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BBH-Jahreskonferenz: Zwischen Globalisierung und Regionalisierung
„Ich bin seit mittlerweile 27 Jahren in der Energiewirtschaft unterwegs. Eine Situation wie heute habe ich noch nie erlebt und hätte sie mir nie vorstellen können“, stellte BBH-Partnerin Prof. Dr. Ines Zenke gleich zu Beginn fest. „Der Ukraine-Krieg führt uns deutlich vor Augen, dass das Gelingen der Transformation zu einer treibhausgasneutralen Wirtschaft auch geostrategisch für uns von höchster Dringlichkeit ist. Die Sorge um den Zusammenbruch unserer Versorgungsstrukturen zwingt uns zum Nachdenken darüber, wie wir auf den Worst Case reagieren. Wer hätte gedacht, dass wir je über eine Gas Triage, Treuhandverwaltung oder Enteignung reden müssen.“
Der Bundesumweltminister a.D. Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) betonte, dass Deutschland auf eine dauerhafte Abkopplung Russlands von den westlichen Märkten hinarbeite, wir es also nicht nur mit temporären Sanktionen zu tun haben.
„Ein Gasausstieg ist keine rein deutsche Veranstaltung und auch keine Petitesse“, so Trittin. Wenn das Angebot zurück geht, werde das die Preise erhöhen. Und wir müssen uns, so Trittin, mit einem grundsätzlichen Paradoxon auseinandersetzen: Wir brauchen in Zukunft einerseits neue langfristige Lieferverträge für den Import fossiler Brennstoffe, um Investitionen tätigen zu können, arbeiten aber zugleich auf den fossilen Ausstieg bis 2045 hin. Dafür brauche es jedenfalls geeignete Infrastrukturen. Trittin will zwar nicht eine Importabhängigkeit durch reine Autarkie ersetzen, aber die Gewichtung ändern. Er möchte perspektivisch 70 % unseres Energiebedarfs mit eigener Erzeugung und 30 % durch Importe decken. Aktuell sei es umgekehrt.
Ob durch Importe oder eigene Produktion: Wasserstoff wird für unsere Energieversorgung eine wichtige Rolle spielen. Über den aktuellen Stand der Diskussion zum Markthochlauf informierte der Berichterstatter des Europaparlaments für die EU-Wasserstoffstrategie MEP Jens Geier (SPD/S&D); der Europapolitiker äußerte seinen Unmut über den Entwurf der EU-Kommission zur Novellierung der Gasbinnenmarktrichtlinie.
„Ich werde mich für eine Rolle der Stadtwerke beim Aufbau des zukünftigen Wasserstoffnetzes einsetzen. Es gilt, die jahrzehntelang gesammelte Expertise der Stadtwerke in der kommunalen Energieversorgung einzubinden. Stattdessen mache ich mir Sorgen, dass der Vorschlag der Kommission zur Entflechtung den Einstieg der Stadtwerke in die Wasserstoffwirtschaft stark behindert und die kommunale Einnahmesituation damit erheblich verschlechtern würde. Das wird mit mir nicht zu machen sein.“
Auch BBH-Partner Prof. Christian Held sieht im Entwurf der Richtlinie mehr Rück- als Fortschritt „Das Ownership-Unbundling, wie es die EU-Kommission für die Novelle der Gasbinnenmarktrichtlinie vorschlägt, verhindert den schnellen Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft“, so Held. „Angesichts der ambitionierten klimapolitischen Ziele in Deutschland und Europa können wir es uns schlichtweg nicht leisten, auf unsere bestehende, etablierte Infrastruktur in Zukunft zu verzichten. Um unsere Energieversorgung auch im Wasserstoffzeitalter zu sichern, brauchen wir die Gasnetzbetreiber, deshalb darf es hier kein faktisches Ownership Unbundling geben. Sonst fangen wir wieder bei null an.“ Bis zum Juni dieses Jahres möchte Geier seine Vorschläge einbringen, damit bis Ende 2022 die Novellierung abgeschlossen werden kann.
Bild: Marco Urban
Wie sieht nun die Energieversorgung bis zum Jahr 2045, dem Jahr der Klimaneutralität, und darüber hinaus aus? Energieversorger müssen langfristig handlungsfähig bleiben mit tragfähigen Lösungen für Industrie und Verbraucher, fasste Dr. Alexander Götz, stv. Hauptgeschäftsführer des VKU, zusammen. Er plädiert dafür, keine Lösungen von vornherein auszuschließen. „Keine Barrieren!“, betonte er und erinnerte daran, dass der Wiederbeschaffungswert der deutschen Gasinfrastruktur bei mindestens 270 Mrd. Euro liegt. Vergleichsweise geringe Kosten würden für den Umbau der Gas- in Wasserstoffnetze anfallen. Aus der volkswirtschaftlichen Perspektive betrachtet ist die Frage nach der Zukunft der Gasnetze also eindeutig.
Nicht ganz so offenkundig sind die konkreten politischen Maßnahmen, die den Pfad bis 2045 ebnen sollen. Aber: „Wir sind als Ampel zum Erfolg verdammt“, gab MdB Dr. Julia Verlinden (Bündnis 90/Die Grünen) zu. Mit dem 600-seitigen Osterpaket ist der Bundesregierung immerhin ein Aufschlag gelungen, der sich sehen lassen kann. Darin waren sich die Konferenzteilnehmer*innen einig, auch wenn Nachbesserungen bereits in Aussicht gestellt wurden. „Grundsätzlich machen wir da mit“, signalisierte auch MdB Thomas Heilmann (CDU/CSU) in der parlamentarischen Podiumsdiskussion.
MdB Ralph Lenkert (Die Linke) legt einen Schwerpunkt auf einen starken gesetzlichen Rahmen, der soziale Sicherheit garantiert und von Unternehmen ökologisches Handeln fordert. MdB Olaf in der Beek (FDP) sprach sich dafür aus, durch geeignete Förderprogramme mehr privates Kapital für den Umbau unserer Energieversorgung zu mobilisieren, etwa im Bereich PV und Wärmepumpen. Allerdings müssen dann auch die Prozesse bei Planungs- und Genehmigungsverfahren entsprechend schnell sein. Hier sieht MdB Bernd Westphal (SPD) weiteres Beschleunigungspotential, der zudem betont, dass Sicherheit im und durch den Wandel für die Menschen und die Wirtschaft gewährleistet sein muss. Der parlamentarische Prozess hat begonnen. Nun sind die Abgeordneten gefordert, die richtigen Anreize zu setzen, Hemmnisse abzubauen und alles zu tun, was die Transformation unterstützt und die richtigen Schritte beschleunigt.
So wesentlich die politischen Lösungswege für unseren Weg aus der Krise und in die Klimaneutralität auch sind; es sind immer die Unternehmen, die den Weg (individuell) beschreiten müssen. Dafür braucht es Mut und kluge, unternehmerische Strategien. Auch hierfür bot sich bei der BBH-Jahreskonferenz die Gelegenheit für Diskussionen: mit Holger Becker, Vorstand, Grosskraftwerk Mannheim Aktiengesellschaft, Heike Heim, Vorsitzende der Geschäftsführung, Dortmunder Energie- und Wasserversorgung GmbH, Michael Teigeler, Geschäftsführer, Stadtwerke Heidelberg Energie GmbH, und Alexander Voigt, Vorstandssprecher, HH2E AG. Die Manager*innen zeigten die Herausforderungen und Chancen des notwendigen Weges.
Und damit endete eine gelungene BBH-Jahreskonferenz mit mehreren Hundert Teilnehmenden, mit Diskussionen zwischen Krise und Klimaneutralität. Zwischen 2022 und 2045. Und zwischen Globalisierung und Regionalisierung.
- Quelle:
- BBH
- Autor:
- Pressestelle
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