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Die Zukunft liegt auf dem Meer
Das Gebiet der Niederlande liegt ca. zur Hälfte weniger als einen Meter über, rund ein Viertel des Landes sogar unterhalb des Meeresspiegels. Von daher hatten die Einwohner schon immer großes Eigeninteresse daran, zu erforschen, wie man die zerstörerische Kraft des Meeres möglichst eindämmen kann. Modernste Deichanlagen sowie Sturmfluttore vor Flussmündungen wie dem Rhein sind Ergebnisse dieser Forschung. Was aber passiert, wenn der Klimawandel das Wasser so hoch ansteigen lässt, dass das Land nicht mehr zu retten ist?
Ein naheliegender Weg ist der, direkt auf das Meer auszuweichen. Von daher verwundert es nicht, dass ausgerechnet in den Niederlanden zur Zeit ein Forschungsprojekt läuft, bei dem genau dies näher untersucht werden soll.
Das Forschungsinstitut MARIN hat dazu auf seinem Gelände in einem 40x40 Meter großen Wasserbassin eine Versuchsanordnung aufgebaut, wo neben den Simulationen am Computer auch live getestet werden soll, wie man künftig auf künstlichen schwimmenden Inseln leben könnte. Dazu werden mehrere schwimmende Dreiecke so zusammengekoppelt, dass sie eine große schwimmende Insel ergeben, die dann der Kraft von Wind und Wellen ausgesetzt wird.
Olaf Waals, Projektleiter und Entwickler des Konzepts erklärt den Gedanken dahinter: „Mit dem Anstieg des Meeresspiegels werden auch die Städte immer überfüllter und mehr Aktivitäten werden direkt auf See durchgeführt. Dann ist ein Erhöhen der Deiche und eine Rückgewinnung des Landes vom Meer vielleicht nicht mehr die effektivste Lösung. Eine innovative Alternative, die auch zur niederländischen maritimen Tradition passt, sind daher schwimmende Häfen und Städte.“
Dabei soll sich das Leben künftig komplett auf den Inseln abspielen, das heißt, neben Platz zum Wohnen und Arbeiten müsste auch Raum für Landwirtschaft, aber auch zur Erholung geschaffen werden. Auch für die Wirtschaft ist die Idee hinter den schwimmenden Mega-Inseln attraktiv: So könnten die Inseln mit entsprechender Infrastruktur, wie etwa einem Hafen ausgestattet und dort platziert werden, wo es diese Infrastruktur bislang nicht in Küstennähe gibt.
So könnte die Zukunft der Menschheit aussehen: Leben und Arbeiten auf schwimmenden Inseln (Bild: MARIN)
Auch nachhaltige Energieversorgung haben die Projektmitarbeiter im Blick: Die Technologie von schwimmenden Windkraftanlagen wird zur Zeit bereits in ersten Pilotversuchen wie dem Hywind-Projekt von Statoil vor der Küste Schottlands ausgetestet, zukünftig könnte man extra Inseln für Sonnenkollektoren bauen und sich die Kraft von Wasser und Wellen zunutze machen.
Dass die Idee von künstlichen Inseln mehr als nur ein bloßes Gedankenspiel ist, zeigt ein anderes Projekt vom deutsch-niederländischen Übertragungsnetzbetreiber TenneT, eine künstliche Insel mitten in der Nordsee als Verteilerdrehkreuz zur europäischen Energieversorgung schaffen zu wollen.
Da die Flächen für Offshore-Windparks in den küstennahen Gebieten langfristig keine ausreichenden Kapazitäten zur Deckung des Energiebedarfs bieten können, wird es notwendig sein, mit der Zeit immer weiter ins offene Meer auszuweichen. Der Nachteil der wesentlich höheren Kosten für Bau und Instandhaltung dieser Offshore-Windparks könnte aber durch eine künstliche Insel mit entsprechender Infrastruktur ausgeglichen werden.
Der Plan von TenneT sieht daher vor, eine gemeinsame Basis für Windpark- und Infrastruktur-Bauunternehmen auf einer Insel zu schaffen, auf der gleichzeitig Komponenten gelagert, Personal untergebracht und die Energieversorgung geregelt werden kann. Um die Insel herum gruppieren sich dann verschiedene Windparks, deren Energie zentral auf der Insel zusammenläuft und von dort ans Festland übertragen wird.
So stellt sich TenneT das Verteiler-Drehkreuz für die zukünftige Energieversorgung im Nordseeraum vor (Bild: TenneT)
Bis diese Vision Realität wird, dürfte es aber noch eine Weile dauern, da zunächst eine Reihe an Faktoren zu klären ist. Der geeignete Standort muss von hohen, dauerhaften Windstärken gekennzeichnet sein, zentral liegen und sich in relativ seichtem Wasser befinden, wie TenneT beschreibt. Dadurch rückt die Doggerbank in den Fokus, eine Sandbank, die sich zwischen den Britischen Inseln und dem europäischen Festland von Dänemark und Deutschland einmal quer durch die Nordsee zieht.
Die immensen Kosten für die Aufschüttung der Insel müssten derweil von den Nordsee-Anrainerstaaten und der EU getragen werden, was angesichts des Brexit weitere Hürden aufwirft. Außerdem müsste ein Umdenken in den Köpfen stattfinden, wie Mel Kroon aus dem Vorstand von TenneT erklärt: „Es wird für diese sechs europäischen Nordsee-Anrainerstaaten sehr wichtig sein, ihre Ziele zu gegebener Zeit von Landesgrenzen zu trennen und zu akzeptieren, dass offshore erzeugte Elektronen nicht zwangsläufig in ihr eigenes Land übertragen werden müssen.“
Es gibt durchaus Ähnlichkeiten zwischem dem TenneT-Projekt und den schwimmenden Inseln aus Holland: Das von TenneT entwickelte Konzept basiert auf einer Insel mit einer modularen Struktur, wobei jedes Modul eine Fläche von ca. 6 km² umfasst und mit ein oder zwei Modulen erweitert werden kann. Im MARIN-Projekt steht momentan die Struktur der Inseln im Mittelpunkt: Wie gelingt es, Module zu schaffen, die stark genug sind, alles zu tragen und gleichzeitig Wind und Wasser zu trotzen? Wie kann man diese Module miteinander verknüpfen? Wie kann man die Inseln am Meeresboden sichern?
Ähnliche Fragen stehen auch bei den schwimmenden Windturbinen im Mittelpunkt. Insofern ist das Pilotprojekt Hywind, wo nun die schwimmenden Anlagen vor der schottischen Küste platziert werden, von besonderem Interesse. Wenn der schwimmende Windpark funktioniert, dann ist der erste Schritt hin zu schwimmenden Inseln geschafft.
Das Hywind-Projekt besteht aus fünf schwimmenden Anlagen (Bild: Statoil)
Auch CNN hat sich mit dem Thema auseinandergesetzt und zeigt in einem Video verschiedene Nutzungsmöglichkeiten mit schwimmende Inseln auf. Das Video ist unter diesem Link zu sehen.
- Autor:
- Katrin Radtke
- Email:
- presse@windmesse.de
- Keywords:
- Klimawandel, TenneT, MARIN, Nordsee, offshore, Hywind, Statoil
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