? Klimaschutzmaßnahmen oder doch eher klimaschädliche Aktionen?

Das Konjunkturpaket der EU beläuft sich zusammen mit dem EU-Haushalt 2021-2027 auf insgesamt 1,8 Billionen Euro und ist damit das größte Finanzpaket, das jemals in der EU geschnürt wurde. Es dient dazu, die Wirtschaft in Zeiten der Pandemie anzukurbeln und für den Wiederaufbau fit zu machen. Gleichzeitig soll die finanzielle Unterstützung für die Umsetzung des Green Deals zur Bewältigung der Klimakrise und zum Aufbau nachhaltigerer, widerstandsfähigerer Gesellschaften und Volkswirtschaften verwendet werden.

Die Kampagne 'EU Cash Awards' des Climate Action Network (CAN) Europe, ein Netzwerk von Umweltorganisationen aus ganz Europa, hat nun damit begonnen, die bereits vorliegenden Pläne dahingehend zu untersuchen, ob sie wirklich grün sind oder doch eher klimaschädliche Maßnahmen unterstützen. Dabei kommt ein Ampelsystem zum Einsatz: Es werden gute (grün), schlechte (gelb) und hässliche („ugly“, rot) Maßnahmen nominiert, bis Ende April die drei herausragenden Vorhaben ausgezeichnet werden, wie die Organisation Germanwatch mitteilte, die an der Kampagne beteiligt ist.

Bereits jetzt ist absehbar, dass viele der Pläne Mängel aufweisen. Darunter fallen Elemente des Greenwashings oder Maßnahmen, die die Chance auf einen echten Wandel verpassen. CAN Europe listet hier unter anderem auf: Verpasste Gelegenheiten für Investitionen in einen emissionsärmeren Verkehrssektor in Deutschland, Frankreich, Polen, Portugal, Slowenien und der flämischen Region Belgiens. Außerdem bleiben einmal mehr Investitionen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz – trotz des großen Potenzials – in Deutschland, Frankreich, Bulgarien, Tschechien und Lettland aus. Auch die französischen und spanischen Investitionspläne zur Finanzierung von „nicht ganz so grünem Wasserstoff“ lassen aufhorchen.

Die rote Ampel leuchtet unter anderem für Maßnahmen, die darauf abzielen, die Nutzung fossiler Brennstoffe wie Öl, Kohle oder Gas zu fördern. Darunter fällt der französische Blankoscheck im Wert von 2,5 Milliarden Euro für Öl- und Gasunternehmen sowie kohlenstoffintensive Industrien. Aber auch einige osteuropäische Länder investieren lieber in umweltschädliche Müllverbrennungsanlagen oder Rettungspakete für angeschlagene Luftfahrtunternehmen.

„Der bisherige Entwurf des Aufbauplans bleibt insgesamt deutlich hinter dem Finanzierungbedarf zum Erreichen der Klimaziele zurück“, bilanziert Audrey Mathieu, Referentin für EU-Klimapolitik bei Germanwatch, über die deutschen Pläne. „Abgesehen von positiven Ausnahmen, wie der Förderung grünen Wasserstoffs, geht die größte Volkswirtschaft der EU leider überhaupt nicht mit gutem Beispiel voran: eine viel zu niedrige Unterstützung der Gebäudesanierung, keine Mittel für den Erhalt der biologischen Vielfalt - in weiten Teilen verdient der Entwurf das Urteil „mangelhaft“. Die Kaufprämie für Plug-In Hybride verletzt sogar das „Do No Significant Harm“-Prinzip, nach dem keine Maßnahme Mensch und Umwelt schaden darf. Deshalb leuchtet unsere Maßnahmen-Ampel zurzeit Dunkelgelb.“

Aber auch die Franzosen sind damit unzufrieden, wie ihre Regierung das Geld ausgeben möchte: Neil Makaroff, EU-Politikbeauftragter bei Réseau Action Climat France, erklärte: „Konjunkturprogramme sind eine einmalige Gelegenheit, Investitionen mit größeren Klimaambitionen in Einklang zu bringen und Europa auf den Weg zur Klimaneutralität zu bringen. Leider zeigt Frankreichs Konjunkturprogramm keine Führungsrolle beim grünen Aufschwung und entwirft keinen Plan für eine widerstandsfähige, klimafreundliche Zukunft: 20 Milliarden Euro des Konjunkturprogramms werden für eine beispiellose Steuersenkung für Frankreichs größte und damit umweltverschmutzendste Unternehmen verwendet, während ein begrenzter Betrag direkt in die Renovierung der Häuser der schwächsten und ärmsten Haushalte fließt.“

Es gibt allerdings auch positive Beispiele wie aus Estland, wo die Region Ida-Virumaa aus der Ölschieferverbrennung im Heizungssektor aussteigen will. Konjunkturmaßnahmen der polnischen Regierung, wie das Fördern von Energiegemeinschaften und Energieeffizienz in Gebäuden oder die geplanten Investitionen der belgischen Region Wallonien sind EU-Investitionen, die Menschen und Klima dienen.

Ehrgeizige Pläne für eine grenzübergreifende europäische Lösung haben die beteiligten Partner vorgelegt (Grafik: Ørsted)

Wie es auch gehen kann, zeigen zur Zeit Pläne aus den Niederlanden und Belgien. Dort plant die lokale Industrie in Zusammenarbeit mit den Regionalregierungen mit 'SeaH2Land' die Elektrolyse im Gigawatt-Maßstab, um den großen industriellen Bedarf im niederländisch-flämischen Nordseehafen-Cluster durch eine regionale grenzüberschreitende Pipeline zu verbinden. Der grüne Strom, der für die Produktion des erneuerbaren Wasserstoffs benötigt wird, soll aus dem Ausbau zusätzlicher Offshore-Windparks stammen, weshalb man sich Ørsted mit ins Boot geholt hat. Jetzt müssen nur noch die Regierungen der beiden Länder für die entsprechenden Rahmenbedingungen sorgen.

Steven Engels, General Manager Benelux, Ørsted, erklärt den Vorgang: „SeaH2Land wird den Niederlanden helfen, den Ausbau der Offshore-Windenergie zu beschleunigen und auf ihr Ziel von 3-4 GW Elektrolyseur-Kapazität bis 2030 hinzuarbeiten. SeaH2Land bietet den Niederlanden und Belgien die Möglichkeit, der Verwirklichung ihrer Klimaziele für 2030 näher zu kommen, indem sie die Kohlenstoffemissionen im Industriesektor reduzieren. Die Regierungen können diesem Vorzeigeprojekt helfen, indem sie einen speziellen Fördermechanismus und ein Programm für erneuerbaren Wasserstoff einrichten, das an Offshore-Wind gekoppelt ist. Dies sollte die notwendige industrielle Skalierung unterstützen, um die Kosten für erneuerbaren Wasserstoff zu senken.“

Für das Projekt würde es mit Sicherheit eine grüne Ampel geben.

Autor:
Katrin Radtke
Email:
presse@windmesse.de
Keywords:
CAN Europe, Germanwatch, Umwelt, Klimaschutz, EU, Förderung, recovery, Wiederaufbau, Ørsted, offshore, Windpark, Effizienz, Maßnahme



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