2024-12-04
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Von Tradition bis Innovation: Die HUSUM Wind

Zwischen den Zelten weht eine steife Brise und der Himmel sieht aus, als wenn er jeden Moment seine Pforten öffnen könnte.

Die Messe

Die Windindustrie feiert die Rückkehr an einen Ort, der wie kein zweiter für den Pioniergeist und die Innovationskraft der Branche steht: Nach mehrjähriger Pause und einem öffentlich ausgetragenen Streit mit Hamburg ist die HUSUM Wind zurück.

Von Dienstag bis Freitag dieser Woche zeigen knapp 650 Aussteller aus allen Bereichen der Windindustrie ihre Produkte und Services. Nachdem man sich mit Hamburg geeinigt hatte, dass die Hansestadt die internationale Windmesse WindEnergy austrägt, hat Husum den Part der Messe für den deutschen Windmarkt übernommen. Die Messe ist deutlich kleiner als in den vergangenen Jahren, allerdings trägt die familiäre Atmosphäre unter dem Motto „Willkommen zuhause“ zum Flair bei. Zwar hat sich die Messe, die seit mehr als 25 Jahren den Markt begleitet, modernisiert, trotzdem wirkt vieles noch immer wie ein Provisorium: Die Gänge in den Zelten sind nach wie vor eng und überfüllt, der Boden schwingt beim Gehen mit, das Pressezentrum erinnert an eine Besenkammer. Nichtsdestotrotz ist die Messe gut besucht, die Stimmung ist bestens und bis Freitag wird mit 20.000 Besuchern gerechnet.

'Willkommen zuhause' ist das Motto der Messe (Foto: kr)

Welche Rolle die Messe für Schleswig-Holstein spielt, wurde bereits am Dienstag deutlich, als Ministerpräsident Torsten Albig gleich sein gesamtes Kabinett zur Eröffnung mitbrachte. In seiner Rede betonte er die Bedeutung der Windindustrie für das Bundesland, von wo aus die Energiewende weiter vorangebracht werden soll – und das nicht nur im Norden, sondern in Deutschland und am besten gleich ganz Europa: „Die Windbranche kommt in diesem Jahr wieder einmal dort zusammen, wo die Windenergie eine lange Tradition hat und Fachwissen und Erfahrung zu Hause sind. Dieser Wirtschaftszweig ist ein wesentlicher Eckpfeiler zum Gelingen der Energiewende und ein stabiles Standbein für die Partner aus der Wirtschaft.“

Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel konnte aufgrund der aktuellen Flüchtlingskrise nicht selbst vorbeischauen, sondern schickte seinen Parlamentarischen Staatssekretär Uwe Beckmeyer, der in Bezug auf Husum von einem „Hotspot der Energiewende in Deutschland“ sprach.

Inhaltlich deutlich weniger euphorisch zeigte sich der Präsident des Bundesverband WindEnergie Hermann Albers, der angesichts des demnächst stattfindenden Klimagipfels in Paris vor einem Verfehlen des Zwei-Grad-Zieles warnte und darauf hinwies, dass Husum und Hamburg aufgrund ihrer Lage bei steigendem Meeresspiegel von Überschwemmung bedroht seien. Zudem appellierte er an das Gewissen der Windindustrie, sich auch in der Flüchtlingsdebatte eindeutig zu positionieren und den ankommenden Menschen die Hand zu reichen und sie in Lohn und Arbeit zu bringen. Die Windindustrie sei eine Wachstumsbranche mit gesellschaftlicher Verantwortung, das müsse nun gezeigt werden: „Windenergie ist Friedenspolitik, konventionelle Energie ist Kriegspolitik“, machte er deutlich.

Blick auf die einzige Messehalle, die restlichen Aussteller sind in Zelten untergebracht (Foto: kr)

 

Ausschreibungen

Großes Thema auf der Messe bleiben auch weiterhin die Ausschreibungen, die ab dem kommenden Jahr für deutsche Windprojekte eingeführt werden sollen. Zur Zeit wird darüber verhandelt, wie genau die Bedingungen aussehen sollen und ob es Ausnahmen gibt. Eine weit verbreitete Angst vieler Projektierer ist, dass Bürgerwindprojekte zukünftig chancenlos sein werden. Beckmeyer betonte allerdings, dass die „Akteursvielfalt eine Herzensangelegenheit der Regierung sei" und rief alle Beteiligten dazu auf, sich aktiv am Prozess der Gestaltung der Ausschreibungen zu beteiligen.

 

Technik

Neben den Ausschreibungen stehen dieses Mal nicht die großen Innovationen im Mittelpunkt der Messe, sondern eher kleinere Optimierungen der bereits vorhandenen Produkte. Wie kann man noch ein paar Prozent mehr aus der Windturbine herausholen und deren Leistung und Effizienz steigern? Der Service-Anbieter seebaWIND GmbH präsentiert dazu in Husum unter anderem verschiedene Produkte aus dem Bereich der Retrofits, darunter eine selbst entwickelte SDL-Nachrüstung für Anlagen der MD-Baureihe, optimierte Rotorblätter und eine neue Mita-Steuerung. Bis zu 5 Prozent mehr Effizient soll so pro Anlage möglich sein – und das allein durch Optimierung weniger Einstellungen. „Wir können jedes Ersatzteil einschließlich der Großkomponenten kurzfristig liefern und austauschen“, betont seebaWIND-Geschäftsführer Holger Hämel zusätzlich.

Ein weiteres Feld, das für die Branche immer wichtiger wird, ist die Frage, was mit den Altanlagen geschieht, die ihre Laufzeit von 20 Jahren erreicht haben. „Durch den Anfang der 90er Jahre startenden Boom an Installationen kommen immer mehr Anlagen in ein kritisches Alter“, sagt Torsten Bednarz, Fachgebietsleiter beim TÜV Rheinland. „Die Einschätzung, ob und unter welchen Bedingungen ein Weiterbetrieb wirtschaftlich sinnvoll ist, bereitet vielen Betreibern Schwierigkeiten“, so Bednarz. Die Vorgehensweise für die Laufzeitverlängerung ist komplex: Um den individuellen Nachweis zu erhalten, werden die Nutzungsreserven der Windenergieanlage durch einen Gutachter ermittelt und belegt. Dabei ist ein praktischer Nachweis erforderlich, der durch eine Vor-Ort-Inspektion, ähnlich einer wiederkehrenden Prüfung, erbracht wird. Hier wird der Zustand von standsicherheitsrelevanten Hauptkomponenten insbesondere auf Ermüdung geprüft. Betrachtet werden beispielsweise Rotorblatt, Maschinenträger oder die Nabe. Mit einem zusätzlichen analytischen Teil des Nachweisverfahrens werden verschiedene Daten wie etwa die Lebenslaufakte und die SCADA-Daten ausgewertet. Es erfolgt ein Vergleich tatsächlicher Werte gegenüber Auslegungswerten der Anlage. Betrachtet werden Betriebsstunden, Betriebsweise, Lastniveau, Windgeschwindigkeiten, Turbulenzintensität und Wartungslogs. Je nach Sachlage müssen vollständige Rechenmodelle und Simulationen erbracht werden, je größer die Datenmenge, desto einfacher später die Auswertung.

TÜV Rheinland stellt auf der HUSUM Wind seine Services vor. (Foto: TÜV Rheinland) 

Der Aspekt des Sammelns und Auswertens der Daten unter dem Stichwort 'Industrie 4.0' rückt dabei zunehmend in den Fokus der Windbranche. Um zum Beispiel die Arbeit der Servicetechniker vor Ort zu erleichtern hat SSB Wind Systems zur Messe die erste App für elektrische Pitchsysteme vorgestellt. Mussten sich die Servicetechniker bislang über einen Laptop mit dem Pitchsystem verbinden, um Daten auszulesen, ermöglicht die App nun eine kabellose Verbindung mit dem PerfectPitch-System des Unternehmens zu Smartphone oder einem Tablet. „Analog zu einigen Zielen von Industrie 4.0 soll die App die Arbeit bei Serviceeinsätzen in der Rotorblattnabe erleichtern und gleichzeitig die Arbeitssicherheit, z.B. durch den Wegfall von Stolperfallen wie Kabel, steigern“, erklärt Helmut Reinke, Leiter Vertrieb und Marketing von SSB Wind Systems. Vereinfachung und Vernetzung sind dabei die Schlagworte. Für die Sicherheit ist ebenfalls gesorgt: Die Verbindung zur App kann vor Ort nur über einen Dongle hergestellt werden, es ist also nicht möglich, unter den Anlage zu stehen und von dort aus den Betrieb zu manipulieren.

Noch bis Freitag können sich Besucher in Husum vor Ort über sämtliche Innovationen informieren. Nächstes Jahr findet dann wieder die WindEnergy in Hamburg statt, die vom 27.-30. September 2016 ihre Pforten in den Messehallen öffnet.

Autor:
Katrin Radtke
Email:
kr@windmesse.de
Windenergie Wiki:
SCADA, Nabe, Hamburg, Energiewende, Ausschreibungen



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