2024-03-28
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Dynamische Drehmomentmessung im Antriebsstrang zur Ertragssteigerung und Lastreduzierung

Ein Fachartikel aus dem Windmesse Technik-Symposium Review 2014.

1. Motivation

Mit Hilfe der Dynamikinformationen von Drehmoment und Drehzahl im Antriebsstrang von Windenergieanlagen kann die Anlagenregelung weiter optimiert werden, um den Energieertrag zu steigern und damit die Stromgestehungskosten zu senken. Diese Leistungssteigerung erfolgt, indem das aktuell tatsächlich auftretende Drehmoment am Rotor verwendet wird, um die Drehzahl-Drehmomentkennlinie des Generators an die gerade vorliegenden Windbedingungen anzupassen.

Die von Bosch Rexroth entwickelte Regelung „Active Torque Control“ reduziert die Torsionslasten im Antriebsstrang. Die dabei frei werdende Dynamikreserve kann für eine Leistungssteigerung genutzt werden. Zusätzlich werden auftretende Sonderereignisse erfasst, die bei entsprechender Anlagenregelung die Belastungen weiter reduziert. Durch die exakte Lasterfassung im Antriebsstrang und deren Integration in das Advanced Condition Monitoring System (ACoS®) von Rexroth können Betreiber mit Hilfe einer präventiven und zustandsorientieren Wartung Kostenvorteile erzielen.

 

2. Dynamikerfassung und Lastklassifizierung

Der prinzipielle Aufbau der Drehzahl- und Drehmomenterfassung im Antriebsstrang von Windenergieanlagen ist in Bild 1 dargestellt. Die Rotordrehzahlen auf der Hauptwelle werden an zwei Stellen mit Hilfe von zwei befestigten gestanzten Lochbändern und induktiven Drehzahlgebersystemen erfasst. Der Verdrehwinkel zwischen den beiden Bändern wird durch die hochgenaue Abtastung der Drehzahlgeber ermittelt. Durch Multiplikation des Verdrehwinkels mit dem Steifigkeitsanteil der Hauptwelle zwischen den beiden Bändern ergibt sich das Drehmoment der Hauptwelle. Zusätzlich wird die Drehzahl der schnelldrehenden Welle im Antriebsstrang erfasst. Auch hier wird über den Verdrehwinkel zwischen Getriebeeingang und schnelldrehender Welle und der dazwischenliegenden Steifigkeit das dynamische Drehmoment ermittelt. Diese dynamischen Drehzahl- und Drehmomentinformationen werden über ein Bussystem direkt der Anlagensteuerung zugeführt, sodass die Windenergieanlage anhand der real gemessenen Dynamik geregelt werden kann.

Bild 1: Sensorkonzept für Dynamikerfassung im Antriebsstrang

Mit einem Softwaremodul werden die kritischsten Ereignisse während der kompletten Betriebsdauer der Anlage von 20 Jahren nach bestimmten Vorgaben gespeichert. In einer Tabelle erfolgt die Speicherung der Ereignisse, die vorgegebene Triggerwerte für z.B. maximales Drehmoment, Drehzahländerung, Drehmomentänderung usw. überschreiten. Zusätzlich werden für eine bestimmte Anzahl die Zeitsignale der kritischsten Ereignisse komprimiert abgelegt. Anlagenhersteller und Betreiber können das Regelverhalten der Anlage auch bei Sonderereignissen überprüfen und gegebenenfalls optimieren.

In einem weiteren Softwaremodul werden die gemessenen Lasten kollektiviert und können so mit den Auslegungslasten für die Komponenten im Antriebstrang verglichen werden. Zusätzlich können die gemessenen Drehzahl- und Drehmomentinformationen vom Condition Monitoring System für eine präventive und zustandsorientiere Wartung genutzt werden, wie es aktuell für das Advanced Condition Monitoring System ACoS® von Rexroth geplant ist.

Beispielhaft ist in Bild 2 der gemessene Drehmomentverlauf auf der Rotorhauptwelle einer 2 MW-Windenergieanlage skaliert dargestellt. Hier lässt sich gut erkennen, dass das mittlere Moment um Nennmoment mit unterschiedlichen Frequenzen schwingt, wie die Frequenzanalyse in Bild 2 zeigt. Die Hauptamplitude ist in dieser Messung bei der 3-fachen Rotordrehfrequenz (3P), aufgrund von Windscherung und Turbulenzen in der Rotorebene. Wie in dem Zeitbereich von 590s bis 600s zu erkennen ist, entstehen hier um bis zu 25% höhere Momente als das Nennmoment der Anlage. Diese hohen dynamischen Lastüberhöhungen entstehen durch die Überlagerung von Schwingungen verschiedener Frequenzen. Sie sind in den Drehmomentzeitsignalen immer wieder zu finden und führen zu deutlichen Mehrbelastungen der Komponenten im Antriebsstrang. Diese teilweise unzulässigen Lasten können die Lebensdauer bestimmter Bauteile deutlich reduzieren, sodass die Auslegungslebensdauer nicht erreicht wird. Im nächsten Kapitel wird eine Möglichkeit aufgezeigt, die Torsionsbelastungen durch „Active Torque Control“ im Antriebsstrang auf Basis der aktuell gemessenen Torsion auf ein Minimum zu reduzieren.

Bild 2: Gemessenes Drehmoment der Hauptwelle im Zeit- und Frequenzbereich

 

3. Active Torque Control

Das Prinzip des Regelsystems „Active Torque Control (ATC)” basiert auf der Berechnung eines additiven Drehmomentes für den Generator auf Basis der dynamischen Getriebetorsion. Diese Torsion wird mit Hilfe der Winkeldifferenz zwischen der Getriebeeingangs- und Ausgangswelle ermittelt, die mit dem bereits in Bild 1 dargestellten Sensorsystem gemessen wird.

Im Bild 3 sind die Ergebnisse aus einer detaillierten Mehrkörpersimulation einer Windenergieanlage der Leistungsklasse 2 MW bei einer Windgeschwindigkeit von 10 m/s mit und ohne Active Torque Control dargestellt. Der Vergleich zeigt, dass ATC eine deutliche Reduzierung der Dynamik im Drehmoment sowie auch in der Drehzahl bewirkt. Diese Dynamikreduzierung führt zu geringeren Belastungen der Bauteile im Antriebsstrang und damit zu einer längeren Lebensdauer der Komponenten. Des Weiteren wird durch ATC die bei der Auslegung berücksichtigte Dynamikreserve reduziert, was bei gleichem Materialeinsatz zu einer höheren Leistungsdichte führt. Wird ATC dagegen in bereits bestehenden Anlagen nachgerüstet, sind Leistungssteigerungen von 3 bis 5% möglich und damit höhere Energieerträge bei gleicher Belastung von Antriebskomponenten wie z.B. dem Getriebe.

Bild 3: Simulationsergebnisse mit ATC bei einer mittleren Windgeschwindigkeit von 10 m/s

 

Der größte Vorteil von ATC verglichen mit der Standardtriebstrangdämpfung, die bei den meisten Herstellern von Windenergieanlagen eingesetzt wird, lässt sich sehr leicht im Frequenzspektrum des Drehmomentes siehe Bild 4 erkennen.

Bild 4: Simulationsergebnisse mit ATC im Frequenzbereich bei 20 m/s

 

Bei der Standardtriebstrangdämpfung wird mit Hilfe eines Bandpasses oder auch modellbasiert die 1. Torsionseigenfrequenz, die üblicherweise zwischen 1,4 Hz und 1,9 Hz liegt, gut gedämpft. Im Gegensatz dazu reduziert ATC die Schwingungsamplituden im Bereich von 0,1 bis ca. 10 Hz. Damit werden hier neben der 1. Torsionseigenfrequenz auch die anregenden Frequenzen gedämpft, die aus den Vielfachen der Rotordrehfrequenz kommen. In den Messungen in Bild 2 wurde bereits gezeigt, dass insbesondere die 3-fache Drehfrequenz des Rotors zu hohen Amplituden führt, die durch den Einsatz von ATC reduziert wird.

Neben der Mehrkörpersimulation wird ATC auf Windenergieanlagen getestet. Die Messungen zeigen sowohl eine sehr gute Reduzierung der Torsionsbelastung im Antriebstrang als auch der Drehzahlschwankungen. Somit bestätigen die Messungen in der Praxis die sehr guten Dämpfungsergebnisse, die in der Mehrkörpersimulation erreicht wurden.

Bild 5: Messergebnisse mit Active Torque Control auf einer Windenergieanalage

 

4. Zusammenfassung

Mit Hilfe einer berührungslosen und damit verschleißfreien Messung der Drehmomente im Antriebsstang von Windenergieanlagen ist eine Ertragssteigerung bei gleichzeitiger Reduzierung der dynamischen Lasten möglich. Die Ertragssteigerung wird dadurch erreicht, dass die Information des Drehmoments in Echtzeit genutzt werden, um die Leistungskennlinie der Anlage dynamisch an die unterschiedlichen Betriebszustände anzupassen. Des Weiteren werden verschiedene Sonderereignisse z.B. Sturmabschaltung, Regelverhalten bei Sturmböen usw. erfasst und auch aufgezeichnet, die im weiteren Verlauf für die Optimierung der Anlagenregelung verwendet werden. Weitere Synergie-Effekte werden durch die Integration der Drehmomentmessung in das ganzheitliche Condtion Monitoring System ACoS® von Bosch Rexroth erreicht.

Zusätzlich dienen die Drehzahl- und Drehmomentsignale im Antriebsstrang als Eingangsgröße für Active Torque Control, was das Drehmoment des Generators so regelt, dass die dynamischen Lasten deutlich reduziert werden. Dieses Verfahren verringert in einem weiten Frequenzbereich die Schwingungen im Antriebsstrang und geht damit deutlich über den aktuellen Stand der Technik hinaus, bei der durch die Regelung meist nur die Dämpfung der ersten Torsionseigenschwingung erfolgt.

Quelle:
Bosch Rexroth AG
Autor:
Dr.-Ing. Andreas Vath
Email:
andreas.vath@boschrexroth.de
Link:
www.boschrexroth.com/...
Windenergie Wiki:
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