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Windenergie und Vogelschlag: Ein Mythos, der sich hartnäckig hält
Es ist nicht von der Hand zu weisen und es passiert immer wieder: Vögel verirren sich in Windkraftanlagen und kommen darin zu Tode. Unter Windkraftgegnern haben die Anlagen daher häufig den Ruf eines „Vogelschredders“ und sollten ihrer Meinung nach auch deshalb verboten werden. Von der offensichtlichen Polemik abgesehen, ist allerdings die Verhältnismäßigkeit der Kritik zu hinterfragen, wenn man die Zahlen in Relation setzt.
Insgesamt ist es sehr schwierig, verlässliche Zahlen zu diesem Thema zu erheben, denn lange nicht alle toten Vögel gehen in die Statistik ein. Oftmals werden die Kadaver gleich von anderen Tieren gefressen bzw. verwesen irgendwo im hohen Gras in der Umgebung der Anlagen, ohne dass sie jemals gefunden werden, worauf der BUND Regionalverband Südlicher Oberrhein hinweist.
Mittlerweile ist es allerdings möglich, die Zahl des Vogelschlags durch verschiedene Maßnahmen schon bei der Planung der Anlagen zu reduzieren: Die Maßnahmen reichen von entsprechenden Abständen zu Flugrouten und Nistplätzen bis hin zum zeitweiligen Abschalten der Anlagen in Zeiträumen von besonders viel Vogelflug.
Die Infografik des BWE zeigt, auf welch vielfältige Art und Weise Windenergie und Naturschutz miteinander verknüpft sind. (Bild: BWE)
Genaue Zahlen schwer zu erheben
In Deutschland kommen jährlich zwischen 10.000 und 200.000 Vögel in Windkraftanlagen zu Tode – je nachdem welcher Schätzung man am meisten Glauben schenkt. Auf den ersten Blick scheinen diese Zahlen sehr hoch, doch gilt es bereits hier, die Zahl in Relation zur Anzahl der aufgestellten Windkraftanlagen zu setzen: Ende 2016 gab es laut BWE über 27.000 Windkraftanlagen in Deutschland. Macht also im Durchschnitt, wenn man von der höchsten Schätzung ausgeht, knapp sieben tote Vögel pro Jahr und Anlage.
Lebensraum in Gefahr
Auf der Liste der Ursachen für das Vogelsterben landen Windkraftanlagen trotzdem nicht sonderlich weit vorn. Ganz oben findet sich stattdessen die Zerstörung des Lebensraums der Vögel. Intensive Landwirtschaft, Rodung von Wäldern und Einbetonierung von Grünflächen führen zu weniger Brutplätzen und einem dramatischen Rückgang zum Beispiel von Insekten, einem der Hauptnahrungsmittel der Tiere.
Letztlich spielt dabei auch der Klimawandel eine immer größere Rolle, wie eine erst kürzlich veröffentlichte Untersuchung eines Teams von Wissenschaftlern um James Watson von der School of Earth and Environmental Sciences der University of Queensland in Australien und Michela Pacifici von der Sapienza Universität in Rom im Fachmagazin Nature Climate Change dargestellt hat. Demnach zeigen nach einer Auswertung von 130 Studien bereits fast 700 Arten von Vögeln und Säugetieren negative Reaktionen aufgrund höherer Temperaturen und anderer dadurch bedingter Änderungen in den Ökosystemen sowie im langfristigen Wettergeschehen.
Menschengemachtes Problem
Und noch ein weiterer, unmittelbarer Eingriff des Menschen in den Lebensraum der Vögel spielt eine entscheidende Rolle für ihr massenhaftes Sterben: Vogelschlag an Glas. Laut Schätzungen des BUND sterben in Europa jährlich 90 Millionen Vögel an Glasfassaden und Fensterscheiben, davon mindestens 18 Millionen in Deutschland (siehe rechts: Fassade mit viel Glas des Hotel Bremerhaven, Foto: Katrin Radtke). Damit sterben an einem Tag (!) in Europa mehr Vögel an Glas als in einem ganzen Jahr an Deutschlands Windkraftanlagen.
Doch dieses Thema ist zumindest in Deutschland bislang recht stiefmütterlich behandelt worden. In öffentlichen Diskussionen spielt diese Zahl bislang kaum eine Rolle, obwohl es auch hier genug Möglichkeiten gebe, dieses Problem einzudämmen. Andere Länder sind da bereits weiter: In Österreich etwa gibt es eine Norm zur Prüfung von Glas hinsichtlich der Einordnung als Vogelschutz-Glas. Auch in den USA und Kanada ist man sich dieses Problems schon länger bewusst, und viele Gemeinden haben eigene Regelungen bezüglich des Vogelschlags an Glas aufgestellt.
„Glas tötet unspezifisch also potentiell alle Vogelarten, denn es wird in fast jeder Flughöhe verbaut. Es tötet Vögel unabhängig von Art, Alter, Geschlecht und Uhrzeit. Das belegen Studien aus den USA. Man kann natürlich sagen, dass Vögel, die oft vorkommen ("Allerweltsarten") auch oft betroffen sind, Vögel, die selten vorkommen nicht so oft, was aber nur an der vorhandenen Anzahl der Vögel liegt. Viele Vogelstationen haben regelmäßig Glas-Vogelschlag-Opfer aus verschiedensten Arten: Greifvögel, Spechte (sogar sehr oft), Singvögel, Waldschnepfen, Zugvögel, standorttreue Vögel... einfach alles ... bis hin zu einem Storch, bei dem die Kollision sogar live beobachtet wurde." sagt Dr. Judith Förster, Leiterin des Projektes 'Vermeidung von Vogelschlag an Glas' des BUND NRW. Dabei liegt die Zahl der toten Vögel auch hier noch viel höher, denn neben den unmittelbaren Opfern kommen gerade zu Brutzeiten auch noch die Jungvögel dazu, die sich alleine nicht mehr versorgen können, wenn das Alttier zu Tode gekommen ist.
Auch die Rolle des Straßen- und Schienenverkehrs ist nicht zu unterschätzen, allerdings gibt es hier bislang kaum Studien. Und wenn es einmal auf die geliebte Katze zu sprechen kommt, dann sehen ohnehin viele Tierliebhaber rot. Dass verwilderte oder streunende Katzen im großen Umfang dazu beitragen, dass die Vogelhäuser leer bleiben, ist ein gerne verdrängtes Problem. Da ist es viel leichter, die ohnehin unbeliebten Windkraftanlagen für das Vogelsterben verantwortlich zu machen...
- Autor:
- Katrin Radtke
- Email:
- presse@windmesse.de
- Keywords:
- Vogelsterben, Vogelschlag, Windkraft
- Windenergie Wiki:
- BWE