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Schlechtes Zeugnis für Energiewende in Deutschland
Deutschland wird die selbst gesteckten Klimaschutzziele 2020 verpassen, so viel steht fest. Trotz zuletzt rückläufiger Zahlen liegt die Bundesrepublik mit aktuell 854 Mio. Tonnen CO2-Äqivalent (CO2e) im Jahr derzeit mehr als 100 Mio. Tonnen über dem Ziel für 2020. Gemessen am Ziel für 2030 ist der Ausstoß sogar fast 300 Mio. Tonnen zu hoch, wie der aktuelle Energiewende-Index von McKinsey belegt. Seit 2012 veröffentlicht die Beratungsgesellschaft halbjährlich den Index zur Umsetzung der Energiewende.
Und auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) mit Sitz in Berlin kritisiert den Stand der Energiewende. So hat die vor 20 Jahren in Kraft getretene ökologische Steuerreform ihre Ziele – die Entlastung der Rentenversicherung und eine bessere Energieeffizienz – nur zum Teil erreicht. Zwar generiert die sogenannte ‚Ökosteuer‘ Steuereinnahmen, die bis heute das Rentensystem entlasten, doch sie hat nicht wie gewünscht dazu geführt, dass der Energieverbrauch und somit die Treibhausgasemissionen in Deutschland nachhaltig sinken. Zu diesem Schluss kommen zwei Studien des DIW, die das Jubiläum der Ökosteuer zum Anlass nehmen, Bilanz zu ziehen.
Grafik: DIW Berlin
„Umweltpolitisch war die Ökosteuer ein Flop“, macht Energieexpertin Claudia Kemfert deutlich. Die Steuersätze auf die verschiedenen Energieträger waren zu niedrig, um den Verbrauch nachhaltig zu senken. Das gilt insbesondere im Bereich Wärme (Heizöl und Erdgas). Die Besteuerung der Kraftstoffe hat zwar zu einer leichten Reduktion der Emissionen im Verkehrsbereich geführt, aber auch hier waren die Erhöhungen zu zaghaft. Grundsätzlich braucht es in diesem Sektor deutlichere Preissignale, damit die Verbraucherinnen und Verbraucher Anreize für ein klimafreundlicheres Konsumverhalten bekommen. Eine Reform der Steuer ist daher unbedingt notwendig.
„Es muss der Grundsatz gelten: je klimaschädlicher, desto stärker besteuert“, erklärt Claudia Kemfert. Deshalb sollte Strom aus erneuerbaren Energien weniger stark belastet werden, als z.B. die Bereiche Wärme und Verkehr. Eine Elektrifizierung in diesen Sektoren würde die Treibhausgase in Deutschland erheblich reduzieren. Voraussetzung dafür ist McKinsey zufolge aber eine Elektrifizierungsquote von mindestens 60%.
Grafik: McKinsey
Allerdings hapert es immer wieder an der Umsetzung einer konsequenten Umweltpolitik. Ein Problem, das nicht nur in Deutschland besteht, wie aktuell auch das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) in seinem 6. Bericht zum globalen Zustand der Umwelt und zur Bewertung der Wirksamkeit von Umweltpolitik (GEO-6) festhält. Als eine wesentliche Ursache für die geringe Wirksamkeit nennt das Umweltbundesamt gerade in Deutschland den Widerstand der Akteure anderer Politikbereiche, wie der Landwirtschafts-, Energie-, Verkehrs-oder Industriepolitik. Diese verstehen sich vor allem als Sachwalter ihrer jeweiligen Klientel und wollen kurzfristig anfallende Kosten vermeiden.
Noch funktioniert die Lobbyarbeit also bei der Politikgestaltung. Dass sich die Bürger aber nicht länger davon bevormunden lassen wollen, zeigen die zunehmenden Proteste durch die Bevölkerung. Ob die Gelbwesten in Frankreich, die europaweiten Proteste zu den Upload-Filtern oder die globalen Demonstrationen der Fridays-for-Future Generation: Es wird schwieriger, den Willen der Bevölkerung – und damit der Wähler – zu ignorieren. „Die Klimastreiks der Jugendlichen einerseits, und die durch eine Erhöhung der Dieselsteuer ausgelösten Proteste der Gelbwesten in Frankreich andererseits zeigen exemplarisch, dass wir bei einer Reform der Energiesteuern beides in den Blick nehmen müssen: den Klimaschutz durch Emissionsminderungen und die Einkommensungleichheit“, warnt Claudia Kemfert vor einer einseitigen Betrachtung durch die Politik.
Über die Köpfe der Bürger hinweg... (Bild: Pixabay)
Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz der Deutschen Umwelthilfe, nennt ein weiteres Beispiel. So hat die Bundesregierung gerade im Eilverfahren Subventionen für LNG-Terminals beschlossen: „Ohne an die selbstgesteckten Klimaziele zu denken, peitscht die Bundesregierung ihre Pläne für fossile LNG-Terminals mit hohem Tempo durch. Zwischen erster Versendung des Entwurfs und Beschluss der Verordnung lagen nur zehn Arbeitstage (!).
Klimagesetze bei Gebäuden oder im Verkehr vertagt die Bundesregierung ein ums andere Mal. Bei der neuen Infrastruktur für fossile LNG-Terminals kann es plötzlich nicht schnell genug gehen. Das zeigt deutlich, wo die Prioritäten liegen. Dabei müsste die Bundesregierung gerade hier die Frage beantworten, ob und wie die Terminals zu den Klimazielen passen.“
Auch für Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH, wird hier der Fehler deutlich, der die deutsche Energiewende behindert: „Neue fossile Infrastruktur bauen, dabei Klimaziele nicht zu berücksichtigen und am Ende den Verbraucher bezahlen lassen – vielmehr kann man gar nicht falsch machen.“
- Autor:
- Katrin Radtke
- Email:
- presse@windmesse.de
- Keywords:
- Energiewende, Deutschland, Studie, DIW Berlin, Umweltbundesamt, DUH, McKinsey, Energiewende-Index, CO2, Emissionen, Reform, Ökosteuer