2024-04-18
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Legal Update Energierecht: Blockchain in der Energiewirtschaft

Der Begriff „Blockchain“ ist derzeit in aller Munde. Die Technologie verspricht Datensouveränität und die direkte Interaktion zwischen den Beteiligten, ohne Hinzuziehung eines Intermediärs. Die Interaktion beschränkt sich dabei nicht auf Transaktionen, sondern schließt Anwendungen und Prozessabläufe ein, die durch die Architektur der Blockchain-Technologie manipulationssicher, nachvollziehbar und effizient durchführbar werden.

Auch für die Energiewirtschaft wird der Blockchain-Technologie großes Potential für diverse Anwendungsfälle zugeschrieben. Nach Einschätzung von Fachleuten hat die Blockchain-Technologie das Potenzial, einen Paradigmenwechsel hin zur Echtzeit-Energiewirtschaft mit Milliarden vernetzter Geräte zu leisten. Der Reifegrad der Technologie muss derzeitige Limitierungen noch überwinden. Daneben stellt der geltende Rechtsrahmen die Akteure vor große Herausforderungen.

Dieses Legal Update gibt einen Überblick über die Funktion und Vorteile der Blockchain-Technologie, ihre Anwendungsbereiche in der Energiewirtschaft sowie den aktuellen rechtlichen und regulatorischen Rahmen.

Blockchain – was ist das?

Blockchains lassen sich (vereinfacht) zusammengefasst als verteilte Datenbanken beschreiben, die von ihren Nutzern selbst verwaltet werden. Sinn und Zweck dieser Datenbanken ist es, Informationen, insbesondere Transaktionen, dezentral und unveränderlich abzuspeichern und darzustellen.

Wird eine Information bzw. Transaktion an das Blockchain Netzwerk übermittelt, wird sie auf allen in der Blockchain vernetzten Rechnern gespeichert. Dies geschieht in der Weise, dass mehrere Transaktionen in Blöcken (“blocks“) zusammengefasst werden. Diese Blöcke von Informationen werden sodann von den Teilnehmern des Netzwerks selbst nach bestimmten Vorgaben verifiziert. Verifiziert die Mehrheit des Netzwerks die Informationen, wird der gesamte Block  verschlüsselt und unveränderlich in der Blockchain gespeichert. Jeder Block enthält dabei die Prüfsumme des vorherigen Blocks und wird dadurch „untrennbar“ mit diesem verbunden – so entsteht die Blockchain.

Durch diesen Prozess werden die in der Blockchain gespeicherten Daten immer „nur“ ergänzt, aber nicht verändert oder überschrieben. Auf diese Weise bleibt die gesamte Transaktionshistorie für jeden Teilnehmer der Blockchain nachvollziehbar.

Dies führt wiederum dazu, dass die in der Blockchain gespeicherten Daten faktisch fälschungssicher sind. Denn um diese (unbemerkt) zu verändern, müsste quasi die gesamte Blockchain verändert werden, damit die Prüfsummen aller Blöcke wieder korrekt sind.

Arten der Blockchain

Während die grundlegende Technologie unverändert bleibt, kann zwischen verschiedenen Arten der Blockchain unterschieden werden. So gibt es öffentliche, private und konsortiale Blockchains: An öffentlichen Blockchains können grundsätzlich unendlich viele Netzwerkteilnehmer partizipieren, die alle dieselben Berechtigungen haben und Transaktionen validieren können. An privaten Blockchains hingegen kann nur ein ausgewählter und begrenzter Kreis von Netzwerkteilnehmern partizipieren; zudem haben nicht alle Teilnehmer die gleichen Berechtigungen innerhalb der Blockchain. Auch existiert (noch) oftmals eine zentrale Instanz innerhalb einer privaten Blockchain. Die konsortiale Blockchain („Special-Purpose-Blockchain“) ist eine semi-private Blockchain und damit ein Kompromiss zwischen der öffentlichen und der privaten Blockchain.

Kryptowährungen

Das Grundkonzept der Blockchain existiert bereits seit einigen Jahren – weitreichende Bekanntheit erlangte es allerdings erst mit Entwicklung der Kryptowährung „Bitcoin“ als erster richtiger „Anwendungsfall“ der Blockchain im Jahr 2008. Die hinter dem Bitcoin stehende Grundidee ist es, eine funktionsfähige Währung zu erschaffen, die unabhängig ist von Banken und sonstigen zentralen Institutionen. Die Abwicklung von Transaktionen mit der Kryptowährung Bitcoin erfolgt sodann über eine Blockchain. Bitcoin und Blockchain sind daher nicht – wie vielfach angenommen wird – gleichzusetzen. Vielmehr stellt der Bitcoin lediglich eine Anwendungsmöglichkeit der Blockchain-Technologie dar.

Eine weitere Kryptowährung, die große Bekanntheit am Markt erreicht hat, ist Ether. Diese Währung wird zur Bezahlung innerhalb von Ethereum-Blockchains verwendet, die auf dem Konzept von Bitcoin aufbauen. Das Konzept von Kryptowährungen ermöglicht zudem die Methode des „Initial Coin Offerings“ („ICO“), einer Art Crowdfunding, bei dem Token an Anleger verkauft werden, wodurch die Finanzierung des Projekts erfolgt. Die Token können dabei im Grunde jedes beliebige Rechtsverhältnis oder jede beliebige Struktur abbilden – so kann es sich beispielsweise um eine neu emittierte Kryptowährung handeln oder um Erlösbeteiligungen oder Nutzungsrechte an dem zu finanzierenden Projekt.

Das Potential von Kryptowährungen bzw. der Tokenisierung kann auch in der Energiewirtschaft genutzt werden. So existiert bereits der SolarCoin – ein Blockchain-basierter Token, den PV-Anlagen-Betreiber für jede produzierte MWh Solarenergie erhalten. Die SolarCoins können über eine Blockchain gehandelt werden.

Smart Contracts

Die Ethereum-Blockchain ermöglicht nicht nur die Abwicklung von Transaktionen, sondern auch das Programmieren von sogenannten Smart Contracts. Hierbei handelt es sich nicht (zwingend) um Verträge im juristischen Sinne, sondern um automatisch ausführbare Programmcodes, die vorgegebene Transaktionsregeln abbilden. Der Smart Contract überprüft, ob alle zuvor festgelegten Bedingungen erfüllt sind. Ist dies der Fall, wird die Transaktion automatisch über die Blockchain abgewickelt. So könnte beispielsweise bei einem mittels Smart Contract geleasten Fahrzeug der Motor nur dann gestartet werden, wenn vorher die Leasingrate gezahlt wurde – eine Bedingung, die der Smart Contract selbstständig  überprüft.

Durch die Anwendung von Smart Contracts können damit Prozesse automatisiert werden und die Einschaltung eines Intermediärs erübrigt sich, was letztlich zu Kosteneinsparungen führt.

Die Blockchain in der Energiewirtschaft – Vorteile und Anwendungsbereiche

Bislang findet die Blockchain-Technologie vornehmlich im Finanzsektor Beachtung. Daneben gilt jedoch die Energiewirtschaft als der Bereich, in dem der Blockchain ein besonders großes Potential zugeschrieben wird. Eine Studie der deutschen Energie-Agentur dena aus dem Jahr 2016 hat dabei insbesondere den Peer-to-Peer-Handel (also Nutzer zu Nutzer) inklusive der finanziellen Abwicklung desselbigen, den Bereich Clearing & Settlement sowie Herkunftsnachweise als vielversprechende Anwendungsbereiche für die Blockchain-Technologie in der Energiewirtschaft ausgemacht.

Denn die Blockchain-Technologie hat das Potenzial, den Datenaustausch im zunehmend dezentralen Energiesystem zu erleichtern und Prozesse zu beschleunigen. Sie ermöglicht einen effizienten, transparenten und sicheren Austausch von Informationen. Das eröffnet Unternehmen neue Möglichkeiten zum Beispiel für die Optimierung von Prozessen im Strom- und Gasgroßhandel, für die Ladeinfrastruktur und Bezahlsysteme in der Elektromobilität oder auch die Zertifizierung von Energieprodukten. In Kombination mit der Digitalisierung des Messwesens unterstützt die Blockchain-Technologie neue Formen der Produktdifferenzierung, unter anderem hinsichtlich Erzeugungsart, -ort und -zeit (BDEW, Blockchain in der Energiewirtschaft, Kapitel 3.).

Es verwundert also nicht, dass diverse Energieversorgungsunternehmen und Startups an der Entwicklung und Erprobung von Blockchain-Lösungen für die Energiewirtschaft arbeiten. Der Übertragungsnetzbetreiber TenneT TSO GmbH setzt derzeit gemeinsam mit sonnen über eine Blockchain vernetzte dezentrale Heimspeicher zur Stabilisierung des Stromnetzes ein. Getestet werden soll, inwieweit sich damit Notfallmaßnahmen bei Engpässen im Netz, wie die Abregelung von Windparks, reduzieren lassen.

Auch im Bereich der Elektromobilität wird der Einsatz von Blockchain-Lösungen bereits erprobt. Hier kann die Technologie dazu genutzt werden, die Kommunikation zwischen Ladesäulen und Elektrofahrzeug sowie die Abwicklung der Ladevorgänge bzw. Transaktionen zu optimieren. Ein Pilotprojekt in diesem Bereich ist das Projekt Share&Charge von MotionWerk, die erste E-Mobility-Community-Plattform mit Blockchain-Technologie.

Im Stromgroßhandel ergeben sich durch die Vorteile der Blockchain – direkter und anonymer Handel unterschiedlicher Strommarktprodukte ohne Rückgriff auf einen Marktplatz/Intermediär – ebenfalls große Potenziale. Die Blockchain-Brancheninitiative "Enerchain" entwickelt bereits seit 2016 einen digitalen Marktplatz für Commodities auf Blockchain-Basis.

Die genannten Pilotprojekte vermitteln einen Eindruck davon, wie vielfältig die Einsatzmöglichkeiten der Blockchain-Technologie sind und wie ausgeprägt die Blockchain-Landschaft in der Energiebranche bereits heute ist.

Dezentrale Energieversorgung: Nachbarschaftsmodelle und Microgrids

Die Möglichkeit mit Hilfe der Blockchain Transaktionen „direkt“, das heißt ohne Intermediär abzuwickeln, macht die Technologie insbesondere für den kleinteiligen Handel von grünem, regionalem Strom interessant. Mit der Dezentralisierung der Energieerzeugung steigt die Anzahl von sog. „Prosumern“, das heißt von Stromverbrauchern, die gleichzeitig Erzeuger elektrischer Energie sind, stetig. Mit Hilfe der Blockchain können Transaktionen zwischen Prosumern ohne Intermediär und zu geringen Transaktionskosten – ggf. unter Einsatz von Smart ontracts – gesteuert und abgewickelt werden.

Der Einsatz der Blockchain-Technologie in Nachbarschaftsmodellen wird bereits in mehreren Pilotprojekten erprobt. Das wohl bekannteste Projekt dürfte das 2016 gestartete Brooklyn Microgrid in New York City sein. Das Startup LO3 Energy hat hier eine Peer-to-Peer-Plattform entwickelt, über die die teilnehmenden Prosumer Solarstrom untereinander handeln können. Die Transaktionen werden automatisch zwischen den Teilnehmern ausgeführt und dokumentiert. Das Projekt zeigt, wie die künftige dezentrale, autonome (Selbst-)Versorgung aussehen könnte.

Auch hierzulande wurden bereits Pilotprojekte gestartet. So bietet das Essener Blockchain-Startup Conjoule GmbH eine digitale Plattform an, über die Betreiber einer PV-Anlage ihren erzeugten Strom direkt in der Nachbarschaft handeln können – die Abwicklung der Transaktionen erfolgt dabei über eine Blockchain. Getestet wird das Vorhaben seit Oktober 2016 in Essen Kettwig und Mülheim a.d. Ruhr.

Nach einem ähnlichen Konzept erprobt die Salzburg AG gemeinsam mit der Verbund AG und dem Zentrum für sichere Energieinformatik (ZSE), wie der Eigenverbrauch in Mieterstrommodellen mittels einer Blockchain gesteigert werden kann, wenn die Bewohner in Mehrparteienhäusern Solarstrom direkt untereinander handeln können.

Rechtliche Herausforderungen

Die erfolgreiche Anwendung und Umsetzung von Blockchain-Lösungen in der Energiewirtschaft hängt entscheidend von den rechtlichen Rahmenbedingungen ab. Der geltende Rechtsrahmen stellt den Einsatz von Blockchain-Lösungen vor große Herausforderungen:

Fragen stellen sich etwa mit Blick auf die Vorgaben des allgemeinen Vertragsrechts rund um das Zustandekommen, den Inhalt sowie die Abwicklung bzw. Rückabwicklung von (Energieliefer-)Verträgen. Als problematisch stellt sich insbesondere die Unveränderlichkeit der Transaktionshistorie dar. Diese Eigenschaft, die die Blockchain-Technologie gerade auszeichnet, steht im Widerspruch zum deutschen Zivilrecht, das explizit eine Vielzahl von Möglichkeiten vorsieht, sich von Verträgen zu lösen, beispielsweise durch einen Rücktritt oder eine (rückwirkende) Anfechtung. Da eine einmal in der Blockchai  gespeicherte Transaktion grundsätzlich jedoch nicht mehr verändert oder gelöscht werden kann, stellt sich die Frage, wie sich die Blockchain-Technologie und der geltende Rechtsrahmen vereinbaren lassen. In diesem Fall müssten sog. „reverse transactions“, also fiktive Transaktionen, die in diesen Fällen gegenläufige Transaktionen in die Kette einführen, bis der „ursprüngliche“ Status wiederhergestellt ist, stattfinden. Dieses Spannungsverhältnis zeigt sich auch im Falle von Leistungsstörungen sowie wenn etwa Transaktionen in der Blockchain gespeichert werden, die sich wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) oder wegen Sittenwidrigkeit (§138 BGB) anschließend als von Anfang an nichtig herausstellen. Mit den damit zusammenhängenden Wertungsfragen befassen sich in der analogen Welt Juristen, häufig gar die Gerichte.

Zu beachten ist außerdem – insbesondere beim Handel auf der Grundlage von Smart Contracts – das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, §§ 305 ff. BGB. Hier stellen sich beispielsweise Fragen im Zusammenhang mit dem Umgang mit sich widersprechenden respektive sich kreuzenden AGB. Noch nicht abschließend gelöst ist auch die Frage, wer bei einer mangelhaften Leistung oder gar Nichtleistung haftet, wenn diese aufgrund eines (technischen) Systemfehlers in der Blockchain erfolgt: Der Miner, der die Transaktion validiert? Oder die Teilnehmer des Peer-to-Peer-Netzwerkes als gemeinsame Betreiber, die deshalb als Gesellschafter einer GbR haften (sollen)?

Weitere rechtliche Fallstricke können sich etwa aus den Vorgaben des Datenschutzrechts (Stichwort: „dauerhafte Rückverfolgbarkeit“) und des Steuerrechts ergeben.

Regulatorischer Pflichtenkatalog

Daneben wirft der Einsatz der Blockchain-Technologie in der Energiewirtschaft eine Reihe von regulatorischen Fragen auf. Beispielhaft seien nachfolgend wesentliche regulatorische Herausforderungen im Blockchain-basierten Peer-to-Peer-Handel kurz umrissen:

Beim Prosumer als Energieerzeuger wird es sich regelmäßig um ein Energieversorgungsunternehmen i.S.d. § 3 Ziff. 18 Alt. 1 EnWG („EVU“) bzw. Elektrizitätsversorgungsunternehmen i.S.d. § 3 Ziff. 20 EEG 2017 („EltVU“) handeln, der andere Prosumer, mithin regelmäßig Letztverbraucher, mit Energie beliefert. Dies hat zur Folge, dass den Prosumer grundsätzlich auch die Pflichten treffen, die das Gesetz an den Status als EVU bzw. EltVU knüpft. Hierzu gehört unter anderem die in § 5 EnWG statuierte Pflicht, die Aufnahme und Beendigung der Belieferung von Haushaltskunden der Bundesnetzagentur („BNetzA“) unverzüglich anzuzeigen. Neben der Anzeige der Aufnahme und Beendigung der Tätigkeit muss der Prosumer der BNetzA demnach auch seine personelle, technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit darlegen. Problematisch hieran dürfte sein, dass der Gesetzgeber ein „klassiches“ EVU vor Augen hatte, als er die Nachweispflichten des § 5 EnWG festlegte. Dem Prosumer wird es regelmäßig schwerfallen, seine persönliche, technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in diesem Sinne nachzuweisen.

Des Weiteren treffen den Prosumer als EVU respektive EltVU Speicherungs-, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten, etwa nach §§ 70, 71, 74 EEG 2017, der Marktstammdatenregisterverordnung und der REMIT-Verordnung i.V.m. der REMIT-DVO.

Weitere Pflichten können sich aus den bestehenden rechtlichen Vorgaben zur IT-Sicherheit, insbesondere den Vorgaben des BSIG sowie der BSI-KritisVO ergeben, die von einem Prosumer nach geltender Rechtslage einzuhalten wären.

Unabhängig davon, ob respektive mit welchem Aufwand den Prosumern eines Peer-to-Peer-Netzwerkes eine Erfüllung dieser Pflichten möglich wäre, dürfte bereits ihre grundsätzliche Einordnung als EVU/EltVU einen beträchtlichen Abschreckungseffekt haben mit der Folge, dass potenzielle Teilnehmer eines Peer-to-Peer-Netzwerkes mit Blick auf den sie als Prosumer treffenden Pflichtenkatalog von einer solchen Teilnahme letztlich absehen.

Zu beachten sind daneben die gesetzlichen Anforderungen der §§ 40 ff. EnWG an den Inhalt und die Abwicklung von Energielieferverträgen, die Rechnungsstellung und die Tarifierung von Energielieferungen. Gleiches gilt für die gesetzlichen Vorgaben zum Lieferantenwechsel, die sich aus § 20a EnWG und den Geschäftsprozessen zur Kundenbelieferung mit Elektrizität („GPKE“) ergeben. Daneben gilt es zu klären, wer auf einer Peer-to-Peer-Plattform, auf der Transaktionen ohne Einschaltung eines Intermediärs zwischen Prosumern abgewickelt werden, die Rolle des Bilanzkreisverantwortlichen übernimmt.

„Dienstleistermodelle“ als Antwort

Es zeigt sich, dass eine vollständig dezentrale, Blockchain-basierte Peer-to-Peer-Handelsplattform mit dem bestehenden rechtlichen Rahmen nur schwer zu vereinbaren sein dürfte. Um die Vorteile der Blockchain-Technologie einerseits nutzbar zu machen und die damit einhergehenden rechtlichen und regulatorischen Risiken zu bündeln, kann ein Dienstleistungsmodell genutzt werden: Ein Dienstleister stellt Prosumern eine Blockchain-basierte Handelsplattform zur Verfügung. Über diese Handelsplattform könnten die Prosumer untereinander, auch unter Einsatz von Smart Contracts, elektrische Energie handeln. Die energiewirtschaftlichen und regulatorischen Pflichten sowie die Rolle des Bilanzkreisverantwortlichen übernähme der Dienstleister anstelle der Prosumer.

Ein ähnliches Konzept wird bereits seit Ende 2017 von den Wuppertaler Stadtwerken erprobt. Diese betreiben als weltweit erster kommunaler Energieversorger einen Blockchain-basierten Handelsplatz für Ökostrom, auf dem Kunden Strom direkt von lokalen Ökostromanbietern erwerben können. Die energierechtliche Abwicklung übernehmen dabei die Stadtwerke als Dienstleister.

Die Zukunft der Blockchain

Damit das Potenzial der Blockchain-Technologie in der Energiebranche voll ausgeschöpft werden kann, bedarf es der Schaffung klarer rechtlicher Rahmenbedingungen, auf deren Basis Blockchain-basierte Lösungen rechtssicher implementiert und angewendet werden können.

Dies erfordert insbesondere Maßnahmen auf politischer Ebene, genauer: eine Anpassung des Rechtsrahmens. Zu denken ist hier etwa an die Einführung des „Prosumer“ als legaldefiniertem Marktteilnehmer, dem ein angemessener Pflichtenkatalog auferlegt wird. Des Weiteren müssen rechtlich-regulatorische Anforderungen technologieneutral formuliert werden, insbesondere die Vorgaben zur Datenerhaltung und -bereitstellung. Anpassungsbedarf besteht auch bei den bestehenden Marktregeln für den kleinteiligen Stromhandel.

Hierfür setzt sich seit Juni 2017 der Blockchain Bundesverband ein. Dieser veröffentlichte bereits im Oktober 2017 ein Positionspapier, das bestehende Problemfelder für die Anwendung der Blockchain-Technologie in Deutschland benennt und konkrete (politische) Handlungsempfehlungen formuliert. Erste Erfolge der Arbeit des Bundesverbands und anderer Interessenverbände sind bereits sichtbar geworden: Im aktuellen Entwurf des Koalitionsvertrages zwischen CDU/CSU und SPD sind Kernforderungen des Bundesverbandes berücksichtigt worden. Konkret heißt es dort, dass die Bundesregierung „eine umfassende Blockchain-Strategie entwickeln“ und sich „für einen angemessenen Rechtsrahmen für den Handel mit Kryptowährungen und Token auf europäischer und internationaler Ebene einsetzen“ möchte, „um das Potential der Blockchain-Technologie zu erschließen und Missbrauchsmöglichkeiten zu verhindern“.

Weiter möchte die Bundesregierung „innovative Technologien wie Distributed Ledger (Blockchain) erproben“, um ihre Verwendung für die Regierungsarbeit zu überprüfen. In derartigen Pilotprojekten sollen Informationen gesammelt werden, „sodass basierend auf diesen Erfahrungen ein Rechtsrahmen geschaffen werden kann“. Diese Vorhaben der Bundesregierung machen deutlich, dass auch die Politik den Nutzen sowie die enormen Anwendungsmöglichkeiten der Blockchain-Technologie erkannt hat.

Auch auf EU-Ebene findet die Blockchain-Technologie Beachtung. So richtete die Europäische Kommission jüngst das „EU Blockchain Observatory and Forum“ ein, eine Beobachtungsstelle für die Blockchain-Technologie. Ziel dieser Maßnahme ist es, Entwicklungen in diesem Bereich zu verfolgen, Akteure zu fördern und die europäische Zusammenarbeit in diesem Bereich zu stärken.

Die jüngsten politischen Entwicklungen auf nationaler sowie auf europäischer Ebene sind zu begrüßen. Denn das Versprechen der Blockchain-Technologie für die Energiewirtschaft ist groß. Nun gilt es, dieses Potenzial zu heben. Damit dies geschehen kann, bedarf es klarer rechtlicher Rahmenbedingungen.

 

Kontakt

Die Verfasserin ist Partnerin bei DWF Germany in Köln und dort Leiterin der Praxisgruppe Energierecht Deutschland. Sie ist Mitglied des Energieausschusses im Blockchain Bundesverband. Die Verfasserin dankt Frau Dr. Ilka Mainz für die Unterstützung bei der Erstellung dieses Legal Updates.

Sollten Sie Fragen zu diesem Legal Update haben, können Sie sich jederzeit gerne an Frau Dr. Carmen Schneider wenden.

Dr. Carmen Schneider

Partnerin, Leiterin Energierecht (Deutschland)
Telefon: +49 (0) 221 / 534 098 105
Email: carmen.schneider@dwf.law

DWF Germany

Rechtanwaltsgesellschaft mbH
Habsburgerring 2
50674 Köln

Quelle:
DWF Germany
Autor:
Dr. Carmen Schneider
Email:
carmen.schneider@dwf.law
Link:
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Keywords:
Blockchain, Energiewirtschaft, Energie, Gesetz
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