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SKF macht Schweinfurt zur „Großlager-Metropole“: Spatenstich in neue Dimensionen
Im Interview erläutert Manfred E. Neubert, Vorsitzender der Geschäftsführung der SKF GmbH, die Beweggründe für die 40-Millionen-Investition und warum Schweinfurt dadurch zu einer Art „Großlager-Metropole“ heranwächst.
Herr Neubert, laut eigenem Bekunden wird Ihr künftiges Großlager-Prüfzentrum weltweit seinesgleichen suchen. Was genau ist daran so einzigartig?
In diesem Gebäudekomplex bringen wir ja zwei neue Prüfstände unter. Der größere von beiden dient primär zum Testen von Windenergie-Anwendungen. Dieser Prüfstand wird der weltweit erste sein, der nicht nur ein einzelnes Hauptlager für Windturbinen testen kann, sondern gleich die komplette Lagerungseinheit – also inklusive Komponenten des Kunden. Dabei ist er bereits auf Konstruktionen vorbereitet, wie sie beispielsweise für Turbinen von 10 MW und mehr zu erwarten sind. Durch eine Art „Adapter“ kann er Lager mit einem maximalen Außendurchmesser von bis zu sechs Metern aufnehmen. So etwas gibt’s bislang einfach noch nicht. Außerdem können die gigantischen Lager in alle Richtungen dynamisch mit Kräften beaufschlagt werden, die in ihrer Kombination um ein Vielfaches höher liegen als bei der bislang stärksten verfügbaren Prüfanlage. Damit lassen sich extreme dynamische Lasten sehr realitätsnah simulieren. Abgesehen davon ermöglicht der Prüfstand auch noch deutlich höhere Test-Dreh- zahlen als bisher bekannt.
Und was zeichnet den zweiten Prüfstand aus?
Der neue Prüfstand für sonstige Industriebereiche wird sich für alle denkbaren Großlager-Designs eignen. Auch er erzielt Lasten und Rotationsge- schwindigkeiten, die ein Vielfaches des bis dato Verwirklichten darstellen. So macht die Kombination von hohen Drehzahlen und extremen Lasten selbst den „kleineren“ der beiden neuen Prüfstände konkurrenzlos.
Was genau werden Ihre Kunden davon haben?
Dank seiner enormen Leistung wird das Prüfzentrum vielfältige Einblicke in bislang unzugängliche Abläufe ermöglichen. Daraus resultieren Erkenntnisse, die in der Folgezeit für eine größere „Realitätsnähe“ der derzeit verfügbaren, rechnerischen Simulations- modelle sorgen werden. Und das bedeutet am Ende für unsere Kunden: Wir können die Lagerauslegung genauer an die späteren Betriebsbedingungen anpassen. Anders ausgedrückt: Letztlich profitiert der Kunde von einer maßgeschneiderten, anwendungsspezifisch optimierten Lösung, die sich insbesondere durch ihre überdurchschnittliche Leistungsfähigkeit, viel größere Robustheit, längere Haltbarkeit und damit letztlich auch deutlich höhere Effizienz auszeichnen wird.
Warum errichtet SKF das neue Prüfzentrum eigentlich in Deutschland? Vergleichbare Lager fertigt Ihr Unternehmen doch auch in anderen Ländern…
Das stimmt, aber für den Standort Deutschland sprachen gleich mehrere Gründe: Zum einen bauen wir in Schweinfurt ja schon seit 1990 Großlager für die Windindustrie. Das bedeutet zugleich: Hier ist bereits die erforderliche „XXL-Infrastruktur“ vorhanden, zum Beispiel in Sachen Fertigungs- technologie, Material- und Großlagertransport innerhalb der Fabrik, außerdem die Verpackungs- und Versandlogistik, etc. Hinzu kommen weitere technische Einrichtungen beispielsweise für die Generalüberholung von gebrauchten Großlagern oder auch das metallurgische Labor, das auf Großlager-Anforderungen ausgelegt ist. All dies resultiert aus den rund 120 Millionen Euro, die wir bis 2009 in eine hochmoderne Großlager-Fertigung am Standort investiert haben.
Die Fertigung ist das eine – aber wo findet das Engineering statt?
Ebenfalls bei uns in Schweinfurt! Das hier konzentrierte Know-how spielte bei der Standortentscheidung sogar eine bedeutende Rolle: Wichtige Schlüsselfunktionen wie Produktent- wicklung und -design sowie Kundenberatung und Anwendungstechnik für Großlager haben wir allesamt „vor Ort“. Insofern ist das neue Prüfzentrum so etwas wie der „letzte Puzzlestein“, der unsere Schweinfurter Großlager-Kompetenzen bald komplettiert. Hier ist dann alles vereint, was man für die Großlagerproduktion braucht. Damit wird SKF in Mainfranken eine Art „Großlager-Metropole“ schaffen, wie man sie kein zweites Mal findet. Und wenn ich Folgendes noch ergänzen darf: Unsere hiesigen „XXL-Produktionsanlagen“ üben offenbar eine enorme Anziehungskraft auf unsere Kunden aus – auch auf solche, die selbst gar keine Großlager brauchen. Tatsächlich ist das Interesse so groß, dass wir schon jetzt mindestens 50 Touren pro Jahr durch unsere Schweinfurter Großlager-Fertigung veranstalten. In diese Kundentouren könnten wir das neue Prüfzentrum natürlich hervorragend integrieren. Dadurch dürfte das Prüfzentrum sogar zu einem ziemlich beeindruckenden Kundenbindungsinstrument werden – mit einer Imagewirkung, die voraussichtlich auf die gesamte SKF Gruppe ausstrahlt.
Diese monumentale Imagewerbung verdanken Sie nicht zuletzt deutschen Fördergeldern. War das ein weiteres Zünglein an der Waage?
Natürlich sind diese Fördermittel ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Das Land Bayern und der Bund unterstützen das Projekt mit zusammen mehr als 3 Millionen Euro; und wir sind beiden Institutionen absolut dankbar dafür, dass SKF das Prüfzentrum mit dieser Hilfe verwirklichen kann. Wir begrüßen es sehr, dass die Politik im eigenen Land eine energieeffiziente Zukunftstechnologie vorantreibt, für die es einen globalen Markt gibt.
Apropos „globaler Markt“: Wo sehen Sie die Stärken Deutschlands im internationalen Vergleich?
Um im gerade angesprochenen Kontext zu bleiben: Unsere ziemlich stabile „politische Großwetterlage“ sorgt für deutlich mehr unternehmerische Sicherheit, als man sie in manchem Billiglohn-Land sieht. Außerdem haben wir hier ein Berufsausbildungs-System, um das uns viele andere Nationen beneiden: Solche Fachkräfte findet man nicht überall. Ähnliches gilt für unsere Hochschulen, aus denen Ingenieure hervorgehen, die wir bei SKF übrigens für unser praxisorientiertes „Knowledge Engineering“ brauchen. Dadurch verfügen wir hierzulande über ein unschätzbares Know-how. Auch deshalb können wir im grenzübergreifenden Vergleich extrem effizient fertigen und fortschrittliche Technologien in überragender Qualität zu international marktfähigen Preisen anbieten – den vergleichsweise hohen Löhnen zum Trotz. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass Deutschlands Exportüberschuss im vergangenen Jahr erneut höher war als derjenige von China!
Und wo liegen die Schwächen?
Unsere Export-Fokussierung und die daraus resultierenden Erfolge bergen womöglich die Gefahr, dass manch‘ erforderliche Investition im Inland vernachlässigt wird. Beispielsweise betont das Ifo-Institut ja immer wieder, dass solche Leistungsbilanzüberschüsse jenen Teil der Ersparnis eines Landes widerspiegeln, der nicht zu Hause investiert wird. Jeder Autofahrer ahnt das, wenn er über eine bröckelnde Autobahnbrücke fährt. Gleichzeitig schreit die halbe Welt im Zuge von „Industrie 4.0“ nach der vernetzten Fertigung, die aber definitiv einen reibungslosen Güterverkehr erfordert. Umso wichtiger ist es, dass kein binnenwirtschaftlicher Investitionsstau entsteht, der möglicherweise die Schlagadern unseres Warenkreislaufs verstopft und dadurch langfristig die Wettbewerbsfähigkeit des Produktionsstandorts Deutschland aufs Spiel setzt. Außerdem müssen wir mehr junge Menschen früher für Technik begeistern, um dem größer werdenden Mangel an Ingenieuren entgegenzuwirken. Denn wie vorhin schon angedeutet, ist Wissen im internationalen Wettbewerb definitiv eine unverzichtbare Kapitalanlage.
Plant SKF hierzulande auch noch weitere Investitionen?
Es gibt tatsächlich ein paar konkrete Überlegungen, aber die sind derzeit noch nicht spruchreif.
- Quelle:
- SKF
- Link:
- www.skf.com/...
- Windenergie Wiki:
- Turbine, MW