2024-11-05
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Scharfe Kritik an britischer Regierung: Überholte Energiepolitik kostet Großbritannien Milliarden

Die britische Regierung hat ehrgeizige Ziele: Die niedrigsten Stromgestehungskosten Europas möchte man seinen Bürgern bieten, wie ein kürzlich vorgelegter Plan verspricht. Eine überholte Energiepolitik sorgt andererseits jedoch dafür, dass die Insel ihren Nachbarländern bald weit hinterher hinken wird, hält nun eine Umweltschutzorganisation dagegen.

Onshore-Wind-Bann nicht zeitgemäß

Die britische Energy and Climate Intelligence Unit (ECIU) hat sich auf die Fahne geschrieben, Großbritannien bei einer fundierten Debatte über Energie- und Klimawandelfragen zu unterstützen. Nun legt die Non-Profit-Organisation allerdings den Finger in die Wunde der ohnehin angeschlagenen Regierung, die sich derzeit in Grabenkämpfen und Brexit-Gesprächen mit Europa aufreibt. Die Organisation übt scharfe Kritik an der Heimatfront: Eine überholte Energiepolitik blockiert die Entwicklung der billigsten neuen Stromerzeugungstechnologien in Großbritannien, heißt es in einem frisch veröffentlichten Bericht. Dies habe Auswirkungen auf die Stromrechnungen von Verbrauchern, die britischen Klimaschutzziele und die britische Wirtschaft insgesamt.

Im Mittelpunkt der Kritik steht dabei vor allem der Verzicht auf die weitere finanzielle Unterstützung der Onshore-Windenergie, der 2015 von der damaligen konservativen Regierung beschlossen wurde. Der ehemalige Premierminister David Cameron hat damals erklärt, dass "wir die Ausbreitung von Onshore-Windparks stoppen werden" mit der Begründung, dass die Menschen genug von Onshore-Windenergie hätten. Schon damals wiesen Umfragen allerdings darauf hin, dass dies nicht der Mehrheit der öffentlichen Meinung entsprach. Außerdem machten Industrievertreter darauf aufmerksam, dass es durch diese Politik in Zukunft schwierig werde, die Klimaschutzziele einzuhalten. Die Konservativen setzten allerdings nur noch auf Offshore-Windenergie – ein Bereich, in dem Großbritannien weltweit führend ist.

1 Milliarde Pfund Mehrkosten

Der aktuelle Bericht der ECIU mit dem Namen ‚Blown Away‘ knüpft nun daran an und zeigt auf, dass Großbritannien durch diese einseitige Politik massive Nachteile erfährt. Durch den weltweit intensiven Ausbau von Onshore-Wind sind in der Zwischenzeit dessen Stromgestehungskosten drastisch gesunken, was ihn zur günstigsten Energiequelle unter den Erneuerbaren macht. Das untermauern die Zahlen der ECIU: Strom aus 1 Gigawatt neuer Onshore-Windparks würde aktuell 30 Millionen Pfund pro Jahr weniger kosten als der gleiche Strom aus neuem Offshore-Wind und sogar 100 Millionen Pfund weniger als aus neuen Kernkraft- oder Biomasseanlagen. Außerdem ist diese Form der Energiegewinnung kostengünstiger als die Erzeugung von kohlenstoffreichem Gas. Insgesamt könnte eine Fortsetzung des Onshore-Windverbotes über einen Zeitraum von weiteren vier bis fünf Jahren im Vergleich zu anderen Technologien den Staat und seine Bürger bis zu 1 Milliarde Pfund kosten.

Der Bericht erscheint zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt für die aktuelle britische Regierung unter Theresa May: Erst kürzlich hatte sie eine Überprüfung der Energiekosten angekündigt, um die für die Bürger „niedrigsten Energiekosten in Europa“ zu erreichen. Die neue ‚Clean Growth Strategy‘ sieht außerdem vor, eine neue Politikrichtung einzuschlagen, die auf weniger CO2 setzt, um die gesetzlich verbindlichen Klimaschutzziele noch zu erreichen. Was allerdings in dem Strategiepapier fehlt, ist der Onshore-Windenergieausbau.

Regierung im Kreuzfeuer

Richard Black, Direktor der ECIU, kritisiert die Regierung dafür scharf: „Das effektive Verbot der billigsten Form der Stromerzeugung der Erneuerbaren erscheint zunehmend pervers. Für eine Regierung, die sich verpflichtet hat, Energie billiger zu machen, besteht die Gefahr, dass sie die Menschen an ihre höheren Stromrechnungen kittet, außerdem steht diese Politik auch im Widerspruch zu ihrem Ziel, die niedrigsten Energiekosten in Europa zu haben.“

Man habe auf den britischen Inseln schließlich keinen Mangel an Wind, aber „während andere europäische Nationen stark auf Onshore-Wind setzen, beginnt Großbritannien hinterherzuhinken, weil wir nicht das Beste aus unseren natürlichen Ressourcen herausholen“, so Black.

Die aktuelle britische Energiepolitik zieht nicht in Betracht, dass Onshore-Wind mittlerweile keine Subventionen mehr benötigt. Stattdessen verzichtet man einfach auf einen lukrativen Wirtschaftszweig, wie auch Dr. Jonathan Marshall, Energieanalytiker der ECIU, betont: „Die Möglichkeit, die britische Erfolgsgeschichte der Offshore-Windenergie zu wiederholen, sollte eigentlich eine starke Motivation sein. Es würde zusätzlich für Vorteile bei der Diversifizierung des britischen Energiemixes sorgen. Ein Umdenken bei Onshore-Wind scheint zunehmend überfällig."

Im Bereich der Offshore-Windenergie ist Großbritannien führend, allerdings sind die Kosten bedeutend höher als beim Onshore-Ausbau (Bild: Windmesse)

Alternativpläne zu Lasten der Wirtschaft

Stattdessen setzt die Regierung weiterhin auf den Offshore-Windausbau – und auf Atomenergie. So soll trotz aller Proteste – auch seitens der EU – das umstrittene Atomkraftwerk Hinkley Point C weiter gebaut werden. Und dass obwohl bereits heute feststeht, dass diese Form der Energiegewinnung unwirtschaftlich ist und definitiv nicht mehr mit den Kosten der Energieerzeugung aus Erneuerbaren mithalten kann.

Aber auch im Bereich der Windenergie droht Ungemach. Großbritannien wird ohne Investitionen in neue Technologie bald hinter alle vergleichbaren EU-Länder zurückfallen, was die Effizienz der Windparks angeht, warnt die ECIU. Ohne die Unterstützung durch einen Heimatmarkt, wird Großbritannien seinen Platz als eines der globalen Zentren für Onshore-Windenergie bei der Herstellung und Installation sowie bei den damit verbundenen Finanz- und Rechtsdienstleistungen verlieren. Damit einher gehen Verluste von Arbeitsplätzen und Wirtschaftskraft.

Meldungen, die man in Zeiten des Brexit und dessen unkalkulierbaren wirtschaftlichen Folgen derzeit in London gar nicht gerne hören dürfte.

Autor:
Katrin Radtke
Email:
presse@windmesse.de
Keywords:
Großbritannien, UK, offshore, Brexit, Theresa May, onshore, Energiemix
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