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Rechtsgutachten: Abschöpfung fiktiver Erlöse verfassungswidrig / Klagewelle gegen Erlösdeckel für Stromerzeuger erwartet
Der Gesetzentwurf, mit dem die EU-Erlösobergrenze im deutschen Strommarkt umgesetzt werden soll, verstößt gegen EU-Recht und verletzt die Eigentumsgarantie. Zu diesem Schluss kommt ein von LichtBlick vorgelegtes Gutachten der Kanzlei Raue. „Der geplante Abschöpfungsmechanismus führt zu tiefgreifenden Verzerrungen auf dem deutschen Strommarkt. Folge dieser Entwicklungen sind steigende Strompreise fu?r Letztverbraucher*innen, eine Behinderung des weiteren Ausbaus von Erneuerbare-Energien-Anlagen sowie im Einzelfall die Zahlungsunfähigkeit der Anlagenbetreiber“, so die Autor*innen.
„Es ist schon absurd: Um die Krise der fossilen Energien abzumildern, bremst die Bundesregierung den Ausbau der Erneuerbaren. Nach der Altmaier-Lücke aus den 2010er Jahren droht der Energiewende nun eine Habeck-Lücke“, kritisiert Dr. Enno Wolf, Geschäftsführer Green Energy Markets bei LichtBlick.
Die Annahme fiktiver Erlöse ist rechtswidrig und macht PPAs unwirtschaftlich
Anstoß nimmt das Raue-Gutachten an der Abschöpfung „fiktiver Erlöse“, die die Regierung einführen will. Eine Abschöpfung fiktiver Erlöse sei nach der EU-NotfallVO unzulässig. Diese lasse nur die Abschöpfung „realisierter“ Erlöse zu. Die EU-NotfallVO begründet dies damit, dass ein Einbrechen des PPA-Marktes verhindert werden solle. Ein derartiges Szenario drohe aber durch den Vorschlag der Bundesregierung: Angenommen, der Betreiber einer EE-Bestandsanlage will über einen längeren Zeitraum ein PPA (Power Purchase Agreement) zu einem fixen Preis von 120 Euro pro Megawattstunde abschließen. Die Regierung würde jedoch nicht den vereinbarten Preis, sondern den kurzfristigen Spotmarkt-Preis für die Abschöpfung heranziehen. Die Folge: Liegt der Spotpreis z.B. bei 300 Euro, würde davon nach dem im Gesetz vorgesehenen Mechanismus rund 164 Euro abgeschöpft. Dass der EE-Betreiber nur 120 Euro einnimmt, bliebe unberücksichtigt. Die Regelung soll für alle PPAs gelten, die ab dem 1. November 2022 abgeschlossen werden.
Die Konsequenz: Betreiber von Erneuerbaren Anlagen ziehen sich aus dem langfristig orientierten PPA-Markt zurück und weichen auf den Spotmarkt aus. Mit dem damit verbundenen Wechsel der Vermarktungsform entfallen auch die Herkunftsnachweise: Versorgern stehen so weniger Mengen Ökostrom für ihre Vertriebe zur Verfügung. Beide Effekte treiben die Strompreise für Endkund*innen mittelfristig in die Höhe. „Der PPA-Markt ist bereits zum Erliegen gekommen, die Unsicherheit im Markt ist riesig“, so Dr. Wolf.
PPA-finanzierten Solarprojekten droht Zahlungsunfähigkeit
Eine ebenfalls im Auftrag von LichtBlick erstelle Analyse von Enervis zeigt darüber hinaus, dass die Erlösobergrenze auch Solarprojekte gefährdet, die sich über PPAs finanziert haben. Viele Betreiber melden ihre Anlagen zwar in eine EEG-Ausschreibung, nutzen die – aufgrund steigender Kosten – nicht mehr auskömmliche EEG-Vergütung aber lediglich als Rückfall-Option für eine Basisfinanzierung. Um die gesamte Finanzierung sicherzustellen, greifen die Betreiber auf PPAs zurück. Durch die Abschöpfung der PPA-Einnahmen können die Betreiber laufende Kredite nicht mehr bedienen. „Der Projektgesellschaft eines Photovoltaik-Parks droht damit innerhalb der bereits geschlossenen Verträge kurzfristig nach Greifen der Erlösabschöpfung eine Zahlungsunfähigkeit“, so das Gutachten von Enervis.
Laut LichtBlick dürften von diesen Effekten insbesondere Solarprojekte betroffen sein, die in den letzten 12 bis 24 Monaten einen EEG-Zuschlag bekommen haben. Seit 2021 wurden laut Bundesnetzagentur neue EEG-Anlagen mit einer Leistung von 3,5 Gigawatt zugelassen.
Kleinere Solarprojekte an sonnenärmeren Standorten nicht mehr rentabel
Ein weiteres Ergebnis der Enervis-Analyse: Der Bau typischer kleinerer Flächensolaranlagen an sonnenärmeren Standorten – etwa in Norddeutschland – rechnet sich für die Zeit der Erlösabschöpfung kaum noch. Die Renditeerwartung für einen Zwei-Megawatt-Park (das entspricht etwa der Fläche von drei Fußballfeldern) sinkt auf eine Eigenkapitalverzinsung von nur noch 1,5 Prozent, wenn die Erlösabschöpfung bis Ende 2023 läuft. Sollte die Abschöpfung verlängert werden, läuft die Rendite gegen null. Folge: Der Bau zahlreicher Solarparks wird auf die Zeit nach der Erlösabschöpfung geschoben.
Klagewelle droht
LichtBlick rechnet nach Inkrafttreten der Erlösobergrenze mit einer Klagewelle. „Die Bundesregierung wiederholt die rechtlichen Fehler, die Ende September bereits die Gasbeschaffungsumlage zu Fall gebracht haben, und versucht erneut, eine verfassungswidrige Sonderabgabe zu etablieren. Auch wir prüfen die Möglichkeit, in Luxemburg und Karlsruhe gegen den Erlösdeckel zu klagen. Wenn Brüssel und Berlin kein Einsehen haben, bleibt der Branche nur dieser Weg“, kündigt LichtBlick Chefjurist Markus Adam an.
Ausweg Übergewinnsteuer
Der Weg aus dem Dilemma liegt laut LichtBlick in einer echten Übergewinnsteuer für Erneuerbare. Statt riskante Eingriffe in die Wertschöpfungskette vorzunehmen, sollte der Staat die tatsächlichen, durch die Krise gestiegenen Gewinne der Anlagenbetreiber zusätzlich besteuern. Die Steuerfinanzierung der Strompreisbremse wäre solidarisch, rechtssicher und würde auch die Energiewende nicht in Mitleidenschaft ziehen. Vorbild könnte die geplante Zusatzsteuer für die Erdgas-, Kohle- und Ölindustrie sein.
- Quelle:
- LichtBlick
- Autor:
- Pressestelle
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- LichtBlick, Ökostrom, Versorger, Klage, Gutachten, Stromerzeuger, Sonderabgabe, Ausbau, erneuerbare Energie, PPA, Solar, Energiewende
- Windenergie Wiki:
- Megawatt, Bundesnetzagentur