Neue Datenbank bringt Übersicht in die Kohle-Regeln weltweiter Finanzinstitutionen
Dies zeigt eine heute erschienene neue digitale Datenbank der Nichtregierungsorganisation Reclaim Finance, die von 27 NGOs weltweit, darunter urgewald, mitveröffentlicht wird.
Das Coal Policy Tool ist die erste Datenbank, die sämtliche Kohle-Ausschlussregeln der größten Banken, Investoren und Versicherer weltweit aktuell sammelt und auf Basis fünf fundierter Kriterien vergleicht. Sie bewertet bisher 214 Unternehmen mit Kohlerichtlinien aus dem Finanzsektor sowie die größten Finanzinstitutionen, die keinerlei Einschränkungen für Kohle haben, und behandelt 30 Länder weltweit. Damit ermöglicht sie erstmals einen Überblick dazu, wie wirksam die Maßnahmen für den Ausschluss der Kohle sind. Die Datenbank wird künftig täglich aktualisiert.
Die Datenbank ist verfügbar unter: www.coalpolicytool.org
Die Zahl der neuen Richtlinien zum Kohleausschluss ist seit der Verabschiedung des Pariser Klimaschutzabkommens im Jahr 2015 schnell gewachsen. Zur Qualität dieser Regeln ergibt die Analyse von Reclaim Finance ein gemischtes Bild.
Wichtigste Ergebnisse:
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Die stärksten Regeln zum Kohleausschluss finden sich in Europa, wo im Vergleich die meisten Finanzinstitutionen angefangen haben Finanzdienstleistungen für Kohle einzuschränken sowie diese regelmäßig zu überprüfen und zu verschärfen.
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Die US-Vermögensverwalter, die den Markt weltweit dominieren, erhalten insgesamt die schwächsten Bewertungen im Coal Policy Tool. BlackRock ist seit seiner Ankündigung von Januar der einzige US-Vermögensverwalter mit einer Kohlerichtlinie, diese schließt aber nur wenige Kohlegeschäfte aus. Bis auf ein Kriterium wird BlackRock daher von Reclaim Finance mit dem schwächsten Wert 0 bewertet.
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Mit Ausnahme der französischen Banken, die vor kurzem zum Teil Maßnahmen angekündigt haben, um vollständig aus dem Kohlesektor auszusteigen, liegen weltweit Banken gegenüber Rück-/Versicherern beim Ausschluss von Kohle zurück. Im Vergleich haben mehr Rück-/Versicherer starke Einschränkungen für ihre Geschäfte mit Kohleunternehmen eingeführt.
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Laut der Analyse des Coal Policy Tools haben weltweit nur 16 Finanzinstitutionen, darunter Größen wie AXA, Crédit Agricole/Amundi, Crédit Mutuel und UniCredit, „robuste“ Richtlinien eingeführt, die Kohlegeschäfte konsequent herunterfahren. Die meisten Kohlerichtlinien im Finanzsektor weltweit sind nach wie vor sogar zu schwach, um allein ein weiteres Wachstum des Kohlesektors zu verhindern.
Lucie Pinson, Gründerin und Geschäftsführerin von Reclaim Finance, sagt: „Unser digitales Werkzeug identifiziert und vergleicht Kohlerichtlinien. Es ermöglicht Medien, Finanzinstitutionen und anderen einen Durchblick im Dschungel der vielen Kohlerichtlinien zu gewinnen. Vor allem will es aber dafür sorgen, qualitativ starke Kohlerichtlinien zu entwickeln, die einen effektiven Beitrag zur Verhinderung der Klimakrise leisten.“
Pinson fügt hinzu: „Es reicht nicht aus, eine Richtlinie gegen Kohle zu verabschieden, was wir brauchen, sind starke Richtlinien. Finanzinstitutionen in Frankreich waren weltweit die ersten, die begonnen haben Kohlegeschäfte einzuschränken. Diese Richtlinien mussten vielfach überarbeitet werden, bis sie konsequent genug waren, um Kohle wirksam auszuschließen. Wir können es uns nicht leisten, weiterhin so viel Zeit zu verlieren. Auch der nötige Ausschluss von Öl und Gas wird immer dringender. Bei Kohle müssen Finanzinstitutionen ihre Geschäfte nun schnell nach höchsten Standards einschränken. Unser Coal Policy Tool zeigt wie es geht.“
Wichtigste Ergebnisse für deutsche Finanzinstitutionen
(Alle Ergebnisse für Deutschland finden Sie vorgefiltert hier: https://t1p.de/b731)
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Auch wenn es in den vergangenen Jahren einige Fortschritte beim Ausschluss von Kohle in der deutschen Finanzwirtschaft gab, dominieren bei deutschen Banken, Investoren und Versicherern insgesamt die Leerstellen in ihren Kohlerichtlinien – gerade beim Vergleich mit den vielen guten Bewertungen in der französischen Finanzindustrie.
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Am wenigsten schlecht schneidet die Allianz ab, da sie im Gegensatz zu allen anderen deutschen Finanzinstitutionen nur in einem Bereich komplett durchfällt (0 Punkte). Bei drei der fünf Untersuchungskriterien erhielt sie Bewertungen zwischen 6 und 8 von 10 möglichen Punkten (Ausschluss von Unternehmen, die neue Kohleprojekte entwickeln; Ausschluss von Unternehmen auf Basis des Anteils ihrer Kohlegeschäfte; Verpflichtung zum vollständigen Kohleausstieg)
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Viele Akteure haben den ersten möglichen Schritt gemacht und Finanzdienstleistungen für Kohle auf Projektebene mehr oder weniger stark eingeschränkt. Am stärksten vorangegangen sind hierbei die BayernLB, Deutsche Bank und die Helaba (jeweils im Bankengeschäft) sowie die Talanx-Tochter Hannover Re (Versicherungsgeschäft) mit jeweils 8 von 10 möglichen Punkten. Weitergehende Schritte wie Einschränkungen für Kohle auf Unternehmensebene – besonders für solche Unternehmen, die noch neue Kohleprojekte entwickeln wollen – fehlen jedoch oder sind bestenfalls halbherzig.
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8 von 10 Punkten für ihre relativen Kohleausschlüsse haben die Allianz, die Munich Re, Talanx/Hannover Re und Talanx/HDI Global (Verwaltung eigenen Vermögens) sowie Talanx/Ampega (Vermögensverwaltung für Dritte)
Dazu sagt Regine Richter, Energie-Campaignerin bei urgewald: „Im Vergleich zu französischen Institutionen enttäuschen die deutschen Akteure. In Anbetracht der Größe der Klimakrise sind die Schritte zu klein und zu wenig weitreichend. Dass mehr geht, beweisen die UniCredits, Crédit Agricoles und AXAs dieser Welt, an denen sich Deutsche Bank, Commerzbank und Allianz ein Beispiel nehmen sollten.“
Wie sieht eine starke Kohlerichtlinie aus?
Um perfekt auf die Klimawissenschaft abgestimmt zu sein, muss eine Kohlerichtlinie
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die gesamte Kohle-Wertschöpfungskette abdecken, vom Bergbau über die Infrastruktur bis hin zur Stromerzeugung
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alle Finanzdienstleistungen umfassen, einschließlich Unternehmens- und Projektfinanzierung, Unterstützung von Aktien- und Anleihegeschäften und passives Anlagemanagement.
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sowohl mit Ausschlusskriterien arbeiten als auch ein Engagement als kritischer Investor beinhalten. So können Finanzinstitutionen eine weitere Expansion des Kohlesektors verhindern und gleichzeitig mit dafür sorgen, dass die Kohleindustrie ein rasches Ende findet.
Die Verhinderung des Baus neuer Kohleprojekte ist besonders wichtig auf dem Weg zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaschutzabkommens. Die Finanzinstitutionen müssen daher sofort alle Dienstleistungen für Expansionsprojekte im Kohlesektor einstellen, aber auch ihre allgemeine Unterstützung von Unternehmen mit Kohleexpansionsplänen.
Jegliche bestehende Kohle-Infrastruktur muss nach und nach stillgelegt und darf nicht verkauft werden, wodurch weiterer Klimaschaden entstünde: Die Finanzinstitutionen müssen sich verpflichten, ihre Aktivitäten im Kohlebereich in Europa und den OECD-Ländern bis 2030 vollständig zu beenden, in allen anderen Ländern spätestens bis 2040. Um das zu erreichen, müssen Finanzinstitutionen zum einen sofort Dienstleistungen für Unternehmen ausschließen, die in hohem Maße mit Kohle Geschäfte machen – entweder, weil ein großer Teil ihrer Aktivitäten auf Kohle basiert oder weil der schiere Umfang ihrer Kohleaktivitäten erheblich ist. Zum anderen müssen sie von den Unternehmen, bei denen sie engagiert sind, verlangen, einen Kohleausstiegsplan zu verabschieden.
Die meisten Banken und Versicherer unterstützen noch neue Kohleprojekte
216 unter den größten Finanzinstitutionen weltweit haben nach wie vor keine Richtlinie zum Ausschluss von Kohle. Die meisten Banken und Versicherer erlauben sogar eine direkte Finanzierung oder Versicherung neuer Kohleprojekte. Dies gilt zum Beispiel für den britischen Versicherungsmarkt Lloyd's, die US-Versicherer AIG und Liberty Mutual, die chinesische Bank ICBC und den polnischen Versicherer PZU, die neue Kohleprojekte nicht von ihren Geschäften ausschließen. Viele andere Finanzinstitutionen schließen nur einige der schlimmsten Projekte aus. Alle Weltregionen sind von diesen Problemen betroffen, auch wenn US-amerikanische, südafrikanische und asiatische Finanzakteure hier das Bild dominieren.
Yuki Tanabe, Koordinator für Nachhaltige Entwicklung bei der japanischen NGO Japan Center for a Sustainable Environment and Society (JACSES), sagt: „Asiatische Finanzinstitutionen haben sehr schwache Kohlerichtlinien. Die japanischen Versicherer MS&AD, Sompo und Tokio Marine gehören zu den weltweit Schwächsten beim Thema Klimaschutz, da sie ihre Kohlegeschäfte überhaupt nicht eingeschränkt haben. Die Corona-Krise zeigt, dass sie die Forderungen von Klimawissenschaftlern und Regierungen weltweit nicht länger ignorieren können und die direkte und indirekte Unterstützung für neue Kohleprojekte sofort einstellen müssen. Eine Nulltoleranz gegenüber der Expansion von Kohle ist für jede Finanzinstitution, die sich für Umwelt und Nachhaltigkeit engagiert, aber nur der unerlässliche erste Schritt.“
Bestehende Richtlinien reichen nicht aus, um die Folgen der Kohle zu lindern
50 der im Coal Policy Tool analysierten Banken und Versicherer schließen nach wie vor Kohleunternehmen nicht grundsätzlich von Finanzdienstleistungen aus, sondern haben Ausschlüsse lediglich für Kohleprojekte. Zudem basieren die meisten Ausschlüsse von Kohleunternehmen nur auf dem relativen Anteil ihrer Kohleaktivitäten. Wie aus der Kohledatenbank Global Coal Exit List von urgewald hervorgeht, führt dies dazu, dass einige der größten Kohleproduzenten oder Kohlekraftwerksbauer weltweit nicht von entsprechenden Richtlinien betroffen sind.
Vanessa Warheit, Geschäftsführerin von Fossil Free California, sagt: „US-Vermögensverwalter tendieren zu einem vollkommen unangemessenen Umgang mit Kohle. Seien es die kalifornischen Pensionsfonds CalPERS und CalSTRS oder der weltweit größte Vermögensverwalter BlackRock, wir sehen in diesen Fällen Richtlinien, die nur den Kohlebergbausektor betrifft, aber alle weiteren kohlebezogenen Aktivitäten außen vor lässt. Diese Finanzgiganten haben ihre schlechten Bewertungen im Coal Policy Tool verdient. Da ihre Richtlinien weiterhin den größten Teil des Kohlesektors ignorieren, klingen ihre Aussagen zu Klimaschutz und Kohleausstieg hohl.“
Die meisten Finanzinstitutionen gehen den Kohleausstieg nicht an
Das Coal Policy Tool zeigt ebenfalls, dass Banken, Investoren und Versicherer noch sehr viel unternehmen müssen, um die rechtzeitige Schließung bestehender Kohleanlagen im Einklang mit der Klimawissenschaft voranzutreiben. Nur eine sehr kleine Zahl von Finanzinstitutionen hat damit begonnen, sich
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zu verpflichten, ihr Engagement im Kohlesektor bis spätestens 2030 in Europa und den OECD-Ländern und bis spätestens 2040 in anderen Ländern auf nahezu Null zu reduzieren und
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eine Strategie zur Erreichung dieses Ziels zu verabschieden. Viele französische Finanzkonzerne verlangen nun von ihren verbleibenden Kunden einen Kohleausstiegsplan bis Ende 2021 und haben sich verpflichtet Kunden, die keine entsprechenden Ambitionen nachweisen können, fallen zu lassen.
- Quelle:
- urgwald
- Autor:
- Pressestelle
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- urgewald.org/...
- Keywords:
- urgewald, Kohle, Finanzierung, Bank, Versicherung, Datenbank, Pariser Klimaschutzabkommen, Kohlekraftwerk