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Windmesse-Interview: WINDEAOffshore stellt die MedicBox vor
Die Windmesse-Redaktion sprach mit Martin Claußen, SSC Wind GmbH, Projektleiter Entwicklung & Fertigung MedicBox sowie mit Jan Lutz, Johanniter Unfall-Hilfe e.V., Offshore-Rettungsassistent.
Bitte stellen Sie uns das Konzept von WINDEAcare und der MedicBox näher vor.
Martin Claußen: Das WINDEAcare-Konzept ist ein Zusammenschluss mehrerer kompetenter Partner: Die WINDEA Offshore bündelt die gesamte Kompetenz der Partner, macht das Produktmanagement und den Vertrieb. Das Klinikum Oldenburg stellt mit der medizinischen Leitung die Qualität sicher und seine Ärzte übernehmen die telemedizinische Beratung. Das dazugehörige Telemedizingerät kommt von IQmedwork. Die Johanniter betreiben die Notfallleitstelle VENTUSmedic und besetzen den Hubschrauber mit Rettungssanitätern. Zusätzlich können sie auch die von der Berufsgenossenschaft geforderten „Ersthelfer-Offshore“ ausbilden. Northern Helicopter betreibt einen Rettungshubschrauber, der rund um die Uhr nur für Vorfälle in Offshore-Windparks bereit steht. EMS Maritime Offshore ist der maritime Berater und stellt die nautische Besetzung der Notfallleitstelle.
Wie funktioniert das Telemedizingerät?
Claußen: Das Telemedizingerät ist fast die wichtigste Hardware-Komponente, denn es zeichnet die Vitaldaten des Patienten auf und übermittelt sie in Echtzeit an das Klinikum Oldenburg, wo je nach Verletzungsfall ein entsprechender Facharzt zugegen ist. Wenn ich beispielsweise eine innere Verletzung habe, kann ich den entsprechenden Kollegen dazu rufen lassen, oder wenn ich im Auge ein Problem habe, rufe ich einen entsprechenden Augenarzt dazu, der innerhalb kürzester Zeit dann garantiert auch verfügbar ist. Mit dem Telemedizingerät kann man auch Videos übertragen, zum Beispiel wenn es nötig ist, eine Wunde im Detail zu zeigen, damit der Arzt entsprechende Hinweise geben kann, was zu tun ist. In der Leitstelle des Klinikums sieht der Arzt genau die gleichen Daten, die das Gerät vor Ort zeigt. Durch die audiovisuelle Kommunikation in beide Richtungen wird natürlich auch dem Personal draußen eine gewisse Sicherheit gegeben. Man kann dem Ersthelfer dann sagen: „Ja, genau so wie du das machst, ist es gut. Weiter so!“
Wie ist es zur Idee der MedicBox gekommen?
Claußen: In der Regel werden medizinischen Einsätze im Notfall per Helikopter durchgeführt. Es gibt aber offshore Situationen, wo das nicht immer geht, zum Beispiel wenn wir Nebelverhältnisse haben, in denen ein Helikopter nicht fliegen darf. Um diese Lücke zu schließen ist die Idee des MedicBox-Containers entstanden, der das Rettungspaket insgesamt abrundet.
Die Idee dahinter ist, dass dieser 10-Fuß-Container – das ist eine Standardgröße – immer auf einem Schiff im Windpark vorhanden ist. Er nimmt sehr wenig Decksfläche ein und stört dadurch nicht, sodass man problemlos noch genügend andere Dinge auf dem Crew Transfer-Vessel lagern kann. Dadurch ist der Container immer im Baufeld dabei. Wenn dann ein Notfall entsteht, kann man den Patienten direkt vor Ort versorgen. Durch das Telemedizingerät wird die Verbindung zum Klinikum Oldenburg aufgebaut, um ärztliche Hilfe hinzuzuholen. Der Container verfügt über eine autonome Datenübertragung. Diese besteht aus einer selbst ausrichtenden Satellitenantenne mit einer garantierten Bandbreite, sodass auf jeden Fall die Vitalfunktionen des Patienten übermittelt werden können. Also nicht wie bei der DSL-Verbindung zuhause, wo es plötzlich anfängt zu ruckeln, weil die Bandbreite verbraucht ist. Die Datenübertragung ist immer gewährleistet.
Dazu kommt spezielles medizinisches Equipment je nach Anwendungsfall und Ausbildungsstand des Personals vor Ort. Den Container kann man ähnlich wie einen Rettungswagen ausrüsten, sodass wirklich jede Verletzung, die da draußen entstehen kann, behandelbar ist. Das reicht von einem kleinen Kratzer, den man mal eben desinfiziert und verbindet, bis hin zu schwerwiegenden, lebensbedrohlichen Verletzungen, die dann auf dem Transport weiter behandelt werden können.
Foto: WINDEAOffshore
Man kann den Container also unterschiedlich bestücken?
Claußen: Ja, ganz nach Bedarf. In der Basis-Version ist er für den Ersthelfer-Offshore ausgerüstet, den jeder Windpark vorhalten muss. Einige Windparks haben sich entschieden, einen vollwertigen Rettungsassistenten draußen zu stationieren. Dieser kann wesentlich mehr leisten und braucht daher auch eine umfangreichere Ausrüstung.
Wie wird die MedixBox in das Schiff integriert?
Claußen: Wir haben natürlich eine Klimaanlage eingebaut, das heißt, auch wenn er in der Sonne steht, kann man immer noch problemlos im Container arbeiten. Oder andersrum im Winter wird er beheizt. Wir bieten auch eine Notfallstromversorgung an. Das heißt, selbst wenn die Stromversorgung des Schiffes, was schon über ein Backup-System verfügt, kurzzeitig ausfällt, kann der Patient trotzdem weiter behandelt werden und die Verbindung zum Krankenhaus bleibt bestehen. Bei der Kommunikationsdatenübertragung sind wir auch flexibel. Ein mögliches System der Verbindung ist der Satellit. Man kann aber auch andere Verbindungsarten nutzen, wie etwa diejenige des Schiffes. Oder man kann ein eigenes WLAN-System im Windpark aufbauen.
Das System ist dadurch ortsunabhängig einsetzbar?
Claußen: Eigentlich ist es egal, wo man sich auf der Welt befindet, denn durch das Telemedizingerät hat man immer eine direkte Anbindung. Der Facharzt sitzt im Klinikum Oldenburg, aber wo der Unfall passiert, ist erst mal egal.
Man kann das System auch in Afrika aufbauen, das ist regional unabhängig. So wie es jetzt hier steht, in dieser Containervariante ist es ein Offshore-Container.
Aber auch onshore sehen wir Bedarf. Auf einer Großbaustelle, irgendwo in einem strukturschwachen Land, wo im Umkreis von 100 Kilometern nichts ist, kann ich so für die Sicherheit und Gesundheit meiner Monteure sorgen.
Wie lange kann man einen Schwerverletzten in der MedicBox versorgen?
Lutz: Das Ziel ist nicht, dass der Patient möglichst lange hier im Container bleibt, sondern dass wir möglichst schnell den Container dorthin bringen, wo wir den Patienten noch besser weiterversorgen können. Es kann also sein, dass man aus einer Nebelbank herausfährt, sich dann mit dem Hubschrauber trifft und den Patienten abgibt.
Claußen: Es ist ähnlich wie bei einem Rettungswagen. Da hole ich den Verletzten auch genau dort ab, wo der Unfall passiert ist und versorge ihn auf dem Weg – so gut es irgendwie geht, sprich: Man muss zunächst lebenserhaltende Maßnahmen durchführen. Und dann wird im Krankenhaus entsprechend ins Detail gegangen, wenn es denn notwendig ist.
Wenn man offshore im Container schon feststellt, dass es gar nicht so schlimm ist, bleibt er natürlich vor Ort. Das ist eben auch der Vorteil des Containers: Man muss nicht immer, wenn man sich unsicher ist, das Personal aus dem Windpark abziehen, sondern bekommt vom Telemediziner vielleicht bestätigt, dass es reicht, wenn sich der Patient sechs Stunden lang ruhig verhält und ausruht. Das Ziel ist ja nicht, jeden Monteur bei kleinen Verletzungen oder einer Erkrankung sofort aus dem Windpark abzuziehen, sondern die Arbeitskraft möglichst offshore zu lassen.
Die MedicBox kann also in Rettungskonzepte integriert werden?
Claußen: Mit der MedicBox haben wir einen Baustein entwickelt, mit dem jeder sein bestehendes Rettungskonzept komplettieren kann.
Lutz: Wenn noch kein Rettungskonzept vorhanden ist, bieten wir alle Bausteine aus einer Hand an. Wir ersparen dem Kunden, viele Schnittstellen selber klären zu müssen. So müssen sehr viele Vereinbarungen zwischen den verschiedenen Akteuren der Rettungskette getroffen werden, damit im Notfall alles sauber läuft. Diese Arbeit übernehmen wir und erstellen individuelle Konzepte von Anfang bis Ende, mit Personal, mit Material, mit allem, was gebraucht wird.
Also letztlich das Rundum-Sorglos-Konzept?
Claußen: Ja, zumindest für die Arbeitssicherheit und die medizinische Versorgung. Natürlich ist es auch unser Ziel, dass der Container möglichst nie benutzt wird. Aber die Erfahrung zeigt, dass doch immer mal was passiert und dann sind wir da.
Das Interview führte Katrin Radtke.
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