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Überraschende Töne aus Polen: Offshore-Wind statt Atomkraft
Polen ist ein Kohleland. Daran hat sich auch 25 Jahre nach Zusammenbruch der Sowjetunion und der Öffnung nach Westen hin nicht viel geändert. Noch immer setzt man traditionell auf Stein- und Braunkohle, um seinen Strom zu generieren. 2012 machte dieser ‚schmutzige Strom‘ noch mehr als 88 Prozent im Energiemix des Landes aus. Zwar ist in den letzten Jahren ein wenig Bewegung in den Energiemarkt gekommen, aber die Pläne gingen lange Zeit trotz lautstarker Proteste aus Berlin und Brüssel eher in die Richtung, ein Atomkraftwerk zu bauen statt auf erneuerbare Energien zu setzen. Daran konnten auch 50.000 Unterschriften von Bürgern aus der betroffenen Grenzregion in Deutschland, wo das Kraftwerk gebaut werden sollte, nichts ändern. Und für den Klimaschutz interessierte man sich erst recht nicht im Nachbarland.
Von daher war es schon eine Überraschung, als Polen Ende letzten Jahres in Paris dem weltweiten Klimaschutzplan zustimmte und die Pläne zum Bau des Atomkraftwerks nach der letzten Wahl immer tiefer in der Schreibtischschublade vergrub. Ursprünglich sollte das AKW 2020 gebaut werden, mittlerweile geistert schon eine Jahreszahl von 2030 durch die Medien. Der Physiker Lukasz Turski sagte erst kürzlich gegenüber Deutschlandradio Kultur: "Unbedingt sollten wir ein Atomkraftwerk bauen, es wird aber nicht dazu kommen. Unsere Regierungen, eine nach der anderen, sind einfach zu gleichgültig, sie nehmen die Sache nicht ernst."
Nun kommen allerdings ganz andere überraschende Töne aus dem Nachbarland: Polen möchte einen Offshore-Windpark in der Ostsee errichten. Der größte private Energieversorger des Landes, Polenergia, gab bekannt, dass man als erstes Unternehmen überhaupt das benötigte Umweltgutachten erhalten habe. Dem Bau stehe damit nach eigenen Angaben nichts mehr im Wege.
Und das Unternehmen verfolgt ehrgeizige Pläne: 600 Megawatt soll der Park Baltic Skrodkowy III in der ersten Ausbauphase haben, später sollen nochmals weitere 600 MW dazukommen. Die 120 Turbinen sollen über eine Leistung von jeweils bis zu 5MW verfügen und bis zu 275m hoch sein. Das technische Design will man in den nächsten zwei Jahren fertig stellen, der Baubeginn soll 2019 erfolgen und spätestens 2022 soll der Park Strom liefern.
Wenn alles nach Plan läuft, dann baut Polen mal eben den bis dato größten Windpark in der Ostsee. Und zwar fast ausschließlich mit polnischen Subunternehmern, wie es in einer Pressemitteilung der Polenergia weiter heißt. Gründungsstrukturen, Türme, Kabel, Konverterstation sowie Turbinen und die benötigten Installations- und Transportschiffe sollen am liebsten alle aus Polen stammen, sodass mehr als 60 Prozent der veranschlagten Kosten von 2,34 Milliarden Euro im eigenen Land investiert werden.
"Eine Säule der Entwicklung unseres Unternehmens sind die vielversprechenden Windpark-Projekte in der Ostsee, die sich durch hohe Zuverlässigkeit [in der Stromproduktion] auszeichnen und daher gut als Energie zu Polen passen. Die Erteilung des ersten Umweltgutachtens ist ein Meilenstein in der Entwicklung dieser Projekte. [...] Wir gehen davon aus, dass in diesem Jahr unsere beiden Projekte in der Ostsee die nötigen Gutachten bekommen", zeigt sich Jacek Glowacki, Vorsitzender von Polenergia, optimistich.
Den Optimismus wird er allerdings auch brauchen, denn ob sich wirklich in dieser Geschwindigkeit ein ganzer Industriezweig in Polen ansiedeln lässt, der über das nötige Know-How verfügt, um einen Offshore-Windpark weitestgehend in Eigenregie zu bauen, darf bezweifelt werden. Der Blick über den großen Teich in die USA – ebenfalls ein Spätzünder im Bereich der Offshore-Industrie – zeigt, wie schwierig es sein kann, die lokalen Firmen vor Ort mit ins Boot zu bekommen, ohne dass die Kosten explodieren. Polen täte gut daran, auf das vorhandene Know-How im Ausland zu setzen. Man ist schließlich nicht die erste Nation, die in der Ostsee einen Offshore-Windpark baut...
- Autor:
- Katrin Radtke
- Email:
- kr@windmesse.de
- Keywords:
- Offshore, MW, Windpark, Turbine, Ostsee
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