2024-11-21
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Zukunft der Windenergie? Forschung zu Zweiblattanlagen an der HAW Hamburg

Den Anblick von Windenergieanlagen kennt jeder – aber müssen sie immer drei Rotorblätter haben? Überlegungen für Anlagen mit zwei Blättern gibt es schon lange, doch durchsetzen konnten sie sich bislang nicht. Denn unter Wissenschaftlern und in der Forschungsliteratur halten sich vermeintliche Nachteile hartnäckig.

Genau diese hinterfragte die junge Wissenschaftlerin Vera Schorbach, 36, in ihrer Promotion im Bereich Windenergie: An der HAW Hamburg erforschte sie, wie Windkräfte auf Zweiblattanlagen konkret wirken und wie diese Belastungen beeinflusst werden können.

Die Idee zu Zweiblattanlagen existierte bereits in den 1930er Jahren. In den 1980er Jahren baute die NASA große Anlagen für Forschungszwecke und in Deutschland wurde 1981 mit GROWIAN (Abkürzung für „Große Windanlage“) eine zweiblättrige Anlage mit einem Rotor-Durchmesser von 100m errichtet.

„Aber es ist nicht grundlos, dass die Welt voller Dreiblattanlagen steht. Zweiblattanlagen werden von der Bevölkerung kaum akzeptiert, weil sie meistens lauter und optisch ungewohnt sind“, erläutert Vera Schorbach, die demnächst mit dem Erscheinen ihrer Promotion den Dr.-Titel führen darf. „Außerdem“, so die wissenschaftliche Mitarbeiterin, „wirken stärker schwankende Windlasten auf eine Anlage mit zwei Blättern.“ Ein Grund ist der sogenannte Höhenwindgradient: Mit zunehmender Höhe nimmt die Windgeschwindigkeit zu. Bei einer Zweiblattanlage ist daher während der Rotation immer wieder eines der Blätter stärkerem Wind ausgesetzt als das andere. Die Windkräfte wirken sehr ungleich auf die Anlage und die Belastung steigt.

Der Wind belastet Zweiblattanlagen stärker

„Wenn ich früher von meinem Promotionsthema erzählt habe, rieten mir viele davon ab. Das hat mich erst recht neugierig gemacht“, sagt Schorbach. Schließlich bedeutet der geringere Materialbedarf von Anlagen mit nur zwei Blättern eine Kostenersparnis, die deren Einsatz sehr interessant macht. Die akustischen und optischen Einwände sind auch schnell aufgelöst, wenn die Anlagen „offshore“ vor der Küste eingesetzt werden. Mehr noch: Da sie vormontiert in einem Stück transportabel sind, können sie vor Ort schneller errichtet werden. Das senkt die Kosten zusätzlich.

Bleibt noch das Problem der stärkeren Belastung von Zweiblattanlagen, auf das sich Schorbach in ihrem Promotionsprojekt konzentrierte. Durch den Höhenwindgradienten biegt der Wind die Rotorblätter immer wieder nach hinten. Auf Dauer führt das zu Materialermüdung. „Es ist ähnlich wie bei einem Stück Draht“, erläutert Schorbach. „Ziehe ich einfach nur an beiden Enden, passiert nichts. Bewege ich den Draht hin und her, wird er nach kurzer Zeit brechen.“ Helfen kann eine Pendelnabe: Dieses zusätzliche Gelenk in der Nabe zwischen Rotorblatt und Turm ermöglicht den Blättern bei starkem Wind nach hinten „auszuweichen“. Das Material der Nabe wird dadurch weniger belastet. Ein Endanschlag in der Nabe verhindert, dass die Rotorblätter so weit ausschlagen, dass sie den Turm treffen.

Extrembedingungen per Computersimulationen getestet

Bei extremer Belastung wie sehr starken Windböen half nach bisherigem Forschungsstand auch eine Pendelnabe nicht mehr. Es kam zu Pendelendanschlägen, wenn das Rotorblatt über den maximalen Winkel hinaus pendelte. Hierdurch wurde die Anlage ernsthaft beschädigt. Unter anderem führten diese Pendelendanschläge zum Aus von GROWIAN nach nur wenigen Wochen.

Doch wie stark genau die Kräfte sind, die bei einem Pendelendanschlag entstehen, und wie diese beeinflusst werden, hat bisher niemand näher untersucht. Genau hier setzt Schorbachs Forschung an: Wie können die verschiedenen Einstellungsmöglichkeiten einer Pendelnabe (zum Beispiel Pendelwinkel, Federn, Dämpfer) so kombiniert werden, dass sich ein Pendelendschlag möglichst gering auswirkt und eine Zweitblattanlage auch extremen Belastungen standhält?

Um verschiedene Einstellungskombinationen unter extremen Bedingungen zu testen, rechnete Schorbach mit Hilfe von Computersimulationen – technische Möglichkeiten, die Wissenschaftlern in den früheren Phasen der Zweiblattanlagen nicht zur Verfügung standen. Als Basis für die Simulationen dienten ihr unter anderem die Werte von realen Anlagen und Gespräche mit den Ingenieuren, die GROWIAN mitentwickelt hatten. Durch ihre Experimente fand Schorbach heraus, dass Pendelnaben so ausgelegt werden können, dass Endanschläge selbst bei kritischen Windverhältnissen nur geringe Auswirkungen haben. „Pendelendanschläge sind damit doch kein Killer-Aspekt für Zweiblattanlagen“, so Schorbach.

Firmen haben bereits Interesse an Ergebnissen

Schorbach zeigt mit ihren Forschungen, dass die Zweiblattanlagen mit Pendelnabe bisher zu Unrecht als ungeeignetes Konzept für die Windenergie galten. Anhand der einzelnen Parameter gibt sie sogar konkrete Hinweise, wie Pendelanlagen so gebaut werden können, dass sie auch unter extremen Bedingungen nur gering belastet werden. Mit diesen eindeutigen Ergebnissen hätte die 36-Jährige selbst nicht gerechnet: „Damit hätten Zweiblattanalagen das Potential, letztendlich eine günstigere Alternative für die Offshore-Windenergie zu sein. Erneuerbarer Strom könnte konkurrenzfähiger werden und wir könnten noch mehr CO2 einsparen, um notwendige Klimaziele zu erreichen.“     

Im Dezember 2015 verteidige Schorbach ihre Promotionsarbeit, die sie in Kooperation mit der HAW Hamburg, der Bergischen Universität Wuppertal und der Universität Stuttgart geschrieben hatte. Zuvor hatte sie an der HAW Hamburg ihren Master in „Nachhaltige Energiesysteme“ abgeschlossen. Wie geht es nun weiter mit den Zweiblattanlagen? So viel verrät Schorbach: „Es gibt einige Hersteller von Windenergieanlagen, die ihr Interesse an meinen Ergebnissen bekundet haben.“

Quelle:
HAW Hamburg
Autor:
Julia Siekmann
Link:
www.haw-hamburg.de/...
Windenergie Wiki:
Offshore, Nabe, Hamburg, Growian




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